"Hamas-Anführer: Israel erklärt Sinwar für tot", meldet das GrenzEcho. "Israel eliminiert Sinwar, den Staatsfeind Nummer eins", titelt Le Soir. "Israel tötet Hamas-Führer, das Gehirn hinter den Angriffen vom 7. Oktober", schreibt Het Belang van Limburg. Diverse andere Zeitungen formulieren es sehr ähnlich. "Israel tötet Yahya Sinwar – Gehirn hinter den Anschlägen stand gerade mal zwei Monate an der Spitze der Hamas", ergänzt De Tijd. "Bringt der Tod des Hamas-Führers das Ende des Krieges näher?", fragt De Morgen. "Kann die Hamas den Tod ihres Chefs überleben?", so L'Echo.
Es passiert nicht oft, dass eine Nachricht sowohl im Gazastreifen als auch in Israel zu Erleichterung führt, hält Le Soir in seinem Leitartikel fest. Aber Yahya Sinwar ist von den unter dem Krieg leidenden Menschen in Gaza verachtet worden. Und in Israel war Sinwar ohnehin in allen Schichten der Bevölkerung zutiefst verabscheut und gefürchtet. Zehntausende von Sinwars Landsleuten sind in dem von ihm angezettelten Krieg bisher ums Leben gekommen. Nun ist es Netanjahu also gelungen nach einem gnadenlosen Krieg: Der Führer der Hamas ist tot. Damit wird sich der israelische Ministerpräsident rühmen, "die Hamas vernichtet zu haben". Aber die Hamas hat schon frühere Schläge überlebt und wird das auch jetzt wieder tun. Sinwars radikale Ideen werden nicht mit ihm verschwinden. Nichts wird dem legitimen Streben der Palästinenser nach Selbstbestimmung ein Ende bereiten können.
Man kann jetzt nur hoffen, dass sowohl Hamas als auch Netanjahu die Gelegenheit nutzen, um sich endlich auf eine Freilassung der Geiseln und einen Waffenstillstand zu einigen. Aber der israelische Ministerpräsident hat bereits angekündigt, dass der Krieg mit dem Tod Sinwars nicht zu Ende sei, so Le Soir.
Das humanitäre Drama in Gaza ist nicht hinnehmbar
Wenn Sinwar wirklich tot ist, dann wird man in Israel aufatmen können, kommentiert De Tijd. Rund ein Jahr dauert der Krieg im Nahen Osten schon, ein Krieg, den Benjamin Netanjahu immer wieder als notwendig bezeichnet hat, um die Hamas auszuschalten. Aber das, was wir da sehen, ist längst ein reiner und absolut unverhältnismäßiger Rachefeldzug geworden.
Die große Frage ist, was Netanjahu damit eigentlich erreichen will. Was Israel tut, hat nichts mehr zu tun mit Selbstverteidigung oder mit Vergeltung für den blutigen Terror der Hamas. Es ist eine kollektive Bestrafung einer Zivilbevölkerung, bei der auch Hunger als Waffe eingesetzt wird. Das Blutvergießen in Gaza verdient eine dringende internationale Initiative, um Israel zur Ordnung zu rufen, dieses humanitäre Drama ist schlicht nicht hinnehmbar, wettert De Tijd.
Ein sehr teurer Tropfen auf einen heißen Stein
De Morgen befasst sich mit dem italienischen Asyl-Experiment: Ganze 16 Asylbewerber hat die italienische Küstenwache jetzt nach Albanien gebracht, in ein geschlossenes Zentrum, das einem Gefängnis ähnelt. Nüchtern betrachtet ist absolut undeutlich, wie so etwas den Asyl- und Migrationsdruck reduzieren soll. Aber Nüchternheit sucht man vergeblich in der heutigen Migrationsdebatte.
Beim EU-Gipfel gestern haben sich die Staats- und Regierungschefs geradezu überschlagen mit ihrem Lob für den Albanien-Plan der rechtsextremen italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Die belgische Regierung hat sich eher bedeckt gehalten, schließlich ist sie nur geschäftsführend im Amt. Aber Asylstaatssekretärin Nicole de Moor will die Idee von Rückführungszentren im Ausland nicht von vornherein verwerfen. Das sollte sie allerdings, denn solche Zentren sind eine rundum schlechte Idee: Moralisch sowieso, aber auch juristisch. Und finanziell ist das Ganze ein äußerst teurer Tropfen auf einen heißen Stein. Aber die Politik muss der Bevölkerung ja zeigen, dass sie etwas tut, giftet De Morgen.
Der Regierungsbildung nicht näher als vorher
Het Nieuwsblad greift die Wiederaufnahme der Gespräche zur Bildung einer föderalen Regierung auf: Erwartungsgemäß hat König Philippe gestern den Auftrag von Bart De Wever als Regierungsbildner verlängert. Wegen des Wahlkampfs für die Gemeinderatswahlen waren die föderalen Verhandlungen ja wochenlang im Leerlauf. Jetzt soll es also weitergehen – mit weniger politischen Berechnungen, zumindest war das die Hoffnung. Aber die ersten Zeichen sind alles andere als ermutigend. Kaum begonnen, wurde schon eine Note der N-VA über die Regionalisierung föderaler Institutionen an die frankophone Presse geleakt. Der Aufschrei der Empörung war groß: Selbst wenn man das Vorhaben wirklich nicht als separatistische Splitterbombe bezeichnen kann, ist so etwas in Brüssel und der Wallonie immer ein hochsensibles Thema.
Derweil übt MR-Chef Georges-Louis Bouchez weiter Druck aus auf die Bildung lokaler Mehrheiten nach den Kommunalwahlen. Für Bouchez ist der Kampf gegen die Sozialisten eindeutig noch nicht vorbei. Und dann sind da noch die bereits vorher unübersehbaren tiefen ideologischen Bruchlinien zwischen den potenziellen Arizona-Koalitionären. Bart De Wever ist keinen Schritt näher an seiner neuen Regierung, seufzt Het Nieuwsblad.
Seit 2004 führt der N-VA-Chef seine Partei von Sieg zu Sieg, schreibt Het Laatste Nieuws. Aber wird es De Wever gelingen, diese Siege auch in etwas Handfestes zu verwandeln? Wird er es schaffen, die von ihm verlangten institutionellen Reformen durchzudrücken? Oder eine effizientere Politik? Denn es ist zumindest fraglich, ob sich auf frankophoner Seite in puncto Gemeinschaftspolitik wirklich etwas geändert hat mit der MR und Les Engagés, meint Het Laatste Nieuws.
Boris Schmidt