"Ein Dachdecker macht aus Trump erneut einen Überlebenden", titelt Gazet van Antwerpen. "Beinahe zwölf Stunden lang wartete er versteckt auf sein Ziel", so die Schlagzeile von Het Nieuwsblad. Le Soir erweitert den Fokus: "In den USA erreicht die politische Gewalt neue Dimensionen", schreibt das Blatt.
Donald Trump ist offenbar zum zweiten Mal innerhalb von zwei Monaten einem Mordanschlag entgangen. Der 58-jährige Ryan Wesley Routh hatte sich auf einem Golfplatz verschanzt und wollte anscheinend den republikanischen Präsidentschaftskandidaten erschießen. Er hat aber offenbar keinen Schuss abgegeben, weil er vorher von einem Sicherheitsbeamten entdeckt wurde. Der Mann konnte festgenommen werden. Der Verdächtige ist der Polizei bekannt als fanatischer Wirrkopf. Er war ursprünglich Trump-Fan, wurde aber bitter enttäuscht. "Wir haben ein zurückgebliebenes Kind zum Präsidenten gewählt", zitiert Het Laatste Nieuws den Mann auf Seite eins.
Die beruhigendste Neuigkeit bei alledem ist, dass der Anschlag zum Glück erneut fehlgeschlagen ist, meint De Morgen in seinem Leitartikel. Wenn politische Gewalt in Amerika auch nicht wirklich neu ist, so ist die Eskalation der letzten Wochen dennoch extrem beunruhigend. Klar, das beginnt auch schon mit verbaler Gewalt, und darauf ist Donald Trump bekanntermaßen selbst spezialisiert. Und auch er hat schon eine Eskalation provoziert, man denke nur an den Sturm auf das Kapitol. Als Ursache wird häufig die zunehmende Polarisierung ins Feld geführt. In den USA wurde da aber schon eine neue Stufe erreicht: Man kann hier von einer regelrechten Tribalisierung sprechen. Kurz und knapp: Eine Gruppe von Menschen schließt sich zu einer - mehr oder weniger - geschlossenen Gemeinschaft zusammen, einem wirklichen Stamm, und diese Menschen, die gleich denken und auch zum Beispiel eine eigene Kleiderordnung haben, die halten sich selbst für die "Guten". Ein solches Stammesdenken kann man auch immer häufiger in Europa beobachten. Das Resultat ist, dass Kompromisse immer schwieriger werden. Gesellschaftliche Fortschritte erreicht man so nicht.
Mangelnde Wasserpolitik
Einige Zeitungen blicken aber auch heute wieder erschrocken nach Zentral- und Osteuropa, wo Sturmtief Boris für beispiellose Überschwemmungen sorgt. "Boris fordert mindestens 18 Todesopfer", notiert De Standaard auf Seite eins. Für Le Soir ist Boris "Das Symbol des Klimawandels".
Die Katastrophe müsste eigentlich ein Weckruf sein, glaubt sinngemäß Gazet van Antwerpen. Derartige Überschwemmungen sind auch bei uns nicht mehr auszuschließen. Die Wallonie wurde ja bereits 2021 von verheerenden Überschwemmungen getroffen. Die flämische Regierung steht hier vor einer schwierigen Herausforderung. Auf der einen Seite ist da der dringende Hochwasserschutz. Auf der anderen Seite hat der Norden des Landes aber auch in regelmäßigen Abständen mit Wasserknappheit zu kämpfen. Bei alledem muss man allerdings feststellen, dass die Wasserpolitik bei den aktuellen flämischen Koalitionsverhandlungen offensichtlich keine große Rolle spielt. Das kann sich rächen, wie Sturmtief Boris jetzt wieder zeigt.
Ein neuer Fleck auf der nicht mehr so weißen Weste
Für Diskussionsstoff sorgt heute auch der Rücktritt des bisherigen französischen EU-Kommissars Thierry Breton. "Ursula von der Leyen zeigt der Welt, wer der Boss in Brüssel ist", so die Schlagzeile von De Standaard. Denn offensichtlich hat die alte und neue Kommissionsvorsitzende Frankreich regelrecht dazu genötigt, die Kandidatur von Thierry Breton zurückzuziehen.
Die genauen Hintergründe bleiben aber unklar - und das ist ein Problem, beklagt L'Echo in seinem Kommentar. Die verschiedenen Kommissionssprecher schweigen in allen Sprachen. Umso lauter wirken dann noch die verbalen Ausfälle von Thierry Breton, der in einem öffentlich gewordenen Schreiben Ursula von der Leyen frontal angegriffen hat, was in dieser Form fast beispiellos ist. Zieht man die von von der Leyen selbst formulierten Kriterien heran, dann ist nicht ersichtlich, warum Thierry Breton nicht ins Bild passte. Wahrscheinlich ging es da tatsächlich um persönliche Differenzen. Das alles nur, um zu sagen, dass die Bildung einer neuen EU-Kommission ein immer noch allzu undurchsichtiger Prozess ist. Und das schadet der Glaubwürdigkeit.
Het Nieuwsblad ist wesentlich schärfer. "Das ist ein Kuhhandel sondergleichen", schimpft das Blatt. Thierry Breton hat da eine regelrechte Bombe gezündet, geht er doch so weit, dass er seine einstige Chefin der Erpressung bezichtigt. Die Schlammschlacht um Breton ist ein neuer Fleck auf der ohnehin schon nicht mehr weißen Weste der Kommissionsvorsitzenden. Die Art und Weise, wie Ursula von der Leyen ihre Equipe zusammengestellt hat, war ohnehin schon äußerst bedenklich. Für die Außenwirkung ist das desaströs. Die Kommissionspräsidentin liefert allen Kritikern noch einige Panzerfäuste frei Haus.
Von Zollhäuschen und Schlagbäumen
De Tijd schließlich beschäftigt sich mit der Entscheidung der deutschen Bundesregierung, bis auf Weiteres wieder Grenzkontrollen einzuführen. Da werden Erinnerungen an Zollhäuschen und Schlagbäume wach - Bilder, die eigentlich der Vergangenheit angehören sollten. Wer aber glaubt, dass es sich hier allein um eine punktuelle populistische Kurzschlussreaktion handelt, der greift zu kurz. Natürlich bettet sich diese Entscheidung in den aktuellen politischen Kontext im östlichen Nachbarland ein. Doch passen auch die neuerlichen Grenzkontrollen zu einer breiteren europäischen Entwicklung, die schon seit Jahren zu beobachten ist. So attraktiv offene Grenzen auch sein mögen, so sehen viele inzwischen auch die Grenzen des Schengen-Abkommens. Konkret: Die Bürger erwarten von ihren jeweiligen Behörden, dass sie sie schützen. Und das kann eben nur auf der Ebene der EU-Staaten organisiert werden. Dabei weiß eigentlich jeder, dass eine Rückbesinnung auf die eigenen Grenzen wirtschaftlich kontraproduktiv ist. Der Schlüssel zum Erhalt des europäischen Wohlstandes ist Kooperation. Um dieses Problem zu lösen, gibt es nur eine Möglichkeit: Die EU muss aller Welt beweisen, dass sie den Schutz ihrer Außengrenzen ernst nimmt und die Kontrolle über die Migration nicht verliert.
Roger Pint