"Die größte Informatik-Panne der Geschichte", titelt Le Soir auf Seite eins. "Computerpanne löst weltweit Probleme aus – fehlerhaftes Software-Update mit einer großen Wirkung", schreibt das GrenzEcho. "Ein Bug trifft Microsoft und die Welt bricht zusammen", so die Überschrift bei La Libre Belgique. "Ein kleiner Software-Fehler und die halbe Welt liegt platt – was können wir aus dieser Computer-Störung lernen?", fragt De Morgen.
Zu große Abhängigkeiten
Die Fehlermeldung, mit der viele wichtige Windows-Rechner sich weigerten, wieder zu starten, hatte weitreichende Folgen, schreibt La Libre Belgique in ihrem Leitartikel: Flugzeugflotten, die am Boden bleiben mussten, Flughäfen, die Landungen untersagten, treibende Schiffe, schwer zugängliche Finanzmärkte, Fernsehsender ohne Programm, Krankenhäuser ohne Notfallaufnahmen, abstürzende Börsen. Dieses nie dagewesene Chaos ist von einem vollkommen verkorksten Antivirus-Update eines auf Cybersicherheit spezialisierten US-Unternehmens verursacht worden. Wir können zwar kollektiv aufatmen, dass das Ganze kein Cyberangriff war. Aber wir sollten uns ernsthafte Fragen stellen, wenn schon ein instabiles Antiviren-Programm so ein weltweites Durcheinander verursachen kann. Schon die Covid-Krise hat uns doch gezeigt, dass wir viel zu abhängig sind von bestimmten Lösungen. Dass jetzt mit der Informatik das Gleiche passiert, muss uns wachrütteln. Uns, die Bürger, die Unternehmen und die Staaten, fordert La Libre Belgique.
L'Avenir schlägt in die gleiche Kerbe: Angesichts des angerichteten Schadens ist es schon fast erstaunlich, dass keine kriminellen Hacker oder feindliche Staaten für die Informatik-Panne verantwortlich sind. Es ist höchste Zeit für die politisch Verantwortlichen unserer Industriestaaten, sich Fragen zu stellen über die zunehmende Abhängigkeit der Welt von bestimmten Tech-Konzernen. Egal, ob sie nun Microsoft, Apple, Google, Nvidia oder Meta heißen. Denn wenn sie Probleme haben oder in die falschen Hände geraten, bekommt der ganze Planet die Folgen zu spüren, warnt L'Avenir.
Die Demokraten müssen dem Elend ein Ende machen
Die meisten anderen Zeitungen befassen sich in ihren Kommentaren aber weiter mit dem US-Präsidentschaftswahlkampf: Der Rückzug von Joe Biden ist notwendig, wiederholt einmal mehr La Dernière Heure. Es wird auch gemunkelt, dass er unmittelbar bevorstehen könnte. Aber die Demokraten haben keinen schlüsselfertigen Ersatzkandidaten. Es ist zwar logisch, dass sich alle Augen auf Kamala Harris richten. Aber Harris ist die vielleicht diskreteste Vizepräsidentin der Geschichte gewesen. Ob sie einen Donald Trump schlagen kann, ist mehr als ungewiss. Wenn es den Demokraten nicht doch noch gelingt, Michelle Obama zu überzeugen, dann werden sie mit viel Unsicherheit im Bauch in den Kampf ziehen müssen, befürchtet La Dernière Heure.
Joe Biden hat mittlerweile eines mit Donald Trump gemein, kommentiert De Standaard: Er stellt seine persönlichen Interessen über das Wohl des Landes. Biden hat sich zwar viele Verdienste erworben, aber er scheint immer mehr den Kontakt zu seiner Basis zu verlieren. Mal abgesehen davon, dass er von Natur aus sehr starrsinnig ist. Biden führt einen Kampf gegen das Alter, den er nicht gewinnen kann. Aus Respekt oder vielleicht Demut flüchten sich die demokratischen Spitzenpolitiker in diplomatische Floskeln über den Zustand Bidens. Das mag zwar höflich klingen, ist aber letztlich vor allem feige. Wenn die Demokraten diesem Elend nicht endlich ein Ende machen und eine würdige Alternative in den Kampf um die Präsidentschaft schicken, dann haben sie die Niederlage mehr als verdient, wettert De Standaard.
Ein Rückzug von Joe Biden ist der einzige Weg für die Demokraten, um der Trump-Kampagne zumindest etwas den Wind aus den Segeln zu nehmen, glaubt Het Belang van Limburg. Denn die Trump-Kampagne ist völlig auf Angriffe auf einen alten und schwachen Biden ausgerichtet. Falls an seiner Stelle ein jüngerer und energischerer Kandidat stehen würde, müssten die Republikaner sich etwas Neues ausdenken. Aber auch die Demokraten müssen ihre Strategie dringend überdenken. Es stimmt zwar, dass Trump den Rechtsstaat zerstören will. Aber dieses Narrativ zieht nicht bei den Wählern, im Gegenteil. Darüber hinaus ist es nicht mehr nur Trump, der uns Sorgen machen muss. J.D. Vance ist noch gefährlicher. Denn mit ihm hat der Trumpismus einen Erben. Donald Trump Forever könnte dadurch zu einer Realität werden, so Het Belang van Limburg.
Was würde eigentlich passieren, wenn es der durchorganisierten und immer mächtiger werdenden Trump'schen Kampfmaschine doch nicht gelingen sollte, den Sieg zu holen, den sie ihren fanatischen Wählern seit Langem verspricht?, fragt sich Le Soir. Wie würden die Mitglieder dieser Sekte reagieren, denen von früh bis spät eingeimpft wird, dass es darum geht, Amerika vom Rand des Abgrunds zu retten, dieses Amerika, das angeblich von größtenteils imaginären barbarischen Horden verwüstet wird? Die Antwort liegt auf der Hand: Der Siedepunkt in diesem Druckkochtopf amerikanischer Leidenschaften wäre erreicht. Aber es gibt immer noch Hoffnung, behauptet Le Soir.
Eine Lasagne an Identitäten mit Mehrwert
Het Nieuwsblad schließlich blickt voraus auf den Nationalfeiertag: Gerade im Vergleich zu Ländern wie Frankreich oder den Niederlanden ist der Nationalfeiertag in Belgien eine sehr nüchterne und begrenzte Affäre, und sowieso im Vergleich zu Festtagen wie dem Saint Patrick's Day, der mittlerweile ja global und längst nicht mehr nur von Iren gefeiert wird. Gerade in Flandern lässt der Tag viele Menschen eher kalt. Das hat natürlich damit zu tun, dass der flämische Nationalismus hier viel beliebter ist als belgischer Nationalstolz. Außerdem hat die flämische Regionalregierung ja immer viel stärker auf Identität gesetzt als die Föderalregierung. Aber es ist auch gerade dieser Mangel einer ausgeprägten nationalen Identität, die die belgische Identität ausmacht. Das ist auch sicher nichts Negatives, denn es macht verschiedene Identitäten kompatibel. Diese Lasagne an Identitäten ist also ein Mehrwert. Und wir wissen ja auch, wie gefährlich und extrem ein ausgeprägter Nationalismus werden kann. In dem Sinne ist unser Nationalfeiertag eine Ode an das friedliche Zusammenleben mehrerer Identitäten, unterstreicht Het Nieuwsblad.
Boris Schmidt