Der ins Fadenkreuz der Kritik geratene Chef der föderalen Polizei, Fernand Koekelberg, die gestrigen Streik- und Protestaktionen der Gewerkschaften gegen das Rahmentarifabkommen für die Privatwirtschaft und die innenpolitische Lage sorgen heute für die Aufmacher- und Kommentarthemen in der belgischen Inlandspresse.
Der Chef der föderalen Polizei Belgiens, Fernand Koekelberg, ist nicht bereit, von seinem Amt zurückzutreten. Das notiert Het Laatste Nieuws heute auf Seite 1 und meint, dass Koekelberg, der wegen einer fast 100.000 Euro teuren Dienstreise nach Katar ins Fadenkreuz der Kritik geraten war, trotz des zunehmenden Drucks durch Premier Leterme und Innenministerin Turtelboom an seinem Amt festhalte. Koekelberg wisse genau, so Belgiens auflagenstärkste Zeitung, dass man ihn zum Rücktritt nicht zwingen könne. Deshalb würden Turtelboom und Leterme notgedrungen - aber vermutlich vergebens - hoffen, dass der Polizeichef selber Konsequenzen aus der umstrittenen Luxusreise zieht.
Koekelberg-Affäre offenbart kulturelle Unterschiede
De Standaard widmet dem Thema heute seinen Leitartikel und meint, dass die Affäre Koekelberg auch kulturelle Unterschiede deutlich mache, hätten die flämische Medien doch früher und ausgiebiger über die teure Katar-Reise des Polizeichefs berichtet als ihre französischsprachigen Kollegen. Die Berichterstattung in Flandern sei objektiv gewesen, zwischen den Zeilen konnte man allerdings verstehen, dass Koekelberg einige Regeln des guten Benehmens missachtet hatte. In den französischsprachigen Medien hingegen, so der Leitartikler von De Standaard, habe man den Nachdruck in der Berichterstattung über den Fall eher darauf gelegt, dass die N-VA den Skalp einer der PS nahestehenden Person wollte. Fazit des Leitartiklers: Es treten kulturelle Unterschiede zu Tage: Die Flamen dächten calvinistischer, dort verlange man Sauberkeit. Das französischsprachige Belgien sei katholischer: Regeln zu streng anzuwenden, das müsse nicht sein. Dort gelte: Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein.
Rahmentarifabkommen: Weitere Proteste möglich
L'Avenir titelt heute zu den gestrigen Streik- und Protestaktionen gegen das Rahmentarifabkommen für die Privatwirtschaft und meint, dass dieses Abkommen trotz heftiger Proteste umgesetzt werde. Das Blatt zitiert den scheidenden Premierminister Yves Leterme und schreibt, dass die Regierung keinen Deut zurückweichen und das Manteltarifabkommen sehr wohl umsetzen werde. 0,3 % Lohnerhöhung 2012, dieser winzige Lohnzuwachs, der sei es, an dem sich die Gewerkschaften stießen.
La Dernière Heure fürchtet, dass in Kürze neue Streik- und Protestaktionen anstehen und führte hierzu ein Gespräch mit der FGTB-Generalsekretärin Anne Demelenne. Sie erklärt, dass die Nachbesserungen, die die Regierung Leterme angebracht habe, das Rahmentarifabkommen nicht besser machten. Deshalb seien weitere Protestaktionen durchaus denkbar, die Beschäftigten im Land seien nämlich äußerst besorgt.
Im Leitartikel von De Morgen bricht der Kommentator heute eine Lanze für die Arbeitnehmer und zeigt Verständnis für deren Unmut. Man könne verstehen, so der Leitartikler, das in den Reihen der Arbeitnehmer eine Menge Unmut koche. Die Finanzkrise habe sie als Beschäftigte, Verbraucher und Steuerzahler gleich dreimal schwer erwischt, gleichzeitig komme die Bonuskultur wieder mächtig in Gang und machten die Betriebe nach der Krise wieder satte Gewinne. Dennoch gelte, dass das Loch im Staatsetat nicht unendlich wachsen könne. Notgedrungen müssten auch die Arbeitnehmer ihr Scherflein beisteuern. Wenn man aber die Beschäftigten bittet, ihre Forderungen zu zügeln, dann müsse im Gegenzug aber auch von all jenen ein Beitrag eingefordert werden, die schamlos von den Krisenpreisen profitieren und zum Beispiel zu Energiemonopolisten geworden sind.
N-VA macht Druck auf Wouter Beke
Gazet van Antwerpen titelt heute zum wachsenden Druck der N-VA auf CD&V-Parteichef Wouter Beke. Entweder legt der innerhalb von zwei Monaten eine Einigung zu Staatsreform, BHV und Brüssel vor, oder die N-VA verlässt den Verhandlungstisch. Diese Drohung, so Gazet van Antwerpen, komme von Jan Jambon, der Nummer zwei der N-VA, und mache deutlich, dass die flämischen Nationalisten beim Ausbleiben einer Einigung in gemeinschaftspolitischen Fragen eine neue Regierung nicht unterstützen werden.
Das veranlasst den Leitartikler in Het Belang van Limburg zur Feststellung, dass Wouter Beke und die CD&V mit dem Rücken zur Wand stehen. Wenn Jan Jambon diese Deadline Ende April vorgebe, dann auch weil zu diesem Stichtag die Europäische Kommission von Belgien einen Maßnahmenkatalog zur Sanierung der Staatsfinanzen sowie Pläne zur Einhaltung der Euro 2020-Ziele erwarte. Es werde derweil nicht leicht für Wouter Beke, gemeinschaftspolitisch und ideologisch sei die Kluft zwischen den beiden Landesteilen weiterhin äußerst groß.
La Libre Belgique macht mit Didier Reynders auf und zitiert den ehemaligen Informateur mit den Worten: "Jetzt rasch einen Regierungsbildner!". PS und N-VA müssten klar artikulieren, welche Parteien die nächste Regierungskoalition stellen würden. Nur wenn man wisse, mit wem man am Tisch sitze, um eine Staatsreform umzusetzen, könne diese gelingen, so Reynders in La Libre heute.
Le Soir schließlich macht mit den explodierenden Energiepreisen hierzulande auf und meint, dass die steigende Inflationsrate ihren Grund hauptsächlich in den hohen Energiepreisen findet.
Archivbild: Eric Lalmand (belga)