"Wegen des Vetos von Bouchez fährt sich die Regierungsbildung fest", titelt De Morgen. "Die Arizona-Koalition steuert wegen des Vetos von Bouchez auf ein Scheitern zu", so die besorgte Schlagzeile von De Standaard. "Regierungsbildner Bart De Wever plant eine Verhandlungsrunde der letzten Chance", schreibt De Tijd auf Seite eins.
Die Arizona-Konstellation durchlebt ihre erste wirkliche Krise. Regierungsbildner Bart De Wever schafft es einfach nicht, die Partner von seiner sogenannten "Supernote" zu überzeugen. Knackpunkt ist derzeit die geplante Besteuerung von Veräußerungsgewinnen aus Aktien. Dagegen hat MR-Chef Georges-Louis Bouchez jetzt plötzlich ein klares Veto eingelegt, nachdem De Wever Zugeständnisse an die flämischen Sozialisten Vooruit gemacht hatte. Bouchez' Schachzug hat die Partner überrascht. Jetzt wird gemutmaßt, dass er Vooruit ausbooten und durch die flämischen Liberalen OpenVLD ersetzen will. "Bouchez wird heute beweisen müssen, dass er vertrauenswürdig ist", so denn auch die Schlagzeile von Het Laatste Nieuws.
Drohende Vivaldisierung der Arizona-Koalition
Wir sehen hier die klassische Auseinandersetzung zwischen Rechts und Links, analysiert De Standaard in seinem Leitartikel. Und die kann man an zwei Personen festmachen: Auf der linken Seite ist da der Vooruit-Spitzenpolitiker Conner Rousseau und auf der rechten MR-Chef Georges-Louis Bouchez. Rousseau verlangt, dass sich die Gutbetuchten an der Haushaltssanierung beteiligen, und das über eine Besteuerung von Veräußerungsgewinnen. Nachdem Bouchez wochenlang zumindest prinzipiell einverstanden war, lehnt der MR-Chef plötzlich eine solche Kapitalertragssteuer auf Aktien kategorisch ab. Kann man so eigentlich noch weiterverhandeln? Zumal, wenn man bedenkt, dass ohnehin schon Steuersenkungen in Höhe von drei Milliarden Euro auf dem Tisch liegen. Dabei muss doch eigentlich ein enormes Haushaltsloch von 28 Milliarden Euro gestopft werden. Bislang ist nicht ersichtlich, wie De Wever diese Haushaltssanierung bewerkstelligen will.
Der möglichen Arizona-Koalition droht schon jetzt eine Vivaldisierung, glaubt La Dernière Heure. Wenn De Wever linkes Wasser in seinen Wein schüttet, um Rousseau zu besänftigen, dann wird eben dieser Wein von Bouchez ausgespuckt. Von einem gemeinsamen Reformwillen ist da nicht mehr viel zu spüren. Am Ende droht das ganze Projekt zu verwässern.
Bouchez' gefährlicher Schachzug
Die Arizona-Parteien müssen jetzt wissen, was sie wollen, und vor allem, was sie nicht wollen, ist De Tijd überzeugt. Zugegeben: Der Clash zwischen MR und Vooruit kommt nicht unerwartet. Jeder wusste, dass die flämischen Sozialisten und die frankophonen Liberalen insbesondere in puncto Steuern oder beim Haushalt zuweilen diametral entgegengesetzte Standpunkte einnehmen. Durch sein Veto gegen eine Kapitalertragssteuer auf Aktien hat MR-Chef Bouchez jetzt aber einen Gang höher geschaltet. Das Ganze erweckt tatsächlich den Eindruck, dass er Vooruit herausekeln und durch die flämischen Liberalen OpenVLD ersetzen will. Er scheint aber dabei zu vergessen, dass die flämische Schwesterpartei vom Wähler abgestraft wurde. Bleibt der MR-Chef bei diesem Kurs, dann entscheidet er sich für eine deutlich unsicherere Variante und eine vermutlich unendlich lange Regierungsbildung.
"Was ist die Alternative?", fragt sich auch Het Belang van Limburg. Eine Koalition mit der OpenVLD würde nur über eine hauchdünne Mehrheit von einem einzigen Sitz verfügen. Diese Konstellation wäre noch instabiler als Vivaldi. Hinzu kommt: Glaubt Bouchez ernsthaft, dass man bei einer Haushaltssanierung mit einem Gesamtvolumen von 28 Milliarden Euro die großen Vermögen aussparen kann? Das wäre doch nicht zu verkaufen. Wenn er wirklich die OpenVLD ins Boot hieven will, dann kann man nur sagen: "Viel Spaß!".
Schlächter von Mons – neue Entwicklungen?
Einige frankophone Zeitungen machen mit einer bemerkenswerten Geschichte auf: "Die Affäre des 'Schlächters von Mons', könnte wieder aufgerollt werden", so die Schlagzeile von La Libre Belgique. "Neue Entwicklungen nach 27 Jahren?", fragt sich L'Avenir auf Seite eins. Hier geht es also um den Serienmörder, der Ende der 1990er Jahre im Raum Mons fünf Frauen getötet hat. Zwei Privatermittler sind offenbar auf neue Spuren gestoßen. Im Visier sind demnach zwei Verdächtige, von denen einer den Ermittlern schon bekannt war. "Ich saß dem Schlächter von Mons gegenüber", sagt einer von ihnen auf Seite eins von La Dernière Heure.
Keine neue Revolution für das flämische Unterrichtswesen!
Het Nieuwsblad schließlich sorgt sich um die Zukunft des flämischen Unterrichtswesens. Angesichts der Probleme von Bart De Wever auf der föderalen Ebene vergisst man manchmal, dass ja nach wie vor auch Koalitionsverhandlungen in Flandern laufen. Und da liegen Pläne auf dem Tisch, die nicht unbedingt erfreulich sind. So will die N-VA endlich ihren Traum wahrmachen und die Schulnetze in den Mülleimer der Geschichte werfen. Unterstützt werden die Nationalisten darin von den flämischen Sozialisten Vooruit. Beide verbindet ihre Abneigung gegen das freie, katholische Unterrichtswesen. Wenn die Netze auch nicht gleich vollends abgeschafft werden sollen, so wollen beide Parteien sie doch so beschneiden, dass sie de facto flügellahm werden. Doch ist es wirklich das, was das flämische Unterrichtswesen nötig hat? Hier entsteht der Verdacht, dass einige Parteien einfach nur die Schulnetze zum Sündenbock für das sinkende Bildungsniveau stempeln wollen. Das flämische Unterrichtswesen braucht aber keine neue Revolution. Es braucht vor allem Ruhe, Erholung sowie viele und gut ausgebildete Lehrkräfte, die unter gesunden Bedingungen ihrer Tätigkeit nachgehen können und die für ihre Arbeit belohnt werden. Um das zu erreichen, muss man keine ideologischen Kämpfe austragen.
Roger Pint