"Trump ist wieder Präsident", meldet Gazet van Antwerpen in ihrem Aufmacher. "Der Schock Trump – zweiter Akt", schreibt La Libre Belgique auf Seite eins. "Und jetzt?", fragen sich sowohl Le Soir als auch L’Avenir in ihren Schlagzeilen. Die Wahl von Donald Trump zum neuen Präsidenten in den USA ist das Top-Thema auf den Titelseiten aller Zeitungen. Auch die Leitartikler widmen sich ausschließlich diesem Thema.
Le Soir stellt fest: Der Sieg von Trump ist klar, unanfechtbar und getragen von der breiten Masse. Amerika wollte Trump als neuen Präsidenten. Und nicht nur das Amerika der weißen Männer und der Rechtsextremen. Alle Wahlergebnisse zeigen das. An diesem Dienstag haben sowohl Weiße als auch Afro-Amerikaner und US-Bürger mit spanischen Wurzeln für Trump gestimmt, Männer und Frauen, Arbeiter und Unternehmensbosse, junge und alte Menschen. Und das trotz der Ausfälle, Beleidigungen, gerichtlichen Verurteilungen, des Rassismus, der Lügen oder auch des Sexismus des Kandidaten Trump. Was wird der als Präsident jetzt mit seiner neuen Macht anfangen?, fragt sich besorgt Le Soir.
Ohrfeige für die liberale Öffentlichkeit
Das GrenzEcho kommentiert: Donald Trump ist zurück – und wie. Aus seinem fulminanten Sieg wird er ein starkes Mandat ableiten. Sein erdrutschartiger Erfolg ist eine Ohrfeige nicht nur für seine Kontrahentin Kamala Harris, sondern für die gesamte Demokratische Partei und die sogenannte liberale Öffentlichkeit in den Vereinigten Staaten, wertet das GrenzEcho.
La Libre Belgique meint: Es ist genauso verblüffend wie im November 2016, und man darf sich bereits auf den gleichen Kater wie damals einstellen. Wer hätte darauf gewettet, dass es zu dieser triumphalen Wiederwahl kommt? Undenkbar war das am Tag nach dem mörderischen Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021. Dieser als unwahrscheinlich eingestufte Sieg von Trump – der aber ganz eindeutig ausfällt – stößt in Europa auf völliges Unverständnis. Wie kann es sein, dass ein solches Land, ein geopolitischer Riese und Nummer eins der Weltwirtschaft, sich unfähig zeigt, einen anderen Präsidenten als Trump zu wählen?, schüttelt La Libre Belgique den Kopf.
Autoritärer Führungsstil als Retter der Demokratie?
De Standaard hält fest: 2016 war die Wahl von Trump noch eine Art bizarrer Unfall. 2024 ist Trump selbst zum System geworden. Trump ist nun eine Bewegung. Da die Republikaner auch im Senat und wohl ebenfalls im Abgeordnetenhaus die Mehrheit haben werden, droht eine Autokratie in den USA, warnt De Standaard.
De Morgen bemerkt: Seine Rolle beim Sturm auf das Kapitol hätte Trump eigentlich disqualifizieren müssen für jegliches Amt in einer Demokratie. Die Mehrheit der Amerikaner sieht das aber wohl anders. Umfragen haben nämlich gezeigt, dass die Rettung der Demokratie für viele Amerikaner die wichtigste Motivation war, an der Wahl teilzunehmen. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass viele Wähler wohl finden, dass ihre Vorstellung von Demokratie am besten durch einen autoritären Führungsstil gerettet wird, bedauert De Morgen.
Het Laatste Nieuws behauptet: Kein Volk der Welt besteht zu mehr als der Hälfte aus Idioten. Bei näherem Hinschauen zeigt sich daher, dass die Wahl von Trump vor allem auf ein Thema zurückgeht: den Geldbeutel. Vielen Amerikanern geht es schlechter als vor vier Jahren. Und Trump verspricht, das zu ändern. Wohl deshalb haben viele ihn und seine Republikaner gewählt.
Parallelen mit Belgien
Bei uns in Belgien war das nicht anders. Ähnlich wie die Demokraten in den USA hat auch die Vivaldi-Regierung Belgien eigentlich ganz gut durch die Krisen à la Corona und Ukraine-Krieg geführt. Einschnitte gab es trotzdem. Und wenn da jemand verspricht, es wieder besser zu machen, dann glaubt man ihm eben. Bei uns hat die N-VA mit ähnlichen Versprechen die Wahlen gewonnen, erinnert Het Laatste Nieuws.
Die Wirtschaftszeitung L’Echo glaubt: Wenn Trump ernst mit seinen Ankündigungen macht, leben wir bald in einer Welt, in der Handelskrieg zur Norm wird. Zehn bis 20 Prozent Einfuhrzölle auf alle Produkte aus Partnerländern hat Trump angekündigt, bis zu 60 Prozent auf Waren aus China. Dass er damit alles niederreißt, was die Welt über Jahrzehnte hinweg aufgebaut hat, ist Trump egal. Er kennt nur die Sprache der Macht und sieht die USA im Zentrum von allem.
Auch bei den Konflikten in der Welt – Stichwort Ukraine – wird das spürbar werden. Für die Europäer bedeutet das: Den zuverlässigen Verbündeten USA gibt es nicht mehr. Mehr denn je müssen die Europäer jetzt auf Eigenverantwortung setzen. Das ist keine Option mehr, sondern ein Muss, betont L’Echo.
Kay Wagner