"Dunkle Wolken über den Börsen weltweit", titelt Het Nieuwsblad. "Japanischer Börsencrash entfesselt eine weltweite Verkaufslawine", schreibt De Tijd auf Seite eins. "Eine Verkaufswelle zieht die Börsen weltweit nach unten", so die Schlagzeile von De Morgen. "Börsen im Ausverkauf", notiert das GrenzEcho. Die Börsen sind gestern weltweit auf Talfahrt gegangen. Der Brüsseler BEL20-Index gab um über 3% nach. Hintergrund sind vor allem die Sorgen um die amerikanische Konjunktur.
"An den Börsen wird eine Tugend häufig vergessen, nämlich die Geduld", meint L'Echo in seinem Leitartikel. An den Finanzplätzen der Welt hat man sich viel zu schnell von der Panik anstecken lassen. Der sogenannte Angst-Index war regelrecht durch die Decke gegangen. Dabei wurden viele Parameter über- beziehungsweise unterschätzt. Zu glauben, dass die amerikanische Wirtschaft buchstäblich über Nacht vor einer Rezession stünde, ist beispielsweise völlig überzogen. Die entsprechenden scheinbaren Hinweise darauf wurden ganz offensichtlich aufgeblasen. Das alles nur um zu sagen: Man muss nicht gleich den Kopf verlieren.
La Libre Belgique sieht das ähnlich. Es gibt derzeit keinen wirklichen Grund zur Panik. Natürlich gab es die eine oder andere Prognose, die unerwartet enttäuschend ausfiel. Man darf aber nicht vergessen, wo wir herkommen. Insbesondere der Tech-Sektor hatte zuletzt stratosphärische Höhen erreicht. Das, was gestern passiert ist, war vielleicht nichts anderes als eine Korrektur, eine Rückkehr in die Wirklichkeit.
Gefühlte und faktische Straffreiheit
De Tijd teilt im Wesentlichen auch diese Analyse, wobei die Zeitung ein Schreckenszenario doch nicht ganz ausschließen will. Man kann den gestrigen Schwarzen Montag tatsächlich als eine überfällige Korrektur betrachten. Das ist aber nur die optimistische Lesart, denn man darf die animalischen Instinkte und die Emotionen, die die Märkte treiben, nicht unterschätzen. Die Herde kann am Ende doch in eine andere, unerwartete Richtung trampeln. Konkret kann die Verkaufswelle durchaus auch noch weiter anschwellen, was dann wirklich zu einer Finanzkrise führen kann. 2007-2008 haben wir noch gesehen, dass das durchaus auch Auswirkungen auf die Realwirtschaft haben kann. Deswegen ist es von tragender Bedeutung, dass alle Akteure, große und kleine Anleger, Banken, Zentralbanken und politisch Verantwortliche, einen kühlen Kopf bewahren.
Viele Zeitungen blicken aber auch erschrocken auf den FC Brügge. Fans des Fußballlandesmeisters haben im Stadion von Standard Lüttich einen abgewandelten Hitlergruß gezeigt. "Das ist das x-te Mal", ärgert sich La Dernière Heure. Seit Jahren schon sorgen Fußball-Nazis in regelmäßigen Abständen für hässliche Schlagzeilen. Da bedurfte es längst einer entschlossenen Reaktion, doch ist dieses Land offensichtlich nicht dazu im Stande. Und wo sind die Politiker? Wo waren denn die Jambons, Rousseaus und Franckens dieser Welt am vergangenen Wochenende? Dieses Schweigen trägt doch nur zur gefühlten und faktischen Straffreiheit bei. Das kann und darf nicht so weitergehen.
Desinformation auf sozialen Medien wird zu Brandbomben
"Es reicht", zischt auch sinngemäß Het Nieuwsblad. In einem Moment, in dem Jugendspieler eine Faust gegen Rassismus machen, hebt eine Bande von Club-Brügge-Fans den rechten Arm zu einem Nazi-Gruß! Wie krank kann man sein? Und man sollte sich hier nicht in die Tasche lügen. Bislang ging es nur um sporadische Fälle, "emotionale" Ausbrüche. Das, was wir am Sonntag in Lüttich gesehen haben, das war perfekt organisiert. Das war eine offene Provokation nach dem Motto: "Stadionverbot? Interessiert uns nicht! Strafverfolgung? Das traut ihr euch doch nicht!". Diese Aktion hatte nur ein Ziel: Man wollte Gleichgesinnte rekrutieren für einen Kampf, der nichts mit Fußball zu tun hat. Die Folgen von alledem, die sieht man in Großbritannien, wo ein regelrechter Mini-Bürgerkrieg wütet.
Viele Blätter blicken auch mit tiefen Sorgenfalten nach Großbritannien. Dort hatte ein 17-Jähriger in der vergangenen Woche ein Blutbad angerichtet. Das sorgte für anti-muslimische Krawalle, obgleich es sich bei dem Täter um einen 17-jährigen Sohn ruandischer Eltern handelt, der in Großbritannien geboren und christlich erzogen wurde.
Die britischen Brandbomben werden heute von Computertastaturen aus geworfen oder durch ein Wischen auf einem Smartphone, konstatiert De Morgen. Desinformation in sozialen Netzwerken befeuert die Ausschreitungen. Diejenigen, die bewusst diese Falschmeldungen verbreiten, gehören schwerer bestraft als die eigentlichen Krawallmacher. Es wird Zeit, dass auch die Betreiber der sogenannten sozialen Medien einmal nachdrücklich an ihre Verantwortung erinnert werden.
Der Brexit als Illusion
Wir müssen mal über Elon Musk sprechen, meint auch De Standaard. Geteilt werden die Fake News in erster Linie über die Plattform X des amerikanischen Tech-Milliardärs. Da dürfen verurteilte Rechtsextreme ungestört ihr Unwesen treiben, indem sie etwa den Täter fälschlicherweise als "illegalen, muslimischen Migranten" bezeichnen und die Briten dazu ermahnen, "endlich aufzuwachen". Die Radikalisierung, insbesondere junger Briten, hat beängstigende Dimensionen erreicht. Musk und seiner Internetplattform X müssen endlich klare Grenzen aufgezeigt werden. Allein dessen finanzielle Unterstützung für Donald Trump zeigt doch, welche Ideen er über X fördern und verbreiten will.
Ein buchstäblicher Brandbeschleuniger sind aber auch die sozialen Ungleichheiten in Großbritannien, analysiert Het Laatste Nieuws. In einer solchen Situation richtet sich dann zum Beispiel schnell der Hass auf eine syrische Flüchtlingsfamilie, die eine Wohnung und materielle Unterstützung bekommt. Der Brexit, der doch alle Probleme lösen sollte, hat sich längst als Illusion erwiesen. Die Ausschreitungen zeigen jetzt ein gebrochenes Großbritannien: Broken Britain.
Roger Pint