"Die Arizona ist blockiert, De Wever muss den Schlüssel finden", titelt Le Soir. "Letzte Chance für De Wever – auch neue Super-Note abgelehnt", fasst Het Laatste Nieuws zusammen. "Sozialisten lehnen Entwurf erneut ab", hebt auch das GrenzEcho hervor. "Conner Rousseau: 'Die Chance, dass die Regierungsbildung noch klappt, ist klein'", liest man auf Seite eins von Het Nieuwsblad und anderen Zeitungen.
Nach den Gemeinderatswahlen sollte doch alles ganz schnell gehen, giftet Het Nieuwsblad in seinem Leitartikel: Wochenlang war uns das vorhergesagt worden, denn die Zeit drängte doch so. Aber statt mit Fortschritt müssen wir wohl damit rechnen, dass Regierungsbildner Bart De Wever dem König wieder schlechte Nachrichten zu überbringen haben wird. Die jüngste Botschaft des Vooruit-Vorsitzenden Conner Rousseau illustriert einen Reflex, den auch die anderen Parteien offensichtlich nicht ablegen können: Sie wollen lieber jetzt den Schwarzen Peter auf sich nehmen als später jahrelang angegriffen zu werden. Aber warum dann erst so lange verhandeln? Könnte man dann nicht schneller zu alternativen Mehrheiten wechseln?, fragt verbittert Het Nieuwsblad.
Die eigene Partei über alles
Diese Parteien verhandeln weiter genauso wie früher, kritisiert Het Laatste Nieuws: Jeder ist nur auf Jagd nach Trophäen, die eigenen Parteiinteressen werden über das Wohl des Landes gestellt, das fühlt sich schon wieder so richtig vivaldisch an. Es ist fast so, als ob die nächste Regierung den Staat nicht um 16 Milliarden Euro sanieren müsste, als ob die großen Reformen nicht immer dringlicher würden, als ob es der Industrie nicht immer schlechter ginge, als ob der Lärm der Waffen an den Außengrenzen nicht immer lauter würde. Und schauen wir doch nur nach Spanien: Auch eine Anpassung unseres Lebens an den Klimawandel und ein Bremsen der Erderwärmung sollten doch eigentlich gute Argumente sein, um unseren Haushalt zurück auf die Spur zu bringen, oder?, wettert Het Laatste Nieuws.
Stärkere Mobilisierung im "Klima-Krieg" nötig
Die Unwetterkatastrophe in Spanien beschäftigt auch viele andere Kommentatoren: Die ganze Region um Valencia, ja das ganze Land stehen unter Schock und sind traumatisiert, schreibt La Libre Belgique. Und während unter anderem in den Sozialen Medien mal wieder die absurdesten Diskussionen über Gründe und Zusammenhänge geführt werden, ist eines sicher: Die extremen und tödlichen Klima-Episoden werden auch in unseren Breiten in den nächsten Jahrzehnten immer häufiger werden. Sie werden immer mehr unseren Alltag beeinflussen und uns als Verbraucher und Bürger vor unangenehme Entscheidungen stellen. Machen wir uns nichts vor: Europa muss stärker mobilisieren in diesem "Klima-Krieg", was bisher getan worden oder geplant ist, wird nicht ausreichen, warnt La Libre Belgique.
Was wir brauchen, sind keine hitzigen Debatten, sondern eine Politik des kühlen Kopfes, fordert De Morgen. Auch die Katastrophe von Valencia hat wieder das bereits bekannte Versagen auf den verschiedenen Ebenen enthüllt: Die unmittelbaren Reaktionen der Behörden auf die Notlage kamen viel zu spät, die strukturelle Anpassung an die Folgen des Klimawandels bleibt unzureichend und die globalen Anstrengungen gegen die Ursachen der Störung des Klimas sind zu träge. Natürlich wird das alles Geld kosten, viel Geld sogar. Aber was wir in diesem Zusammenhang sicher nicht brauchen können, sind virtuelle Kulturkämpfe ums Klima, wir haben knallharte politische Entscheidungen nötig, appelliert De Morgen.
Es ist schon paradox, merkt derweil De Standaard an: Je zahlreicher, häufiger und tödlicher die Auswirkungen von extremem Wetter werden, desto weiter nach unten rutscht das Klima auf der politischen Agenda. Auch die jüngsten Ereignisse in Spanien werden wohl nicht zu einem Sinneswandel führen. Im Juni hat jeder zehnte Spanier für die rechtsextremen Klimaskeptiker von Vox gestimmt. Und Spanien ist in puncto Unwetterkatastrophen und Augen verschließen ja längst kein Einzelfall. In den Vereinigten Staaten könnte in ein paar Tagen ein Klimaleugner wieder Präsident werden, die Europäische Union hat dem Green Deal alle Zähne gezogen, Deutschland will die Beibehaltung von Verbrennerautos und auch in Belgien wird jegliche Klimaambition im Keim erstickt, prangert De Standaard an.
Der Schatten von Trump II
Dann scheinen sich die Zeitungen auch bereits mental auf einen Sieg von Donald Trump bei den Präsidentschaftswahlen in den Vereinigten Staaten vorzubereiten: Auch in Europa ist die Sorge enorm, unterstreicht Le Soir. Alles kommt zurück: Trump mit seinem Kumpel Putin in Helsinki, seine Liebeserklärungen an den nordkoreanischen Führer, seine Ablehnung von Nato, WHO und G7, der Ausstieg aus dem Klimaabkommen von Paris, sein unverantwortliches Management der Covid-Krise. Und jeden Morgen beim Aufstehen der Stress: Welche Tweets hat er jetzt wieder in die Welt hinausgeschickt? All das könnte sich wiederholen – und laut Beobachtern könnte es dieses Mal noch schlimmer werden. Für die USA, für die Demokratie weltweit und auch für die globale Wirtschaft, lautet die düstere Prognose von Le Soir.
Es geht um sehr viel, nicht nur für Amerika, sondern für die ganze Welt, hebt De Tijd hervor. Alles weist darauf hin, dass sich Trump noch weiter radikalisiert hat seit seiner letzten Amtszeit. Und im Gegensatz zum ersten Mal hat er sich dieses Mal gründlich vorbereitet: Er hat bereits deutlich gemacht, dass Köpfe rollen werden, wenn er wieder Platz nimmt im Oval Office. Den Demokraten droht politische Verfolgung wegen der angeblich gestohlenen Wahlen von 2020, der Beamtenapparat soll gesäubert werden von allen, die keinen Eid auf Trump ablegen wollen, die angekündigten Steuersenkungen für Superreiche und die Deportation von Millionen Migranten werden der US-Wirtschaft schwer schaden, fasst De Tijd zusammen.
Trump ist eigentlich das Beste, was Europa passieren könnte, meint aber L'Echo. Denn Trump wäre nach Corona, dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und der damit zusammenhängenden Energiepreiskrise der dritte Systemschock innerhalb eines Jahrzehnts für Europa. Das könnte die Europäer vielleicht endlich dazu bewegen, sich zu emanzipieren von einem immer instabileren Partner. Die jüngsten Entwicklungen machen unmissverständlich deutlich, dass unsere Abhängigkeit von den Vereinigten Staaten zu einer existenziellen Gefahr geworden ist. Wir müssen zum Beispiel absolut damit rechnen, dass Trump die Ukraine unmittelbar zur Kapitulation zwingen und Putin damit einen überwältigenden Sieg schenken wird. Damit würde er den Russen den Weg ebnen für eine hemmungslose Fortsetzung ihrer Destabilisierungspolitik – in Georgien, in der Republik Moldau, in Serbien, in den baltischen EU- und Nato-Staaten. Ganz zu schweigen von einer weiteren Eskalation der hybriden Kriegsführung Moskaus gegen den Rest Europas. Mit einem Sieg Trumps könnte die Europäische Union wirklich gezwungen sein, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen, so L'Echo.
Boris Schmidt