"Die Hisbollah wird Ziel eines massiven Angriffs", schreibt Le Soir auf Seite eins. "Pager werden plötzlich zu Mordwaffen", titelt Het Laatste Nieuws. "Angst vor Eskalation nach massivem Angriff mit explodierenden Pagern im Libanon", so die Schlagzeile von De Standaard.
Im Libanon hat es einen wirklich beispiellosen Angriff gegeben. Gestern sind in dem Land Tausende Kommunikationsgeräte, so genannte Pager, explodiert. Dabei wurden mindestens neun Menschen getötet und bis zu 3.000 weitere verletzt. Besagte Pager wurden offensichtlich vor allem von der Schiiten-Miliz Hisbollah benutzt. Nach einem Bericht der amerikanischen Zeitung New York Times besteht kein Zweifel daran, dass der israelische Geheimdienst hinter dem Angriff steckt. Die Aktion dürfte in jedem Fall die Spannungen im Nahen Osten noch weiter anheizen. "Lassen Pager den Nahen Osten explodieren?", fragt sich schon De Morgen. "Ein Krieg zwischen Israel und dem Libanon scheint jetzt unvermeidlich", schreibt sogar Gazet van Antwerpen auf Seite eins.
Belgische "EU-Sandsäcke-Kommissarin"
"Ein mageres Portefeuille für Belgien", beklagt derweil Le Soir auf Seite eins. La Libre Belgique ist konkreter: "EU-Kommissarin Hadja Lahbib: ein bescheidener Posten", titelt das Blatt. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat gestern ihre neue Equipe vorgestellt. Demnach wird die designierte belgische EU-Kommissarin Hadja Lahbib in den nächsten fünf Jahren für humanitäre Hilfe und Krisenmanagement zuständig sein.
Mit anderen Worten: Sie wird Sandsäcke-Kommissarin, stichelt Het Belang van Limburg in seinem Leitartikel. Belgien wird jedenfalls mit einem Fliegengewicht an Zuständigkeiten bedacht. Klar: Ursula von der Leyen muss sich mit 26 Kommissaren umringen und nicht jeder von ihnen kann gewichtige Wirtschaftsbereiche übernehmen. Dennoch ist es nicht so, dass sich kleine Länder prinzipiell mit Brotkrümeln zufriedengeben müssen. Luxemburg etwa stellt den nächsten EU-Landwirtschaftskommissar. Wenn man sich vor Augen hält, dass ein Drittel des europäischen Haushalts nach wir vor in die Landwirtschaft geht, dann ist das eine geradezu gigantische Zuständigkeit.
Das federleichte Portfolio von Hadja Lahbib hat sich die künftige Arizona-Koalition aber im Wesentlichen selbst zu verdanken, ist De Standaard überzeugt. In puncto Einfluss aufgeben, Prioritäten falsch einschätzen und Ambitionen zurückschrauben, war das gestern eine Sternstunde der belgischen Politik. Während Hadja Lahbib künftig also mit dem Flugzeug zu Waldbränden und sonstigen Katastrophen eilen wird, werden die französischen, italienischen und spanischen Kommissare die Leitlinien für eine künftige, neue europäische Industriepolitik entwerfen. Der luxemburgische Kommissar wird für Landwirtschaft, seine niederländische Kollegin für die Klimapolitik zuständig sein. All das wird auch tiefgreifende Auswirkungen auf Belgien haben. Doch was haben wir gesehen? Allen voran die flämischen Parteivorsitzenden hatten ausdrücklich kein Interesse am Posten des EU-Kommissars. Die belgische Politik hat sich selbst degradiert.
Ein äußerst besorgniserregendes Signal
Belgien hat das EU-Cockpit verlassen, kann auch Le Soir nur feststellen. Lahbibs Vorgänger Didier Reynders war noch für einen existentiellen Bereich zuständig, nämlich Justiz und Rechtsstaatlichkeit. Ganz zu schweigen von Leuten wie Etienne Davignon, Karel Van Miert, Louis Michel oder Karel De Gucht, die über strategische Zuständigkeiten und – wegen ihrer langen Erfahrung – einen soliden Ruf auf dem europäischen Parkett verfügten. Das waren eben noch die Zeiten, in denen die belgische Politik die EU als Priorität betrachtete. Dass der Posten des EU-Kommissars inzwischen niemanden mehr interessiert, das ist der eigentliche Skandal in dieser Geschichte.
Belgien ist im Berlaymont nicht mehr im Bild", beklagt auch De Tijd. Offiziell tut die Staatsangehörigkeit eines EU-Kommissars nichts zur Sache. Nicht umsonst hat Ursula von der Leyen gestern die Nationalität ihrer 26 Kollegen mit keiner Silbe erwähnt. Es gibt auch das ungeschriebene Gesetz, dass EU-Kommissare nicht ausdrücklich Bezug nehmen auf ihr Heimatland. Dann hört man Formulierungen wie: "Der Staat, den ich am besten kenne". Das allerdings ist die Theorie. Allein das Theater um den französischen Kommissar Thierry Breton hat gezeigt, dass der französische Präsident Macron sich im Zweifel der Kommissionspräsidentin beugt, nur um eine einflussreiche Zuständigkeit zu bekommen. Dass die belgische EU-Kommissarin künftig für humanitäre Hilfe und Krisenmanagement zuständig sein wird, das ist eben vor diesem Hintergrund ein äußerst besorgniserregendes Signal.
Die "EU-Kommission der letzten Chance"
Einige Zeitungen erweitern den Fokus und beschäftigen sich mit der EU-Kommission insgesamt. Schaut man sich allein die Namen der künftigen EU-Kommissare an, dann kann sich eine gewisse Skepsis breitmachen, meint L'Echo. Zunächst sticht der Italiener Raffaele Fitto hervor. Der gehört der Partei "Fratelli d'Italia" an, die als post-faschistisch klassifiziert wird. Der Populist und Rechtsextremist wird mal eben Vize-Präsident der neuen Kommission. Aber auch die meisten anderen Namen produzieren Sorgenfalten, schlicht und einfach, weil sie niemand kennt. Keine Leute wie Vestager, Borell, Breton oder Timmermans, nicht mal ein Reynders: Man könnte meinen, dass sich von der Leyen bewusst mit blassen Persönlichkeiten umgeben hat, um ihre eigene Macht zu stärken. Wenn dem so ist, dann wäre da sein Fehler. Denn diese EU-Kommission wird entscheidende Weichenstellungen für die Zukunft vornehmen müssen, zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit und damit auch des Wohlstands. Diese Arbeit wird verteidigt und verkauft werden müssen. Eben in diesem Punkt mögen Zweifel erlaubt sein.
Diesmal ist es vielleicht tatsächlich die "EU-Kommission der letzten Chance", glaubt La Libre Belgique. Diesen Begriff hat Jean-Claude Juncker 2014 geprägt, doch ist die Formulierung heute wohl noch treffender. Denn gerade in den letzten zehn Jahren sind die Herausforderungen für den Alten Kontinent nur noch größer und greifbarer geworden. Man denke nur an den Krieg in der Ukraine und seine Folgen. Die EU mag sich zwar entwickelt haben, aber nicht so schnell, wie es die zunehmend beängstigende und brutale Weltlage vielleicht erfordert hätte. Die Herausforderungen sind inzwischen geradezu existentieller Natur: Es geht um nicht weniger als um den Erhalt des Wohlstands. Die nötigen Weichenstellungen kann die EU-Kommission nicht alleine vornehmen und erst recht nicht, wenn die Staaten dauernd auf der Bremse stehen. Stillstand ist aber in jedem Fall keine Option. Die Welt wartet nicht.
Roger Pint