"Scheinbar sind Reformen ohne PS doch nicht so einfach", zitiert die Wirtschaftszeitung De Tijd den PS-Politiker Thomas Dermine auf Seite eins. "François De Smet: 'MR und Les Engagés sind die nützlichen Idioten der flämischen Nationalisten'", heißt es bei La Libre Belgique auf der Titelseite. "Seine Partei, seine Berater: die Galaxie von Bart De Wever", schreibt Le Soir auf seiner Titelseite.
Die Regierungsbildungen auf föderaler Ebene sowie in den Regionen Flandern und Brüssel kommen nicht voran. Die Zeitungen beschäftigen sich auf ihren Titelseiten kaum mit diesem Thema. Mehrere Leitartikler greifen es allerdings auf.
De Standaard bemerkt: Schnell ist es dann doch nicht gegangen mit der Regierungsbildung. Zumindest auf föderaler Ebene und in Flandern nicht. Bis zu den Gemeinderatswahlen am 13. Oktober ist mit großen Fortschritten jetzt auch nicht mehr zu rechnen. Ist das schlimm? Ein Blick in die Nachbarländer kann helfen. In den Niederlanden und Frankreich gibt es zwar nach längerem Chaos jetzt wieder nationale Regierungen. Doch in beiden Ländern muss die Opposition darauf achten, dass die Verfassung eingehalten wird. Weil extreme Kräfte viel Macht haben. Das ist in Belgien nicht zu befürchten. Vielleicht hilft diese Erkenntnis ja, das lange Warten auf neue Regierungen zu erleichtern, überlegt De Standaard.
Oft nur eine Partei
La Dernière Heure stellt fest: Oft ist es nur eine Partei, die verhindert, dass eine neue Regierung zusammenkommt. In der Region Brüssel ist das gerade besonders deutlich. Die flämischen Parteien schaffen es einfach nicht, eine Mehrheit zu bilden, weil eine Partei sich querstellt. Niemand weiß, wie lange diese Komödie noch dauern wird. Vielleicht wäre es gut, verbindliche Fristen einzuführen, bis wann neue Regierungen nach Wahlen stehen müssen, regt La Dernière Heure an.
De Morgen meint: Der Stillstand, den sich die Parteien quasi verordnet haben bei der Bildung der unterschiedlichen Regierungen, ist eigentlich unbegründet. Am 13. Oktober wird zwar gewählt, das stimmt, aber das sind Gemeinderatswahlen. Den Wählern geht es dann nicht darum, was eine Partei in der Region oder auf nationaler Ebene macht. Bei Gemeinderatswahlen stehen lokale Bedürfnisse und Aktionen im Vordergrund. Wer macht was, ganz konkret vor Ort in meinem Dorf, in meiner Stadt, um meinen Alltag dort zu verbessern? Oft entscheidet auch die persönliche Sympathie zu dem einen oder anderen Politiker von egal welcher Partei, ob man ihn wählt oder nicht. Gemeinderatswahlen haben im Grunde nichts mit der "großen Politik" zu tun, unterstreicht De Morgen.
Brüssel ist nicht überall
Zum Wahlkampf für die Gemeinderatswahlen berichtet L'Echo: Sicherheit ist eins der großen Themen in der aktuellen Kampagne. Das ist zu begrüßen. Es ist gut, dass die Sorge um die Sicherheit der Bürger endlich auch auf lokaler Ebene von den Parteien aufgegriffen wird. Allerdings muss man dabei auch vorsichtig sein. Die Zustände, die es in Brüssel gibt und dort das Leben der Bürger erschweren, sind nicht eins zu eins zu übertragen auf andere Städte und Gemeinden des Landes. Dort zum Beispiel sinkt die Kriminalitätsrate nämlich tendenziell, wohingegen sie in Brüssel steigt. Beim Kampf gegen die Unsicherheit muss man deshalb immer lokal schauen, worum es geht. Mit kühlem Kopf, fordert L'Echo.
Le Soir beschäftigt sich mit dem Thema Staatsbons und meldet: 73 Millionen Euro gestern, 22 Milliarden vor einem Jahr – die Zahlen sprechen für sich. Die Staatsbons, die gestern neu ausgegeben wurden, waren bei weitem nicht so attraktiv wie zwölf Monate zuvor. Drei Lehren kann man daraus ziehen. Erstens: Die Sparer sind nicht dumm. Sie schlagen nur dann zu, wenn die Rendite attraktiver ist als bei den Banken. Zweitens: Die Banken haben sich durch die Aktion der Regierung vor einem Jahr nicht aus der Ruhe bringen lassen. Sie haben an ihrer niedrigen Zinspolitik festgehalten. Drittens: Der Sparer steht wieder da, wo er vor einem Jahr schon stand, und muss weitersuchen, wo er sein Geld am besten sicher, aber auch mit Gewinn anlegt, analysiert Le Soir.
China und der Rest der Welt
La Libre Belgique berichtet: 45 Milliarden Euro wird China in den nächsten drei Jahren in Afrika investieren. Mit diesem Ergebnis ist der China-Afrika-Gipfel gestern zu Ende gegangen. Der Gipfel hat erneut gezeigt: Afrika ist längst fest in chinesischer Hand. Die Chinesen haben es verstanden, eine Win-Win-Situation zu schaffen. Sie finanzieren den afrikanischen Ländern Infrastruktur und bekommen dafür Rohstoffe, die gerade für die Herstellung von Autobatterien, Computer, Smartphones und Co. wichtig sind. Der Rest der Welt muss sich damit zufrieden geben über das zu streiten, was die Chinesen von Afrika noch nicht kontrollieren, bilanziert La Libre Belgique.
Het Nieuwsblad macht sich, auch in Bezug auf China, Sorgen: Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie abhängig Europa und auch Belgien von China geworden sind. Das sollte sich ändern, so wurde es versprochen, doch getan hat sich bislang wenig. Und bald könnten wir vor einer weiteren wichtigen Entscheidung stehen. Es gibt bereits ein chinesisches Unternehmen, das Kandidat für die Übernahme des Audi-Werks in Brüssel ist. Kurzfristig wäre das natürlich eine gute Sache für die Beschäftigten dort. Langfristig wäre es besser, den Chinesen eine Absage zu erteilen, um unsere Abhängigkeit von China nicht noch weiter zu vergrößern, rät Het Nieuwsblad.
Kay Wagner