"Amerika hat entschieden – die Welt hält den Atem an", so die große Überschrift bei Het Laatste Nieuws. "Wer wird der 47. Präsident der Vereinigten Staaten?", fragt L'Avenir. "Was nun Amerika?", fasst De Standaard zusammen. "Nach der Wahl der große Stress-Test für die Demokratie", befürchtet L'Echo. "Ein Land auf 180", hält La Libre Belgique fest.
Die Präsidentschaftswahl in den USA ist vorüber, kommentiert das GrenzEcho, doch steht das Land deshalb heute nicht weniger gespalten da als gestern noch. Die politischen Lager wirken unversöhnlicher denn je, die gesellschaftlichen Fronten verhärtet. Nach vielen Jahren wachsender Polarisierung hat der aggressive Wahlkampf die Risse weiter vertieft und das Vertrauen in die Stabilität der amerikanischen Demokratie erschüttert. Ob die USA die Kraft finden werden, die Wunden zu heilen und die Demokratie zu stabilisieren, ist am Tag eins nach der Wahl ungewiss. Doch die Welt wird den amerikanischen Weg mit wachsamer Aufmerksamkeit verfolgen. Die nächsten Schritte der US-amerikanischen Politik werden nicht nur für die Zukunft der eigenen politischen Kultur entscheidend sein, sondern könnten auch international das Vertrauen in die demokratische Ordnung prägen. Denn die Feinde der Demokratie – auf beiden Seiten des Atlantiks – wissen um die Schwächen, die eine gespaltene Gesellschaft offenbart. Und sie werden diese zu nutzen wissen, mahnt das GrenzEcho.
Ein zerrissenes Land
Egal wie die Wahl auch ausgeht, die Vereinigten Staaten werden weiter aus zwei sehr verschiedenen Welten bestehen, ist Het Belang van Limburg überzeugt. Einer Trump-Welt mit Behauptungen, die – wenn überhaupt – höchstens ein Fünkchen Wahrheit enthalten, und einer Harris-Welt, die viel näher an unserer ist. Es ist unbegreiflich, wie Trump mit all seinem Unsinn davonkommt in einem Land, das doch über einige der besten Universitäten der Welt verfügt. Dieses Mal wäre Trump auch noch gefährlicher als bei seiner ersten Amtszeit, denn damals war er zumindest noch von Experten umgeben, auch wenn er selten auf sie gehört hat. Jetzt ist er nur noch von Opportunisten umgeben, die sich mit Dummheiten zu überbieten versuchen. Trump hat nicht nur viel Hass gesät, er hat vor allem auch gezeigt, dass sich Schweinereien lohnen. Die Auseinandersetzungen zwischen seinen Anhängern und dem Rest der Gesellschaft werden jedenfalls weitergehen. Denn unabhängig vom Wahlausgang ist die Wut zu groß, glaubt Het Belang van Limburg.
Mehr denn je sind die Vereinigten Staaten ein zerrissenes Land, unterstreicht La Libre Belgique: Es wird zerfetzt von zwei nicht miteinander kompatiblen politischen Visionen, von entgegengesetzten Gesellschaftsprojekten, von sich widersprechenden Interessen. Die extreme Polarisierung, die der autoritäre Donald Trump kräftig genährt hat, wird nicht verschwinden mit der Bekanntgabe der Wahlergebnisse. Das gesamte amerikanische Projekt ist heute in Gefahr – einer Gefahr, die von innen kommt, so La Libre Belgique.
Kein business as usual mehr
Selbst falls Donald Trump die Präsidentschaftswahlen verlieren sollte, hat er den Vereinigten Staaten und ihrer Politik bereits seinen unauslöschlichen Stempel aufgedrückt, schreibt De Tijd. Er hat es geschafft, die Unzufriedenheit der Amerikaner anzuzapfen und sie so zu manipulieren – mit einer nie dagewesenen gesellschaftlichen und politischen Polarisierung als Folge. Diese Gräben werden nur noch tiefer werden, falls es nicht schnell einen klaren Gewinner der Wahlen gibt, prophezeit De Tijd.
Trump wird gewinnen, selbst wenn er verliert, fasst Het Laatste Nieuws zusammen: Denn, falls er verlieren sollte, dann haben natürlich wieder die Linken die Wahlen gestohlen. Mit solchen Behauptungen tritt Trump die Grundprinzipien der Demokratie mit Füßen. Er mag ein verurteilter Verbrecher sein, ein Pussy-Grabber, ein Betrüger, jemand, der selbst die groteskesten Lügen über seine Gegner verbreitet – alles perlt an ihm ab. Was für ein seltsames Land. Bitte nicht noch mal Trump – das denken viele in Europa, auch wir. Denn was, wenn dieser Autokrat, der seine Finger und Sitten nicht unter Kontrolle hat, gemeinsam mit seiner Oligarchen-Clique wirklich erneut die Macht ergreift? Aber auch falls Harris gewinnen sollte: Es wird kein Business as usual mehr geben. Die Europäische Union muss sich endlich aufraffen. Um einmal – um Gottes Willen – Charles Michel zu zitieren: Europa darf kein Museum mit einer ruhmreichen Vergangenheit sein, appelliert Het Laatste Nieuws.
Teile und herrsche
Auch wenn gerade wir Europäer oft mit Befremden auf den Wahlkampf in den USA schauen, die grundlegende Ursache für die Krankheit der Vereinigten Staaten lässt sich auf ein bekanntes Prinzip zurückführen: Teile und herrsche, analysiert Het Nieuwsblad. Teile durch das Aufhetzen von Gemeinschaften gegeneinander, durch das Säen von Angst, durch das Beschimpfen, Beleidigen und Beschuldigen der Konkurrenz und durch die Untergrabung des Rechtsstaats. Das ist genau das, was passiert ist, seitdem Trump auf der Bildfläche erschienen ist. Er ist mitverantwortlich dafür, dass es im besten Fall Generationen dauern wird, diese Wunden wieder zu heilen. Es hat Jahrhunderte gedauert, bis die moderne Demokratie ihre Form bekommen hat. In den Vereinigten Staaten hat es kaum zehn Jahre gebraucht, um sie grundlegend zu untergraben. Den größten Fehler, den wir in Europa machen könnten, ist zu glauben, dass das hier nicht passieren könnte. Teile und herrsche ist auch das, was alle radikalen und rechtsextremen Parteien in Europa machen wollen. Sie sind schon auf dem Vormarsch und folgen fleißig dem Drehbuch, das Trump geschrieben hat, warnt düster Het Nieuwsblad.
Boris Schmidt