"Arizona-Parteien beraten: Bleibt Didier Reynders Belgiens EU-Kommissar?", fragt das GrenzEcho auf Seite eins. "Reynders oder Lahbib? Der nächste belgische EU-Kommissar wird ein MR-Politiker sein", meldet Le Soir auf seiner Titelseite.
Die Parteivorsitzenden einer möglichen Arizona-Koalition haben sich gestern das erste Mal seit einer Woche wieder getroffen. Inhaltlich ging es dabei aber nicht um die Bildung einer neuen Föderalregierung, sondern um die Ernennung des belgischen Kandidaten für den Posten des EU-Kommissars. Eine klare Entscheidung gab es am Ende des Treffens nicht.
Het Laatste Nieuws kommentiert: Auch wenn die Arizona-Partner gestern nicht über die Regierungsbildung gesprochen haben – allein, dass sie sich gemeinsam getroffen haben, ist schon ein gutes Zeichen. Denn das heißt: Sie wollen es weiter zusammen versuchen. Mit schnellen Ergebnissen ist aber nicht zu rechnen. Man kann eigentlich darauf wetten, dass bis zum 13. Oktober, also bis zu den Gemeinderatswahlen, keine wesentlichen Fortschritte erzielt werden. Keine der fünf Parteien möchte am 13. Oktober die Rache der Wähler spüren für irgendwelche Zugeständnisse, die man auf föderaler Ebene gemacht hat. Danach – und das ist auch schon fast sicher – wird es dann etwas werden mit der Arizona-Koalition und mit Bart De Wever als neuen Premierminister, prophezeit Het Laatste Nieuws.
Föderalregierung wichtiger als EU-Posten
Auch Het Nieuwsblad bemerkt: Es ist zurzeit nicht das vorrangige Ziel der Arizona-Partner, Fortschritte bei den Regierungsverhandlungen zu erzielen. Das politische Comeback von Ex-Bürgermeister Patrick Janssens auf der Vooruit-Liste in Antwerpen ist das deutlichste Zeichen dafür. Nach der Schauspielerin Lien Van de Kelder ist Janssens jetzt der zweite Trumpf, den Vooruit-Chef Conner Rousseau für die Wahlen in Antwerpen aus dem Ärmel schüttelt. Diese Gemeinderatswahlen haben jetzt Vorrang im Denken aller Parteien, betont Het Nieuwsblad.
Het Belang van Limburg setzt einen anderen Akzent bei der Analyse des gestrigen Treffens und erinnert: Noch vor zehn Jahren war es für die Parteien wichtig, einen Politiker aus ihren Reihen als EU-Kommissar zu benennen. Im September 2014 opferte die CD&V sogar die Aussicht darauf, mit Kris Peeters den Premierminister zu stellen, um Marianne Thyssen als EU-Kommissarin durchzusetzen. Heute scheint dieser Posten niemanden mehr zu interessieren. Vooruit, CD&V und N-VA signalisierten gestern ganz offen ihr Desinteresse, indem sie als erste das Treffen verließen. Ein wichtiger Posten in der neuen Föderalregierung ist den Parteien wichtiger als den EU-Kommissar zu stellen, beobachtet Het Belang van Limburg.
Eine Schande für Europa
De Standaard schreibt dazu: Dieses Verhalten gerade der flämischen Parteien zeigt, wie provinziell in Belgien gedacht wird. Der EU-Kommissar ist der wichtigste politische Posten, den Belgien in Europa besetzen kann. Die Parteivorsitzenden scheinen vergessen zu haben, dass fast alles, was in Belgien national entschieden wird, zuvor schon bei der EU entschieden wurde. Dort spielt die Musik. Es ist unverständlich, dass es keiner Partei wichtig ist, dort mitzuwirken, kritisiert De Standaard.
Le Soir notiert zur EU-Kommission: Sieben, acht, maximal neun Frauen stehen auf der Kandidatenliste für die 27 neuen EU-Kommissare. Rund ein Drittel also. Was für eine Schande für Europa! Und für Ursula von der Leyen, die deutsche Chefin der EU-Kommission. 2019, am Beginn ihrer ersten Amtszeit, hatte sie sich noch damit gebrüstet, dass ihr Team zur Hälfte aus Frauen bestand. Der Platz der Frauen in der Kommission schien gesichert. Es schien klar, dass den Worten auch Taten folgten. Gleichheit der Geschlechter: Die EU machts vor. Und jetzt dieser Rückschritt.
Das ist natürlich nicht nur die Schuld von Von der Leyen, sondern auch der EU-Mitgliedsländer. Warum konnten sich nicht mehr Regierungen dazu durchringen, Frauen für den Posten bei der EU-Kommission vorzuschlagen?, schimpft Le Soir.
Empörung über eine Kultursprache
La Libre Belgique notiert zur Straßenbahn in Lüttich: Das Straßenbahnnetz wird jetzt nicht bis nach Herstal und Seraing erweitert. Die wallonische Regierung hat das Projekt gestern aus Kostengründen gestoppt. Man muss seinen Hut ziehen vor dieser Entscheidung. Natürlich wäre die Erweiterung sinnvoll gewesen. Aber sie hätte auch das Risiko beinhaltet, teurer als erwartet zu werden. So wie die Kosten beim neuen Bahnhof von Mons und der Erweiterung des wallonischen Parlaments auch explodiert waren. Die neue Regierung will sparen. Das tut sie. Und immerhin sollen neue Buslinien zwischen Herstal, Seraing und Lüttich die Straßenbahn ersetzen, lobt La Libre Belgique.
L'Avenir berichtet: Eine Sekundarschule in Leuven wird ab sofort Arabisch als Wahlfach anbieten. Diese Meldung hat gestern für viel Empörung, gerade in Flandern, gesorgt. Doch die Aufregung ist unbegründet. Arabisch ist eine Kultursprache wie viele andere. Es wäre falsch, sie zu verteufeln, nur, weil sie auch von radikalen Islamisten gesprochen wird, meint L'Avenir.
Kay Wagner