"Bart De Wever hat wieder alle überrumpelt", titelt De Morgen. "De Wever wird noch stärker in Antwerpen", so die Schlagzeile von Het Laatste Nieuws. "Mal wieder der alleinige Kaiser", schreibt Het Nieuwsblad auf Seite eins.
Im Norden des Landes hatte erstmal Antwerpen die Blicke auf sich gezogen. Der marxistischen PTB um ihren jungen Kandidaten Jos D’Haese waren Chancen eingeräumt worden, Bart De Wever aus dem Rathaus zu verdrängen. Der N-VA-Chef hat dem Angriff aber beeindruckend standgehalten und konnte die PTB klar hinter sich lassen.
"Deichbruch in Ninove, aber die Vlaams Belang-Flutwelle bleibt aus", titelt seinerseits De Standaard. In Flandern hat am Ende doch keine braune Welle gegeben. Der rechtsextreme Vlaams Belang konnte sein Ergebnis zwar in vielen Gemeinden verbessern, zur stärksten Kraft wurden die Rechtsextremisten aber nur in zwei Städten, nämlich in Denderleeuw und dann eben in Ninove. Dort haben sie sogar die absolute Mehrheit, werden also erstmals einen Bürgermeister stellen können.
Wahlsonntag der "leeren Sporthallen"
Das politische Zentrum mag gerettet sein, die Demokratie ist trotzdem angeschlagen, meint De Standaard in seinem Leitartikel. Denn die wichtigste Zahl am gestrigen Wahltag, das war die Wahlbeteiligung: Nur rund 64 Prozent der Bürger haben ihre Stimme abgegeben, fast vier von zehn sind also zu Hause geblieben. Immerhin: Die radikalen Parteien blieben hinter ihren eigenen Erwartungen zurück. Das politische Zentrum strotzt vor Gesundheit, was man vor einigen Monaten noch nicht zu hoffen gewagt hatte. Man sollte aber nicht vergessen, dass das nur die Meinung von rund zwei Dritteln der Bürger widerspiegelt. Ninove mit seinem bald rechtsextremen Bürgermeister ist da ein Fanal und könnte nur der erste Dominostein sein.
Es war der Wahlsonntag der leeren Sporthallen, so bringt es Het Laatste Nieuws auf den Punkt. Die 64 Prozent, die ihre Stimme abgegeben haben, die haben im Wesentlichen gute Arbeit belohnt. Viele der amtierenden Bürgermeister wurden in ihrem Amt bestätigt. Es war so ein bisschen der "Sonntag aller Farben": orange, weil die CD&V im ländlichen Raum ihre Position bestätigt hat, gelb, allen voran wegen des N-VA-Siegs in Antwerpen, aber auch rot und blau, und sogar braun wegen Ninove. Aber es war eben auch in gewisser Weise ein Schwarzer Sonntag wegen der erschreckend niedrigen Wahlbeteiligung.
Gelitten hat vor allem die Legitimation
"Aber ist das wirklich eine Überraschung?", fragt sich rhetorisch De Morgen. Was haben die Befürworter einer Abschaffung der Wahlpflicht denn gedacht? Dass ein solcher Eingriff in die Wahlgesetzgebung keine Auswirkung haben soll? Ein Blick auf die Nachbarländer hätte gereicht! Die letzte flämische Regierung hat den Zauberlehrling gespielt. Eine weitere Folge war der Wildwuchs von Kartelllisten buchstäblich aller Couleur. Auch das war vorhersehbar. Deswegen ist der Katzenjammer fehl am Platz.
Die Abschaffung der Wahlpflicht war eine Riesendummheit, findet auch Het Nieuwsblad. Gelitten hat dadurch vor allem die Legitimation. Bürgermeister mit einer knappen Mehrheit haben de facto nur noch ein Drittel der Bürger hinter sich. "Eine Mehrheit ist nun mal eine Mehrheit", werden wohl die Zyniker sagen. Das wäre der nächste Irrtum.
In Flandern war diese Wahl eine Ode an die amtierenden Bürgermeister, konstatiert Gazet van Antwerpen. Der Flame wollte sich offensichtlich nicht auf Abenteuer einlassen. Das gilt allerdings nur für diejenigen, die zur Wahl gegangen sind. Inwieweit hätten die knapp 40 Prozent Wahlmuffel das Ergebnis verändert? Diese Frage wird immer wie ein dunkler Schatten über dieser Wahl hängen.
Türkis-blaue Welle, aber doch kein Tsunami
Auch im frankophonen Landesteil hat es kein wirkliches Erdbeben gegeben. "Die PS kann ihre Hochburgen verteidigen, aber MR und Les Engagés bestätigen ihren Aufwärtstrend", so fasst es Le Soir treffend zusammen. "Jeder ist erster; naja fast", schreibt augenzwinkernd La Dernière Heure. Die Mitte-Rechts-Achse um MR und Les Engagés konnte war dem Schwung vom 9. Juni mitnehmen, die PS in den großen Städten aber dann doch nicht verdrängen.
Es gab zwar eine türkis-blaue Welle, doch war es eben kein Tsunami, so bringt es auch La Dernière Heure auf den Punkt. Die PS ist weit davon entfernt, in ihren Hochburgen entthront zu werden. Ecolo hingegen muss gewaltig Federn lassen und könnte am Ende sogar all seine Rathäuser verlieren. Défi ist – wie auch die OpenVLD in Flandern – klinisch tot.
Es war dann doch kein Nachbeben, analysiert auch Le Soir. MR und Les Engagés haben den Sozialisten zwar Beine gemacht, die PS ist aber immer noch am Leben. Es ist ein bisschen so, als hätte der Wähler an diesem 13. Oktober seinen Kurs wieder ein bisschen korrigieren wollen. Bei alledem sollte man aber die kleineren Parteien nicht aus den Augen verlieren. Die PTB etwa könnte im Fahrwasser der PS ins Rathaus von Molenbeek einziehen. Und dann ist da noch das Team Fouad Ahidar, das mit seinem Kommunitarismus, seinem auf Minderheiten fokussierten Wahlkampf, die Bildung von Parallelgesellschaften befördert.
Wahlen können was verändern
Das GrenzEcho konzentriert sich naturgemäß auf die neun deutschsprachigen Gemeinden. Es gab einige faustdicke Überraschungen. In St. Vith verliert Bürgermeister Herbert Grommes seine Mehrheit, in Kelmis wird Luc Frank ausgebremst, in Büllingen schafft die Liste DNA einen Erdrutschsieg und auch in Eupen gibt es neue Machtverhältnisse. Auch diesmal hat der Wähler wieder deutliche Zeichen gesetzt. Da soll nochmal einer sagen, dass Wahlen ja doch nichts ändern.
Roger Pint