"Welche Zukunftsoptionen für Audi Brüssel?", titelt L'Echo auf Seite eins. "Die möglichen Szenarien für die Zukunft der Fabrik", schreibt La Dernière Heure. "Audi Brüssel: Gibt es glaubhafte Alternativen?", liest man bei Le Soir. "Bietet chinesischer Investor Ausweg für Audi-Werk in Brüssel?", fragt das GrenzEcho.
Die 3.000 Arbeitnehmer, die von Audi Brüssel abhängen, sind wie vom Blitz getroffen, kommentiert La Dernière Heure die Ankündigung des Volkswagen-Konzerns, kein neues Modell mehr in Forest bauen zu lassen. Es ist ein Schock, man kann es nicht anders ausdrücken. Für zahlreiche Familien bricht eine Welt zusammen. Jetzt zeichnen sich drei mögliche Szenarien ab: Die schlimmste Option wäre eine komplette Schließung des Werks, die beste eine Übernahme durch einen chinesischen Hersteller von Elektroautos. Letzteres würde Sinn machen – zunächst einmal wirtschaftlich. Denn wegen der europäischen Strafzölle für chinesische Importautos haben die Chinesen ein großes Interesse, hier zu produzieren. Auch, um von lokalen Subventionen profitieren zu können. Logistisch würde so ein Schritt ebenfalls Sinn machen: Die Fabrik in Forest ist modern, auf E-Autos umgestellt und verfügt über entsprechend geschultes Personal. Und schließlich ist da auch noch der symbolische Sinn: Wenn eine chinesische Marke ein Werk übernehmen würde, das seit den 1970er-Jahren von einem deutschen Autohersteller betrieben wurde, um VWs, Porsches und Audis zu produzieren, dann würde das die Akzeptanz der Chinesen auf dem europäischen Markt stärken, meint La Dernière Heure.
Europa dachte, China machte
Die belgische Politik sei machtlos gegen den Volkswagen-Konzern, heißt es aus Brüssel, fasst Le Soir zusammen. Das große Problem ist aber, dass man Ähnliches von Volkswagen und aus Berlin hören wird: Man sei machtlos gegen die Chinesen, die alles dominierten. Im Gegensatz zu früheren Schließungen von Auto-Fabriken geht es diesmal nicht um die Untätigkeit der belgischen Politik oder den Zynismus von Konzernen, die vor allem das Wohl ihrer Aktionäre im Blick haben. Dieses Mal ist es der Konzern selbst, der in die Knie zu gehen droht. Damit wird das ganze Modell in Frage gestellt, das Deutschland, Europa und auch Belgien Wohlstand gebracht hat in der Vergangenheit. Die Chinesen erobern immer größere Teile des Auto-Marktes, weil sie billiger produzieren können, weil sie Dumping betreiben, weil sie die Spielregeln mit Füßen treten. Vor allem aber auch, weil sie im Gegensatz zu uns nicht den Übergang von Verbrenner- zu elektrischen Motoren verpasst haben. Während Europa noch nachdachte, haben die Chinesen schon produziert, wettert Le Soir.
Panikfußball und fatale Trugschlüsse
Es wäre ein Fehler, das Drama bei Audi Brüssel nur auf die belgischen Steuer- und Lohnkostennachteile schieben zu wollen, merkt L'Echo an. Audi Brüssel ist auch zum Opfer katastrophaler Fehleinschätzungen bei der Elektrifizierung des Automobilsektors geworden. Die Schuld tragen sowohl die Autobauer als auch Europa. Aus Industrie-Sicht sind vor allem die Verzögerungen beim Bau günstiger E-Autos zu beklagen, ein Markt, den die Chinesen nun beherrschen. Besonders die deutsche Industrie muss sich hier schwere Vorwürfe gefallen lassen. Politisch betrachtet wurde auf einen schnellen Umstieg auf E-Autos gesetzt, ohne die dafür notwendige Infrastruktur voranzutreiben, mit einem Flickenteppich nationaler Subventionen für den Kauf von E-Autos und einem Steuersystem, das fossile Energieträger noch immer massiv bevorteilt. Das Sahnehäubchen war dann noch der Panikfußball mit den Strafzöllen auf chinesische Autos. Die schaden europäischen Firmen in China und treiben die Chinesen noch stärker an, in Europa Fuß zu fassen, so L'Echo.
Die Verantwortung für das Fiasko bei Audi Brüssel liegt zu großen Teilen bei der Firmenleitung, urteilt De Morgen. Audi hat beim Umstieg auf E-Autos voll auf große und vor allem teure Autos gesetzt. Der Konzern hoffte, dass die Kunden der Marke schon treu bleiben würden – das hat sich allerdings als fataler Trugschluss erwiesen. Das Gleiche gilt auch für viele andere deutsche und europäische Autohersteller. Während vor allem die Deutschen bremsten, wo es nur ging und ihre Verbrennermotoren nicht loslassen wollten, haben die Chinesen und Tesla die Marktlücke bezahlbarer elektrischer Mittelklassewagen gefüllt, prangert De Morgen an.
Noch viel Luft nach oben für die Banken
De Tijd befasst sich mit den freigewordenen Geldern aus den einjährigen Staatsbons: Gestern hat die Staatskasse 22 Milliarden an die Anleger zurückbezahlt. Obendrauf kommen weitere acht Milliarden Euro aus alternativen einjährigen Anlageprodukten. Der belgische Spar- und Anlagemarkt wird gerade von einer nie dagewesenen Geldwelle überspült, die auf der Suche nach neuen Möglichkeiten ist. Der wichtigste Nebeneffekt des Ganzen ist aber, dass das die vielleicht erfolgreichste finanzielle Bildungsoffensive aller Zeiten war. Selten ist landesweit so viel über Sparen und Anlegen diskutiert, sind Zinsen, Erträge und Risiken so intensiv verglichen worden. Hinzu kommt, dass die Nachwehen des Staatsbons für einen außergewöhnlich starken Wettbewerb zwischen den Banken sorgen. Auch wenn es definitiv noch zu früh ist, um von echtem und nachhaltigem Wettbewerb im Finanzsektor zu sprechen, findet De Tijd.
Dass die Banken den Sparern endlich anständigere Zinsen bieten, ist ja schön und gut, schreibt sinngemäß L'Avenir. Aber die Banken müssen noch viel mehr tun, um verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. Viele Belgier müssen beispielsweise immer noch zig Kilometer zurücklegen, um an einem Automaten Geld abheben zu können. Selbst einfache Anliegen in einer Filiale erledigen zu wollen, ist nach wie vor ein Kampf, ohne vorher online einen Termin zu vereinbaren geht hier gar nichts. Mal ganz zu schweigen davon, dass die Filialen oft nur wenige Stunden geöffnet sind, beklagt L'Avenir.
Boris Schmidt