"378 Millionen an Einsparungen, ohne neue Steuern", fasst L'Avenir die gestrige Vorstellung der neuen Haushalte der Wallonie und der Französischen Gemeinschaft zusammen. "Die Wallonie setzt den öffentlichen Sektor auf Diät", titelt L'Echo. "Budgetäre Einschnitte in Hülle und Fülle", liest man bei Le Soir. "Die eher vagen Konturen des wallonischen Budgets", schreibt La Libre Belgique.
Die gemeinsame Vorstellung der beiden frankophonen Haushalte trug sinngemäß den Titel "Mut zur Veränderung, damit sich die budgetäre Zukunft erhellt", merkt L'Avenir in ihrem Leitartikel an. Was wir hier am Ende des Tunnels bisher zu sehen bekommen haben, ist aber allenfalls ein trübes Lämpchen. Der Gesamteindruck, den die Budgets hinterlassen, ist jedenfalls, dass die Verantwortlichen von MR und Les Engagés den Ball möglichst flach halten wollen. Vielleicht, um der Euphorie nach den Wahlen nicht gleich einen kräftigen Dämpfer zu verpassen?, spekuliert L'Avenir.
Politischer Mut? Fehlanzeige
Die Vorstellung der Haushalte wirft Fragen auf, hält Le Soir fest. Man kommt nicht umhin festzustellen, dass wir statt dem großen Sprung nach vorn eher kleine Hüpfer sehen. Schauen wir uns die Zahlen doch mal an: Die Wallonie will in den kommenden fünf Jahren ihr Defizit um 2,2 Milliarden Euro reduzieren. Aber die gestern vorgestellten Einsparungen beziffern sich auf gerade mal 200 Millionen. Die Französische Gemeinschaft ihrerseits will 81,6 Millionen Euro weniger ausgeben – bei einem jährlichen Haushaltsloch von 1,2 Milliarden. Mit diesen mageren Anstrengungen wird das Defizit sogar noch weiter wachsen, anstatt abzunehmen.
Außerdem sind die verantwortlichen Minister gestern Fragen ausgewichen, wie diese ersten finanziellen Anstrengungen denn im Detail aussehen sollen. So viel zum Verantwortungsbewusstsein und zur Transparenz angesichts der enormen Herausforderungen, die uns Adrien Dolimont und Elisabeth Degryse versprochen haben, ätzt Le Soir.
"Rationalisieren", "Good Governance", "Anstrengungen in puncto Funktionskosten", "Synergien", "bessere Nachverfolgung" – das klingt ja alles ganz nett, zählt La Libre Belgique auf. Aber es sagt herzlich wenig darüber aus, wie die Haushaltsdefizite konkret angegangen werden sollen. Um es anders zu sagen: Vom so oft beschworenen "politischen Mut" haben wir noch nicht viel gesehen. Aber genau den braucht es, um zu verhindern, dass Belgien finanziell bis 2030 wirklich in ernste Probleme kommt, wettert La Libre Belgique.
Wo bleiben die Taten?
Die Umwälzung muss warten, giftet L'Echo – und das, obwohl die Wallonie sie so nötig hätte. Das, was uns Dolimont und Co. gestern präsentiert haben, kann nicht mehr sein als ein erster Schritt. Wir brauchen eine Vision, wir brauchen Ehrgeiz – und vor allem auch einen echten Bruch mit den Praktiken der früheren Regierungen. So wie es uns die neue Regierung ja auch versprochen hatte. Der 9. Juni hat die politische Ausgangslage in der Wallonie verändert. Das muss nun auch in Taten umgesetzt werden, fordert L'Echo.
Schon die Ziele, die sich die Wallonie und die Französische Gemeinschaft im Juli gegeben hatten, boten Grund zum Argwohn, kommentiert De Tijd. Denn sie geben sich nicht eine, sondern zwei Legislaturen Zeit, um ihre Haushalte ins Gleichgewicht zu bringen. Flandern setzt sich hier eine Frist bis 2027, nicht bis 2034 wie die Frankophonen. Wir reden hier über einen Unterschied von sieben Jahren. Dann sollte man von der Logik her eigentlich davon ausgehen, dass möglichst schnell mit den Einsparungen und Reformen begonnen werden sollte. Einfach, um bis zu den nächsten Wahlen den Schock etwas abklingen zu lassen und erste Früchte der Anstrengungen ernten zu können.
Aber auch hier: Fehlanzeige. Mal abgesehen davon, dass die bisher bezifferten Sanierungsmaßnahmen lächerlich gering ausfallen. All das untergräbt die Behauptung, dass das frankophone Belgien am 9. Juni eine historische Wende nach Mitte-Rechts vollzogen hat, urteilt De Tijd.
Der längere Hebel der Lokalpolitik
Das GrenzEcho befasst sich unter anderem mit dem Zustandekommen von Koalitionen auf lokaler Ebene nach den Kommunalwahlen: Wenn Koalitionen nach einer Wahl – frei nach dem Motto: "Aber sie haben doch eine Mehrheit!" – dem Willen des Souveräns nicht entsprechen, ist das alles andere als ein Kavaliersdelikt. Den Willen des Souveräns, der in unseren repräsentativen Demokratien seine Macht an Abgeordnete, Volksvertreter oder Mandatare abgibt, gilt es zu respektieren – ohne Wenn und Aber. Geschieht dies nicht, wird der wichtigste Akt der repräsentativen Demokratie ad absurdum geführt. Leider geschieht das immer wieder, auch diesmal. Dass solche Manöver Öl auf das längst lodernde Feuer der Politikverdrossenheit sind, dürfte Opfern wie Tätern bekannt sein. Vorwahlabsprachen – früher übrigens gang und gäbe – sind ein No-go: Sie höhlen den Wählerwillen aus, so das GrenzEcho.
Dass die Partikratien in diesem Land felsenfest verankert sind, das ist keine neue Erkenntnis, prangert derweil Het Laatste Nieuws an. Aber es ist doch wieder bemerkenswert, mit welcher Macht die Parteien versuchen, ihre Allianzen auf übergeordneten Ebenen auch lokal durchzudrücken. Die jüngsten Kommunalwahlen haben aber gezeigt, dass die Lokalpolitik trotzdem oft am längeren Hebel sitzt. Was verschiedene populäre nationale Herausforderer den Kürzeren hat ziehen lassen, stellt Het Laatste Nieuws mit offensichtlicher Schadenfreude fest.
Boris Schmidt