"Gefangenenaustausch zwischen Moskau und dem Westen: Ein verurteilter Mörder und Spione kommen im Austausch für politische Gefangene frei", fasst das GrenzEcho zusammen. "Gefangenenaustausch mit bitterem Nachgeschmack durch Freilassung von Mörder", so der große Aufmacher von De Standaard. "Größter Gefangenenaustausch seit dem Kalten Krieg", heben Het Nieuwsblad, De Tijd und De Morgen hervor. "Ein 'historischer' Austausch von Gefangenen zwischen den Russen und dem Westen", titelt Le Soir. "Familie in Tränen nach Freilassung von amerikanisch-russischem Journalisten durch Moskau", schreibt Gazet van Antwerpen.
Ein hoher Preis
Über 20 Gefangene sind ausgetauscht worden, kommentiert De Standaard. Da gehören der amerikanische Journalist Evan Gershkovich, der vom russischen Regime fälschlicherweise der Spionage beschuldigt und zu 16 Jahren Gefängnis verurteilt worden war, der 2018 von den Russen festgenommene Ex-Marine Paul Whelan, zwei weitere Amerikaner, zwölf Deutsche und prominente russische politische Gefangene. Im Gegenzug konnten acht Russen aus europäischen und amerikanischen Gefängnissen zu Putin zurückkehren. Darunter ist auch der Auftragsmörder Vadim Krasikov, der in Berlin einen tschetschenischen Dissidenten ermordet hat. Auftragsmörder gegen Journalisten – auch dieser Deal sieht wieder nach Erpressung aus. Aber demokratische Regierungen haben wenig Spielraum, wenn die Unschuld ihrer Bürger schwerer wiegt als rohe Staatsgewalt. Auf diese Art der Erpressung hat auch die belgische Regierung keine andere Antwort, siehe Olivier Vandecasteele. Das ist bitter. Länder wie Russland und der Iran verhaften Unschuldige, um dadurch straflos staatliche Gewalt verüben zu können. Aber der Sieger bleiben die Länder, für die die Unschuld ihrer Bürger wichtiger ist als alles andere, meint De Standaard.
Das war ein hoher Preis, schreibt De Morgen. Deutschland hat einen russischen Mörder freigelassen, die Vereinigten Staaten zwei russische Geheimagenten, Slowenien, Norwegen und Polen zusammen vier weitere. Aber das Ganze ist dennoch ein seltener Lichtblick zwischen all den düsteren Nachrichten aus der von Russland überfallenen Ukraine und den militärischen Spannungen auf dem europäischen Kontinent. Die Geschichte der Gefangenenaustausche im Kalten Krieg lehrt, dass solche Vorgänge das Eis brechen können für weitere diplomatische Schritte. Aber es ist viel zu früh, um darüber zu spekulieren, ob das auch jetzt der Fall sein könnte. Allerdings sind zumindest wieder Kommunikationslinien offen. Und das bleiben sie besser auch. Zum Beispiel, um zu verhindern, dass die Russen europäische F-16 im NATO-Luftraum abschießen, ergänzt De Morgen.
Was hat De Wever eigentlich vor?
Het Nieuwsblad befasst sich mit den föderalen Regierungsverhandlungen: Je mehr Details über die sogenannte "Super-Note" von Regierungsbildner Bart De Wever bekannt werden, desto deutlicher wird, warum sich die anderen Parteien fragen, was er eigentlich beabsichtigt. Also ob er wirklich aufrichtig ist mit seiner Mission und ob er tatsächlich Premierminister werden will. Denn was De Wever präsentiert hat, sind nichts anderes als alte Ideen in einer neuen Verpackung. Es scheint ihm eher darum zu gehen, Konflikte zu verschärfen als Kompromisse zu suchen. Alles würde darauf hinauslaufen, der N-VA mehr Macht zu verschaffen auf Kosten anderer Akteure. Jetzt steht erstmal eine Woche Verhandlungspause an. Aber dann wird sich schnell und fundamental etwas ändern müssen, bevor jemand seine Unterlagen zusammenpackt und sich verabschiedet, warnt Het Nieuwsblad.
Die Angst vor einer Brüsseler Vivaldi
Ansonsten richten sich die Blicke vor allem auf die Brüsseler Regierungsverhandlungen: 53 Tage, zählt La Dernière Heure vor, hat es gedauert, bis die Brüsseler PS akzeptiert hat, sich mit der MR an einen Tisch zu setzen, um Verhandlungen zu beginnen über eine Regierungskoalition mit Les Engagés. Oberflächlich betrachtet scheint also das Vertrauen zurückzukehren zwischen den zwei größten Brüsseler Parteien. Aber inhaltlich betrachtet ist noch nichts erreicht worden. Auch wenn sich jetzt alle Parteien optimistisch geben, ist es alles andere als sicher, dass sie noch vor den Kommunalwahlen eine Regierung zustande bringen werden. Nicht nur, weil die Verhandlungen zwischen PS und MR garantiert lang und schwierig werden, sondern auch, weil die Verhandlungen auf der niederländischsprachigen Seite an einem toten Punkt sind. Ohne dass ein Ausweg in Sicht wäre, hebt La Dernière Heure hervor.
Seien wir zuversichtlich, appelliert Le Soir, auf frankophoner Seite gibt es wirklich den Willen, eine Regierung auf die Beine zu stellen. Dass es so lange gedauert hat, um bis zu diesem Punkt zu kommen, lässt jedoch erahnen, wie die Verhandlungen aussehen werden über die schwierigen, aber notwendigen Reformen für die Hauptstadtregion. Das ist auch Wasser auf die Mühlen der Menschen, die eine Brüsseler Vivaldi befürchten, also eine Koalition, die mehr durch ihre internen Streitigkeiten als die Kohärenz ihres Projekts aufgefallen ist. Und das kann Brüssel jedenfalls gar nicht brauchen: einen zerstrittenen, reformunfähigen Haufen, mahnt Le Soir.
Dabei war doch schon direkt nach den Wahlen vom 9. Juni klar, dass diese Parteien würden zusammenarbeiten müssen, seufzt L'Echo. Wir können nur beten, dass die Verhandlungen sich jetzt nicht mehr ewig in die Länge ziehen werden wie bei der Vivaldi-Koalition. Damals waren es nämlich 16 Monate bis zur Bildung einer Regierung. Das wären schlechte Nachrichten für Brüssel, das dringend eine gute Führung braucht. Derweil kann man vielleicht hoffen, dass die Fortschritte auf frankophoner Seite den Druck auf die niederländischsprachige erhöhen werden. Angesichts der Herausforderungen ist es höchste Zeit, einen Gang höher zu schalten, fordert L'Echo.
Boris Schmidt