"Die Apokalypse", titeln Het Laatste Nieuws und La Dernière Heure. "Horror in Valencia", so die Schlagzeile von L'Avenir. "Spanien ist verwüstet", schreibt Le Soir auf Seite eins.
Erschreckende Bilder prägen heute die Titelseiten: Eine Szenerie, die an ein Kriegsgebiet erinnert. Autos, die übereinander gestapelt sind wie Spielzeug. Sintflutartige Regenfälle haben im Südosten Spaniens für fast beispiellose Überschwemmungen gesorgt. "Augenzeugen fühlten sich an einem Tsunami erinnert", schreibt Le Soir im Innenteil. "Keine Chance zu entkommen", so die Schlagzeile auf Seite eins von Het Nieuwsblad. "Spanien trauert um die Opfer", schreibt das GrenzEcho. Im Moment ist von knapp 100 Todesopfern nach dem verheerenden Unwetter die Rede. Hier handelt es sich aber um vorläufige Zahlen. "Spanien steht unter Schock", schreibt denn auch La Libre Belgique.
Anstrengungen für den Klimaschutz beschleunigen
"Wie viele Katastrophen dieser Art braucht es denn noch, bis wir die Tragweite des Klimawandels endlich erfassen?", fragt sich anklagend Le Soir in seinem Leitartikel. Natürlich ist bei solchen Naturereignissen immer Vorsicht geboten, natürlich darf man nicht übereilt einen Zusammenhang mit der Klimaerwärmung herstellen. Und, ja, das Wetterphänomen, das verantwortlich war für die Katastrophe im Südosten Spaniens, das ist nicht neu. Dennoch: Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass all das durch den Klimawandel noch einmal verstärkt und befeuert wird. Weitere Erkenntnis: Am Beispiel Spaniens zeigt sich einmal mehr, dass auch Industrieländer mit all ihrer Technologie gegen die entfesselten Naturgewalten machtlos sind. All das sollte uns doch endlich zu der Einsicht bringen, dass wir dringend unsere Klimaschutz-Anstrengungen beschleunigen müssen. Jedes Zögern macht alles nur noch schlimmer.
Klimawandel als Realität anerkannt, doch wir handeln nicht
Und wir zahlen dafür einen hohen Preis, hakt Gazet Van Antwerpen ein. Erstmal sind da die Todesopfer und das menschliche Leid. Darüber hinaus wird auch diese Katastrophe am Ende wieder Schäden in Milliardenhöhe angerichtet haben. Einer neuen Studie zufolge werden Extremwetterereignisse die Weltwirtschaft jährlich 140 Milliarden Euro kosten. Und da sprechen wir noch nicht von den Folgekosten für die Wirtschaft, die durch Arbeitsausfälle verursacht werden. Stellt sich also die Frage: Wäre es nicht unterm Strich vernünftiger, weil kostengünstiger, wenn man mehr Geld in den Klimaschutz steckt? Zugegeben: Das ist ein schwieriges Gleichgewicht, aber die Katastrophe in Spanien legt nochmal den Finger in die Wunde.
Aber wir stehen lieber an der Seitenlinie und gucken tatenlos zu, giftet Het Nieuwsblad. Die Folgen des Klimawandels sind inzwischen unübersehbar. Und wir wissen längst, dass wir uns auch hier in den weiter nördlich gelegenen Ländern nicht sicher fühlen können. Die Klimaleugner und -skeptiker sind zwar laut, aber in der Minderheit. Sie sind nicht das Problem. Das Problem ist vielmehr, dass wir den Klimawandel inzwischen als Realität anerkennen, aber doch nicht handeln. Bei den letzten Wahlen war das schlichtweg kein Thema.
Vergiftete Debatte über den Klimawandel
L'Avenir kommt zu demselben Schluss. Alle Prognosen der Klimaexperten bewahrheiten sich. Die Frequenz von Extremwetterereignissen nimmt sichtbar zu. Und doch bleiben wir weitgehend untätig. Schlimmer noch: Immer mehr Politiker in immer mehr Ländern plädieren dafür, die Pausentaste zu drücken und Umweltschutzmaßnahmen zurückzustellen, wenn sie sie nicht gar zurückschrauben wollen. Dabei wissen wir längst, dass sich niemand sicher fühlen kann, nicht in Afrika, nicht auf den Philippinen, nicht in Florida, nicht in Spanien und auch nicht in Verviers.
Das Problem ist, dass die Debatte über den Klimawandel vergiftet ist, glaubt Het Laatste Nieuws. Alle mauern sich letztlich in Extremstandpunkten ein. Einen Strohhalm könnte hier eine neue Bewegung darstellen, die man als "nüchterne Ökologie" bezeichnen könnte. Kurz und knapp: Diese neuen Umweltschützer wollen den Menschen keinen neuen Lebensstil aufzwingen. Sie wollen keine Terrassenheizstrahler verbieten, die ganze Welt muss auch nicht vegan werden und moderne Kernkraftwerke sind in den Augen dieser Leute Teil der Lösung. Diese "No Bullshit-Herangehensweise" ist wahrscheinlich zielführender als das ewige alarmistische Gekrächze.
"Ein Taxshift und nichts anderes als ein Taxshift!"
Einige Blätter beschäftigen sich aber auch mit den föderalen Koalitionsverhandlungen. Die Arizona-Spitzen wollen heute zum ersten Mal in großer Runde über die neue "Supernote" von Regierungsbildner Bart De Wever beraten. Aus der Wirtschaft kommen derweil wieder beunruhigende Signale: "Der belgische Jobmotor ist ins Stocken geraten", titeln De Tijd und L'Echo.
Für De Standaard kann es mit Blick auf die anstehende enorme Haushaltssanierung nur eine Maxime geben: "Ein Taxshift und nichts anderes als ein Taxshift!". Konkret: Die Steuerlast muss gerechter verteilt werden, von der Arbeit weg hin zum Kapital. Das sagt inzwischen nicht mehr allein Conner Rousseau, das ist auch die ausdrückliche Empfehlung des Hohen Finanzrates. Allein eine gerechte Verteilung der Lasten auf Arbeit und auf Kapital kann den Durchbruch bringen.
Ein Scheitern ist in jedem Fall nicht erlaubt, mahnt eindringlich La Libre Belgique. Nach der anfänglichen Euphorie haben sich die Arizona-Parteien inzwischen heillos festgefahren. Das Problem ist, dass sich allen voran N-VA und MR schwer damit tun, sich in ihren Wünschen und Forderungen zu mäßigen. Insbesondere die N-VA wird ihre Position mehr in Richtung des politischen Zentrums verlagern müssen, in jedem Fall, wenn es um die Lastenverteilung bei der Haushaltssanierung geht. Klar, das ist ein schmaler Grat, allen voran eben für die Parteien aus dem rechten Spektrum. Wichtig ist aber jetzt, dass Belgien haushaltspolitisch wieder auf Kurs gebracht wird. Oder will man erst darauf warten, dass die internationalen Finanzmärkte Belgien ins Fadenkreuz nehmen?
Roger Pint