"Eine historische Visite", titelt Le Soir. "Königspaar heißt Papst willkommen", schreibt das GrenzEcho auf Seite eins. "Eine 'drache nationale', um den Papst zu empfangen", so die Schlagzeile von L'Avenir.
Papst Franziskus ist am Abend zu einem dreitägigen Besuch in Belgien eingetroffen. Bei seiner Ankunft am Militärflughafen Melsbroek ging ein Platzregen nieder. "Ein echt belgischer Empfang", schreibt denn auch augenzwinkernd Het Laatste Nieuws. Empfangen wurde der Pontifex allen voran von König Philippe und Königin Mathilde. Insgesamt hält sich aber der Enthusiasmus spürbar in Grenzen. "Selbst der CD&V-Vorsitzende wird dem Papst nicht die Ehre erweisen", bemerken sinngemäß Het Nieuwsblad und Gazet van Antwerpen.
Sogar die Christdemokraten scheinen sich also vom Oberhaupt der Katholischen Kirche zu distanzieren. In den letzten Monaten war ja der Missbrauchsskandal in Belgien noch einmal hochgekocht. Viele Opfer hoffen, dass sich der Papst bei seinem Belgien-Besuch klar und deutlich dazu äußert. "Die enttäuschten Opfer stehen dem Papst endlich Auge in Auge gegenüber", titelt De Standaard. De Morgen bringt es auf den Punkt und spricht von einem "emotional aufgeladenen Besuch".
"Papst und Kirche sind den Belgiern egal"
Das Land begegnet dem Papstbesuch mit gemischten Gefühlen, kann Gazet van Antwerpen in ihrem Leitartikel nur feststellen. Eingefleischte Katholiken sind vielleicht noch von Freude und Stolz beseelt, allen voran die Opfer des Missbrauchsskandals blicken demgegenüber wohl eher mit Ärger und Wut auf das Ereignis. In den letzten Tagen wurde sogar die Frage aufgeworfen, ob es wirklich eine gute Idee war, dass die Katholische Universität Löwen den Pontifex überhaupt eingeladen hat. Umgekehrt wäre es wohl für Franziskus leichter gewesen, in Rom zu bleiben und der Konfrontation mit den Opfern des Missbrauchsskandals und anderen kritischen Christen aus dem Weg zu gehen.
Vor diesem Hintergrund kann man fast schon behaupten, dass es den Papst eigentlich ehrt, die Einladung angenommen zu haben. Die Frage aller Fragen lautet dennoch: Warum schließt eine Kirche Menschen systematisch aus, was ja im Übrigen sogar im krassen Widerspruch zu den Worten Jesu in den Evangelien steht? Warum dürfen Frauen keine Funktionen übernehmen? Warum werden Mitglieder der LGBTQ-Gemeinschaft oder Geschiedene ausgegrenzt? Die Antwort lautet wohl: Weil es eine Weltkirche ist, die also die Standpunkte der Gläubigen in Südamerika, Asien, Afrika und Europa vereinen muss. Das allerdings ändert nichts daran, dass die Entfremdung hierzulande einen vorläufigen Höhepunkt erreicht hat.
Het Nieuwsblad sieht das genauso. Der Besuch von Papst Franziskus sorgt eigentlich für allgemeine Indifferenz. Er ruft nicht einmal mehr Protest hervor. Und vor allem in den Augen der belgischen Bischöfe muss das eine wirklich beängstigende Feststellung sein. Wenn eine Papstvisite nicht einmal mehr für laute Kritik und hitzige Diskussionen sorgt, dann bedeutet das nämlich, dass der Papst und mit ihm seine ganze Kirche den Menschen in diesem Land inzwischen richtiggehend egal sind. Das haben sich der Vatikan und insbesondere dieser zaudernde Papst selbst zuzuschreiben.
Gesundheit nicht auf dem wirtschaftlichen Altar opfern
Im frankophonen Landesteil sorgt die vor einigen Monaten festgestellte PFAS-Verseuchung im Trinkwasser einiger Gemeinden nach wie vor für Diskussionsstoff. Vor einigen Tagen hat sich herausgestellt, dass die Analyseergebnisse der betroffenen Einwohner fehlerhaft waren. Die PFAS-Konzentrationen in deren Blut sind demnach höher als bislang gedacht.
Das Misstrauen und die Angst sind dadurch nur noch größer geworden, beklagt Le Soir in seinem Leitartikel. Mehr denn je müssen nicht nur die Betroffenen, sondern die Bürger insgesamt den Eindruck haben, dass man ihnen nicht die ganze Wahrheit sagt - oder wenn, dann nur tröpfchenweise. Für die zuständigen Behörden wird das zu einem wirklichen Problem. Ihre Glaubwürdigkeit ist jedenfalls erstmal im Keller. Worte werden nicht mehr reichen, um das Vertrauen wieder herzustellen. Im vorliegenden Fall die wallonische Regionalregierung wird den Beweis erbringen müssen, dass sie im Zweifel nicht die Gesundheit ihrer Bürger auf dem Altar wirtschaftlicher Interessen opfert.
Regelrechte Abnickkammer
Die Schlacht um die PFAS-Chemikalien hat gerade erst begonnen, glaubt auch La Dernière Heure. Nicht vergessen: Diese Substanzen werden auch "Ewigkeits-Chemikalien" genannt. Heißt: Sie bauen sich im Körper, wenn überhaupt, dann nur sehr langsam ab. Über mögliche Gesundheitsrisiken weiß man allerdings so gut wie nichts. Und was man weiß, das verheißt nichts Gutes. Und doch zögern die Behörden, strengere Normen zu verhängen. Ausgerechnet die USA machen es dagegen vor: Dort steht längst ein mögliches Verbot im Raum. In Belgien und in Europa insgesamt muss dieser Kampf erst noch beginnen.
De Standaard schließlich befasst sich mit den Plänen der künftigen flämischen Regierungskoalition, die anscheinend ihr Parlament verkleinern will. Auf den ersten Blick mag diese Idee attraktiv klingen. Der Eine oder die Andere werden sich bestimmt schon gefragt haben, warum das flämische Halbrund 124 Mitglieder zählen muss. Und doch kann man diesen Gedanken eher in die Kategorie "Populismus" einordnen. Das Problem ist nämlich weniger die eigentliche Größe eines Parlaments, sondern die Tatsache, dass es nicht mehr als das wahrgenommen wird, wofür es geschaffen wurde, mit Namen: eine Volksvertretung.
Die Parlamente sind zu regelrechten Abnickkammern verkommen. Allein die Regierungen geben den Ton an, sie schreiben de facto die Gesetze. Eine echte politische Erneuerung würde bedeuten, dass die gesetzgeberische Initiative wieder im Parlament angesiedelt wird, das dadurch wieder stärker, mündiger und glaubwürdiger würde. Wer wirklich sparen will, der sollte den Hebel bei der Parteienfinanzierung oder den Ministerkabinetten ansetzen.
Roger Pint