"Kein neues Modell für die Fabrik: Audi Brüssel vor ungewisser Zukunft", titelt das GrenzEcho. "Audi Brüssel bestätigt: Fabrik bekommt kein Modell mehr", so auch De Tijd. "Audi Brüssel wird kein anderes Modell produzieren und ernennt einen Krisen-Chef", ergänzt L'Echo. "Audi Forest: Das Ende ist nahe", verkündet La Libre Belgique. "Kein neues Modell für Audi Brüssel, es droht die Schließung", fasst Het Nieuwsblad zusammen.
In der Brüsseler Stadtgemeinde Forest werden weder Audis noch VWs produziert werden, resümiert L'Avenir in seinem Leitartikel. Mindestens 1.500 Arbeitnehmer werden noch dieses Jahr ihre Jobs verlieren, weitere 1.100 im nächsten Jahr. Und das sind nur die Angestellten von Audi selbst. Laut Schätzungen werden auch noch 4.000 bis 5.000 indirekte Arbeitsplätze bei Zulieferern verloren gehen. Das ist ein neues soziales Erdbeben nach der Pleite des Bus-Herstellers Van Hool, die 2.400 Arbeitsplätze gekostet hat.
Angesichts dieser Entwicklungen stellen sich ernste Fragen bezüglich der Entscheidungen der europäischen Firmenbosse. Nur zur Erinnerung: In Deutschland beginnt gerade der Dieselgate-Prozess gegen den früheren VW-Chef Martin Winterkorn. Der Dieselgate-Skandal hat die Volkswagen-Gruppe nicht nur 30 Milliarden Euro gekostet, sondern hat auch das Ende der Verbrennermotoren beschleunigt, und hat damit den Chinesen und ihren Elektroautos eine Steilvorlage geliefert, wettert L'Avenir.
Europa ist China und Musk nicht gewachsen
Und wieder fällt der Vorhang für eine Autofabrik in unserem Land, kommentiert Gazet van Antwerpen. Opel macht keine Autos mehr in Antwerpen, Ford keine mehr in Genk, Renault keine mehr in Vilvoorde – und jetzt auch Audi keine mehr in Forest. Auffällig ist aber, dass die Reaktionen für das vermutliche Aus für Audi Brüssel im Allgemeinen relativ gelassen ausfallen. Es gibt keinen großen Aufruhr mehr wie früher. Auch jetzt wird wieder über die mangelnde belgische Wettbewerbsfähigkeit geklagt, aber allzu groß ist der Unterschied zu den Nachbarländern durch die automatische Indexierung der Löhne in Wahrheit nicht. Auch die Industriepolitik steht in der Kritik. Aber egal was die belgische Politik auch gemacht hätte, es hätte vermutlich keinen Unterschied gemacht. Autohersteller haben es auch andernorts in Europa schwer. Selbst im Auto-Land Deutschland kriselt es heftig.
Das eigentliche Problem ist viel breiter: Die europäischen Produzenten haben Probleme mit dem Übergang zu E-Autos. Der schwerfällige europäische Apparat ist den milliardenschweren staatlichen Subventionen für chinesische Firmen und den aggressiven Taktiken eines Elon Musk zumindest bis auf Weiteres nicht gewachsen, konstatiert Gazet van Antwerpen.
Nur eine europäische Industriepolitik kann helfen
Auch für De Tijd ist Audi Brüssel vor allem ein Symptom eines viel breiteren europäischen Problems: Im ersten Halbjahr hat die Zahl der Firmenpleiten in Flandern sämtliche Rekorde gebrochen – und immer häufiger erwischt es auch große Betriebe. Im Juni waren 123.000 Menschen in Belgien in Kurzarbeit, das ist ein Sechstel mehr als vor einem Jahr. Die Aktivität des Zeitarbeitssektors ist im Juli auf den tiefsten Stand in zehn Jahren gefallen. Es stimmt zwar, dass über die belgische Wettbewerbsfähigkeit diskutiert werden muss – aber das wird nicht reichen. Denn es ist eine wahre Schockwelle, die die europäischen Autobauer als Ganzes trifft. 2011 wurden noch 28 Prozent aller Autos in Europa produziert, 2022 war dieser Anteil schon auf 19 Prozent gesunken. Eine Antwort auf all diese Probleme kann nur durch eine europäische Industriepolitik erfolgen, ist De Tijd überzeugt.
Müssen wir wirklich weiter vor der deutschen Geschäftsführung von Volkswagen zu Kreuze kriechen?, fragt derweil La Libre Belgique. Denn wir haben bereits beträchtliche Opfer für Audi Brüssel gebracht, sowohl sozial als auch wirtschaftlich. Aber trotz massiver Subventionen und großer Flexibilität scheint das endgültige Aus unvermeidbar. In der aktuellen Wahlkampfperiode ist die Versuchung natürlich groß, Audi Brüssel weiter zu unterstützen. Aber das wäre ein Fehler. Was wir brauchen ist eine neue nationale und europäische Industriepolitik, fordert auch La Libre Belgique.
Kommunalwahlen: absolute Transparenz nötig
Le Soir befasst sich aus einem anderen Grund mit den anstehenden Wahlen: Bei den Kommunalwahlen stimmt man oft eher für bestimmte Personen als für Listen. Aber aufgepasst: Die Listenführer – beziehungsweise in der Wallonie die Kandidaten mit den meisten Stimmen – werden nicht automatisch Bürgermeisterin oder Bürgermeister. Denn nicht vergessen: Es ist verboten, gleichzeitig zum Beispiel Minister zu sein und Bürgermeister. Das betrifft etwa Elisabeth Degryse, Adrien Dolimont, Valérie Glatigny und Jacqueline Galant. Natürlich ist es logisch, dass die Parteien solche Stimmen-Zugpferde an die Spitze ihrer Listen setzen. Das ist auch nicht verboten. Aber es stellen sich dennoch Fragen bezüglich der politischen Ethik. Deshalb müssen Parteien und Politiker hier auch absolut transparent kommunizieren über ihre Pläne und Absichten. Damit die Wähler wissen, wofür sie eigentlich stimmen, meint Le Soir.
L'Echo befasst sich mit den Geldern aus den Staatsbons: Heute, am 4. September, werden die 22 Milliarden Euro aus den berühmten einjährigen Van-Peteghem-Staatsbons wieder frei. Und damit ist die Jagd auf dieses Geld wirklich eröffnet. Einerseits buhlen die Banken mit neuen Produkten um dieses Vermögen – wenn auch oft mit strengen Auflagen, die diese Produkte nur für wenige Menschen wirklich interessant machen. Andererseits sind die neuen Staatsbons deutlich weniger attraktiv geworden. Dennoch ist es so, dass die Zinsen auf traditionelle Sparbücher immer noch deutlich niedriger sind. Wenn die Durchschnittssparer ihr Erspartes nicht besser aktivieren, drohen sie also wieder die großen Verlierer zu werden, warnt L'Echo.
Boris Schmidt