"Das Rennen um das Weiße Haus bekommt neuen Elan", titelt De Morgen auf Seite eins. "Die Vizepräsidentin sorgt für Hoffnung – Demokraten vereinen sich hinter Harris", fasst das GrenzEcho zusammen. "Demokraten scharen sich einträchtig hinter Harris", formuliert es De Standaard ähnlich. "So gut wie sicher die Herausforderin von Trump", titelt Het Nieuwsblad. "46 Millionen Dollar in ein paar Stunden: Demokratische Sponsoren bezahlen gerne für die Kampagne von Harris", schreibt Gazet van Antwerpen. "Schwarz und eine Frau, sind die Vereinigten Staaten bereit dafür?", fragt Het Belang van Limburg. "Kamala Harris – 105 Tage, um Trump zu schlagen", bringt es Le Soir auf den Punkt.
Mit einem Schlag scheint das Rennen um die Präsidentschaft der Vereinigten Staaten wieder offen, so De Standaard in seinem Leitartikel. Joe Biden hat der Demokratie mit seinem Rückzug einen großen Dienst erwiesen. Er hat damit bewiesen, dass er ein echter Staatsmann ist, der persönliche Macht aufgibt für höhere Belange. Die Trägheit, mit der Biden sich dazu durchgerungen hat, steht allerdings in schrillem Kontrast zur Geschwindigkeit, mit der sich die Demokraten nun hinter Kamala Harris scharen.
Harris ist auch eine starke Kandidatin: Mit ihren 59 Jahren lässt sie Donald Trump im wahrsten Sinne des Wortes als alten Mann dastehen. Als Frau, ehemalige Staatsanwältin und Tochter von Einwanderern könnte sie die unentschlossenen Wähler ansprechen, für die Trump mit seinem Sexismus, seinen Verurteilungen und seinem Rassismus keine Option ist, glaubt De Standaard.
Neuer Elan, aber große Herausforderungen
So gespalten die demokratische Partei über den Rückzug von Biden war, so vereint ist sie nun, was die Kandidatur von Kamala Harris betrifft, stellt Gazet van Antwerpen fest. Ob sie Trump wird schlagen können, das ist höchst unsicher, aber sie hat es in jedem Fall geschafft, ihrer Partei neues Leben und Einigkeit einzuhauchen. Harris hat es geschafft, sich die Unterstützung von immer mehr Partei-Schwergewichten zu sichern. Auch das Geld strömt wieder herein. Die Börsen haben ebenfalls positiv reagiert. All das hätte man früher haben können. Aber zumindest hat Joe Biden am Ende das Richtige getan.
Jetzt braucht Harris aber auch wirklich alle denkbare Hilfe und Unterstützung, denn sie steht vor einer enormen Aufgabe. Nur mit vielen motivierten Parteigängern und Sponsoren im Rücken wird sie eine Chance haben gegen Trump. Es ist in jedem Fall auch sensationell und macht Hoffnung, dass eine Mehrheit der Demokraten eine junge schwarze Frau ermutigt, um die Präsidentschaft zu kämpfen. Das gibt den Menschen ein ganz neues Bild vom Wahlkampf und auch von der amerikanischen Gesellschaft, lobt Gazet van Antwerpen.
Harris gibt den Demokraten neuen Elan, unterstreicht L'Echo. Der Enthusiasmus über ihre Kandidatur und damit einen echten Kampf ums Weiße Haus ist auch legitim angesichts der Bedrohung, die Donald Trump darstellt, nicht nur für die amerikanische Gesellschaft, sondern für die ganze Weltordnung. Aber wir sollten uns auch nichts vormachen: Auf Kamala Harris warten viele große Herausforderungen. Sie wird viele potenzielle demokratische Wähler zurückgewinnen müssen, die entgeistert waren angesichts des Mangels an Voraussicht der Parteispitze. Harris ist sich auch bewusst, dass ihre Bilanz als Vizepräsidentin eher mager ausfällt, auch hier wird sie Überzeugungsarbeit leisten müssen. Sie darf auch nicht den Fehler machen, nur auf die Alters-Karte zu setzen gegen Trump. Ihr Kampf für das Recht auf Abtreibung und eine möglicherweise differenziertere Sicht auf den Gaza-Konflikt sind hingegen mögliche Trümpfe. Und natürlich wird sie auch daran arbeiten müssen, den Wählern besser zu vermitteln, was die Biden-Regierung, der sie ja auch angehört, wirtschaftlich für Amerika geleistet hat, zählt L'Echo auf.
Trump wird sich beherrschen müssen
Donald Trump hat jetzt wirklich ein Problem, kommentiert Le Soir: Joe Biden war sein bester Feind, alles war auf Angriffe auf das Alter und die Gesundheit von Biden ausgerichtet. Nun wird Trump sich eine andere Taktik einfallen lassen müssen. Und selbst wenn seine ganze rassistische und frauenfeindliche politische DNA danach schreit: Er wird aufpassen müssen mit Tiefschlägen gegen seine neue Gegnerin. Denn wenn er seine Angriffe zu deutlich auf das Geschlecht und die Hautfarbe von Harris konzentriert, dann riskiert er, moderate, weibliche und farbige Republikaner zu verlieren. Ohne die Stimmen dieser Republikaner wird er aber nicht gewinnen können – und das weiß Trump auch, analysiert Le Soir.
Het Belang van Limburg blickt zurück auf die jüngsten Auftritte von Donald Trump: Der missglückte Anschlag hat Trump bei seinen fanatischen Anhängern endgültig einen gottgleichen Status verschafft. Seine Wahlveranstaltungen ähneln immer mehr Gottesdiensten. Seine Anhänger brechen in Tränen aus, als ob sie den wahrhaftigen Messias erblickt hätten. Dabei sind die Botschaften seiner Anhänger alles andere als christlich: Die Plakate mit der Aufschrift "Massendeportationen jetzt" lassen an das Deutschland der 1930er-Jahre denken. In Michigan hat Trump vor seinen Fans vom chinesischen Präsidenten Xi Jinping geschwärmt – und dabei vor allem dessen Fähigkeit gelobt, 1,4 Milliarden Chinesen unter Kontrolle zu halten.
Jeder Tag, den Biden sich weigerte, das Handtuch zu werfen, hat Trump dem Weißen Haus näher gebracht. Jetzt ist aber eine vollkommen neue Wahldynamik entstanden. War bisher Bidens Alter das größte Problem, ist jetzt Trump der Greis. Ein Greis, der unmittelbar begonnen hat, ausfällig zu werden gegenüber Harris, hält Het Belang van Limburg fest.
Parteien müssen sich erneuern
Das Fiasko um die Wahlkampfkampagne von Joe Biden demonstriert vor allem eins, findet L'Avenir: die schwerwiegenden Konsequenzen, wenn sich Parteien beziehungsweise Parteiführungen nicht rechtzeitig erneuern. Das gilt sowohl für Europa als auch für die Vereinigten Staaten: Die Parteien scheinen wirklich Probleme zu haben, die Politik-Stars von morgen hervorzubringen. Das bringt eine große Gefahr mit sich, nämlich das Entstehen von Persönlichkeiten und Parteien außerhalb des demokratischen Spektrums.
Angesichts einer Welt, die sich konstant verändert, sind oft die Parteien besonders erfolgreich, die mit der Vergangenheit brechen wollen. Deswegen müssen die demokratischen Kräfte alles daransetzen, um frische Gesichter zu finden, die auch den größten Herausforderungen gewachsen sein werden, appelliert L'Avenir.
Boris Schmidt