Der Höhenflug der Treibstoffpreise steht heute im Mittelpunkt der Berichte und Kommentare in der Tagespresse. Für Diskussionsstoff sorgt auch weiterhin die Entlassung einer Supermarktmitarbeiterin mit der Begründung, dass sie ein Kopftuch trägt. Weitere Themen sind ein spektakuläres Gerichtsurteil in Namur sowie die berufliche Zukunft von Fernand Koekelberg.
"Benzin war noch nie so teuer", titeln quasi gleichlautend L'Avenir und das Grenz-Echo. La Dernière Heure macht schon den Unglückspropheten und schreibt in Blockbuchstaben auf Seite 1: "Der Liter Benzin kostet bald zwei Euro". Der Benzinpreis beläuft sich ab heute auf 1,62 je Liter. Damit ist der Rekord von Mitte 2008 geknackt.
Energiepreise - solche und solche Rekorde
Dies ist der Höhepunkt einer schon quasi seit Beginn des Jahrhunderts andauernden Entwicklung, notiert unter anderem Le Soir. Innerhalb von acht Jahren ist der Preis für Benzin um 55 % und der für Diesel sogar um 83 % angestiegen, zitiert das Blatt den Automobilclub Touring.
Das Ganze bettet sich auch noch in einen anderen Kontext ein, wie L'Echo auf seiner Titelseite bemerkt: "Der Belgier verschlingt immer mehr Energie". Ein Beispiel: Im Jahr 2010 wurden in Belgien über 8,7 Milliarden Liter Diesel verbraucht. Auch dieser Wert liegt höher als das Allzeithoch von 2008. Internationalen Studien zufolge ist Belgien, gemessen an seinem Bruttoinlandsprodukt, der größte Energieverbraucher.
Gegenmaßnahmen
Fakt ist: Die hohen Spritpreise stellen für viele Haushalte eine erhebliche Zusatzbelastung dar. Vor diesem Hintergrund denkt die Regierung über Maßnahmen zur Abfederung der Preisentwicklung nach. Grob zusammengefasst: Die mit einer Preiserhöhung einhergehenden zusätzliche Mehrwertsteuereinnahmen würden durch eine Senkung der so genannten Akzisen ausgeglichen. Kommentierend meint dazu La Libre Belgique: Der Staat hat zwei Möglichkeiten. Entweder er verdient sich am Höhenflug der Spritpreise eine goldene Nase. Oder man verzichtet auf die Mehreinnahmen und hält damit die Inflation unter Kontrolle. Die Wahrheit liegt wohl auf dem Grunde eines Ölfasses.
Gazet van Antwerpen ist da durchaus bestimmter: Worauf wartet die Regierung noch? Jeder Cent, den Treibstoff mehr kostet, greift unmittelbar die Kaufkraft der Bürger an. Wer hier argumentiert, die hohen Treibstoffpreise sollten die Bürger zum Umdenken bewegen, der irrt. So etwas gehört vorbereitet. Es bedarf Alternativen, und, damit verbunden, einer wirklichen, kohärenten Energiepolitik.
Für Het Belang van Limburg ist jegliche Gegenmaßnahme der Regierung allenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein. An hohe Ölpreise werden wir uns gewöhnen müssen. Das hat auch mit der immer weiter wachsenden Weltwirtschaft und, damit verbunden, der steigenden Nachfrage zu tun. Und Alternativen zu schaffen ist schwierig: Niemand will ein Atomkraftwerk, einen Biospritproduzenten oder ein Windkraftwerk in seinem Garten sehen. Wir wollen alles, aber nicht den Preis dafür zahlen. Diese Gleichung zu lösen, ist viel verlangt von der Politik.
Umdenken und politische Kurzsichtigkeit
Het Nieuwsblad sieht das ähnlich, kommt aber zu einem etwas anderen Schluss. Klar, jegliche Maßnahme der Regierung zur Abfederung der Spritpreise wird das Problem nicht lösen. Die einzige Möglichkeit ist, das Ruder drastisch herumzureißen - je schneller, desto besser. Seltsam nur: Wir wissen das längst, es passiert aber erstaunlich wenig. Der Mangel an politischen Visionen kommt uns bereits jetzt teuer zu stehen.
Doch apropos Politik: "Wie vieler Beispiele bedarf es denn noch, bis die Rue de la Loi endlich einsieht, dass dieses Land eine Regierung braucht?" fragt sich wütend das flämische Massenblatt Het Laatste Nieuws . Stattdessen beobachtet man mehr und mehr Improvisation. Es ist erstaunlich, was eine geschäftsführende Regierung plötzlich so alles machen darf. Doch ist das nicht Zeichen von Innovation und Kreativität, sondern vielmehr der Beginn von Anarchie.
Der königliche Verhandlungsführer Wouter Beke sucht indes weiter unter Hochdruck nach einem Ausweg aus der Krise. Prioritäre Gesprächspartner sind PS-Präsident Di Rupo und N-VA-Chef De Wever. Le Soir macht noch mal deutlich: Im Falle eines Scheiterns der Beke-Mission bleiben wirklich nur noch Neuwahlen.
Kopftuchstreit
Die Entlassung einer Mitarbeiterin der niederländischen Warenhauskette Hema sorgt indes weiter für Diskussionsstoff. Zur Begründung für den Rauswurf hatte die Direktion die Tatsache angegeben, dass die Frau plötzlich ein Kopftuch getragen habe und viele Kunden daraufhin negativ reagiert hätten. Der Fall ist komplex, räumt La Libre Belgique ein. Tatsächlich kann ein Arbeitgeber eine Kleiderordnung vorschreiben. Diese darf allerdings nicht diskriminierend wirken.
De Morgen und De Standaard sehen in dem Fall nur ein Symptom für ein tiefes gesellschaftliches Problem. Bezeichnend: Die niederländische Hema-Direktion unterstreicht ausdrücklich, dass das Tragen eines Kopftuchs in Holland kein Problem darstellt. Man passe sich nur den lokalen Gewohnheiten an. Das Fazit von De Standaard: Man muss zugeben: Das ist nicht das Problem von Hema, es ist unser Problem. Hinzu kommt, wie De Morgen hervorhebt: Besagte Frau hat noch nicht einmal einen Migrationshintergrund. Selbst eine flämische Frau, die sich zum Tragen eines Kopftuchs entschließt, wird nun also schon aus der Gesellschaft ausgegrenzt. Wir haben ganz offensichtlich Schwierigkeiten damit, Verschiedenheit zu akzeptieren. Dass Hema aber gleich wegen angeblich lokaler Gewohnheiten so reagiert, bleibt inakzeptabel.
Freispruch trotz 2,5 Promille
Einige Zeitungen beschäftigen sich heute mit einem spektakulären Urteil des Polizeigerichts von Namur. Het Nieuwsblad widmet der Entscheidung seine Titelseite. Ein Mann wurde freigesprochen, trotz des Umstandes, dass er unter Alkoholeinfluss einen Unfall verursachte, bei dem zwei junge Menschen ums Leben kamen. Urteilsbegründung: Der Unfall hätte auch passieren können, wenn kein Alkohol im Spiel gewesen wäre. Le Soir nennt das Urteil dennoch "schlicht und einfach unfassbar".
Neuer Job für Koekelberg
Het Laatste Nieuws weiß zu berichten, dass Fernand Koekelberg, der zurückgetretene Ex-Generalkommissar der Föderalen Polizei, offenbar schon einen neuen Job hat. Demnach wird er Verbindungoffizier zwischen den Regionen des Landes und der Föderalen Polizei. Ein solcher Posten existierte bislang nicht.
Bild: Dirk Waem (belga)