"Vooruit weist die neue Supernote von Bart De Wever zurück", schreibt De Tijd auf Seite eins. Het Laatste Nieuws ist deutlicher: "Vooruit zieht einen Strich durch die De Wever-Note", so die Schlagzeile. "Und De Wever muss zurück ans Zeichenbrett", titelt De Standaard.
Die föderalen Koalitionsverhandlungen sind wieder ins Stocken geraten. Es geht immer noch um die sogenannte "Supernote" von Regierungsbildner Bart De Wever, die ja die wirtschafts- und haushaltspolitischen Leitlinien der künftigen Föderalregierung umfassen soll. De Wever hatte zwar Korrekturen an dem Text vorgenommen. In den Augen der flämischen Sozialisten Vooruit bleibt die Note aber zu unausgewogen. Vooruit verlangt jetzt also eine grundlegende Neufassung. "Die föderalen Koalitionsverhandlungen stehen schon wieder am Anfang", so denn auch das beißende Urteil auf Seite eins von Het Nieuwsblad. "De Wever erleidet einen neuen Rückschlag", titelt De Morgen.
"Schluss mit der Komödie!", fordert Het Laatste Nieuws in seinem Leitartikel. Vooruit fordert jetzt öffentlich eine neue Supernote. Dabei weiß jeder, dass De Wever längst daran arbeitet. Im Grunde geht es hier also wieder mal um Profilierung. Und so etwas wollen wir jetzt eigentlich nicht mehr sehen. Wir haben brav auf die Kommunalwahlen gewartet und uns dann auch noch interessiert die Koalitionsbildung in den größeren Städten angeschaut. Ja, das war schön, aber jetzt sollte man sich in der Rue de la Loi wieder aufs Wesentliche beschränken. Die taktischen Spielchen müssen jetzt aufhören. "Basta la commedia!"
Wir brauchen einen "compromis à la belge"
De Standaard bringt seinerseits Verständnis für die Haltung der flämischen Sozialisten auf. Die Supernote von Regierungsbildner De Wever hatte schon im August für ein Zerwürfnis gesorgt. De Wever gelobte Anpassungen, doch im Grunde änderte sich allenfalls die Formulierung. Die neuerlichen Meinungsverschiedenheiten untergraben das Vertrauen. Schon jetzt ist deutlich, dass die Arizona-Parteien den Schwung ihres guten Abschneidens bei den Kommunalwahlen nicht mitnehmen können. Jetzt ist vor allem Bart De Wever gefragt. Er wird den linken und den rechten Flügel seiner möglichen künftigen Koalition auf einen gemeinsamen Nenner bringen müssen. Und hier muss er letztlich beweisen, dass er wirklich die Absicht hat, Premierminister dieses Landes zu werden.
Was wir jetzt brauchen, das ist ein klassischer "compromis à la belge", ist Het Nieuwsblad überzeugt. Zugegeben: Vor allem in Belgien haben Kompromisse in den letzten Jahren einen faden Beigeschmack bekommen. Denn das Resultat waren häufig halbgare Rezepte, die niemanden glücklich machten, und die auch keine Probleme wirklich lösten. Das erklärt letztlich auch den aktuellen Zustand des Landes: ein riesiges Haushaltsloch, ein komplexes, allzu verzahntes, eingerostetes System, unterfinanzierte strategische Bereiche wie Verteidigung, Justiz oder Energie. Aber ein Koalitionssystem wie das unsrige funktioniert nun mal nicht anders. Der belgische Kompromiss hatte zuletzt schlechte Presse. Jetzt hätten wir einen nötig, aber die Rue de la Loi scheint ihn verlernt zu haben.
Skandal über ein pharaonisches Projekt
Im Blickpunkt steht heute aber auch der geplante neue Windpark vor der belgischen Küste. Dabei soll unter anderem eine künstliche Insel errichtet werden, die als Energie-Knotenpunkt dienen soll, um den Strom dann an Land zu bringen. Nach neusten Schätzungen werden sich die Kosten mehr als verdreifachen: Statt 2,2 Milliarden werden nun 7 Milliarden Euro veranschlagt.
"Das ist ein Skandal!", wettert La Dernière Heure in ihrem Leitartikel. Dieses geradezu pharaonische Projekt sollte eigentlich dazu dienen, den Atomausstieg zu ermöglichen. Die künftige Arizona-Koalition muss jetzt schon 30 Milliarden Euro finden, um den Haushalt in die Spur zu bringen. Da wird man sich fragen müssen, ob man sich ein solches Vorhaben noch leisten will.
De Tijd sieht das genauso. Mehrkosten von fünf Milliarden Euro, das ist definitiv kein Pappenstiel. Zumal jeder weiß, wer am Ende die Rechnung präsentiert bekommen wird, nämlich die belgischen Stromkunden. Grob überschlagen wird jeder Belgier für die Energie-Insel am Ende 600 Euro zahlen. Vor diesem Hintergrund muss man sich wirklich fragen, ob dieses Projekt nicht überdacht werden muss.
Ein neuer Tiefpunkt in den USA
Einige Zeitungen blicken schließlich auch in die USA, wo der Wahltermin näher rückt. Der Ton ist zuletzt nochmal rauer geworden, als er es ohnehin schon war, kann L'Avenir nur feststellen. Von Donald Trump ist man rüde Beleidigungen gewöhnt. Jetzt scheint aber auch Kamala Harris dieses Register ziehen zu wollen, etwa indem sie ihrem Kontrahenten als senil bezeichnete oder ihn einen Faschisten schimpfte. Das allerdings ist riskant. Kamala Harris begibt sich jetzt nämlich auf das Terrain, auf dem sich Trump am wohlsten fühlt. Hier kann er nur gewinnen.
Die Polarisierung in den USA erreicht jetzt einen neuen Tiefpunkt, findet De Morgen. Klar: Rein inhaltlich hat Kamala Harris natürlich nicht unrecht. Natürlich müssen sich jedem, dem die Demokratie am Herzen liegt, die Nackenhaare sträuben, wenn er Trump über die Verfolgung von politischen Gegnern oder Massendeportationen schwadronieren hört. Indem man die Zukunft der Demokratie zum ultimativen Einsatz bei dieser Präsidentschaftswahl macht, erhöht man aber die Gefahr, dass es am Ende zu Gewaltausbrüchen kommt. Trump und Harris müssen jetzt gleichermaßen Verantwortungsbewusstsein an den Tag legen, um dafür zu sorgen, dass ihre Anhänger einen kühlen Kopf bewahren; am Wahltag und auch in der Zeit danach.
Roger Pint