"Weltweites Entsetzen nach Anschlag – Trump standhaft im 'Angesicht des Bösen'", titelt das GrenzEcho. "Die Welt verurteilt den feigen Anschlag", schreibt De Standaard. "Das Attentat, das Donald Trump stärkt", liest man bei La Libre Belgique. Viele andere Zeitungen formulieren es sehr ähnlich. "Nach Mordanschlag: 'Trump hat jetzt eine Heldenrolle inne'", unterstreicht De Morgen. "Misslungener Anschlag macht Trump zum Märtyrer", so auch De Standaard. "Welche Folgen wird der Anschlagsversuch haben?", fragt sich L'Avenir.
Die Hintergründe des aktuellen Vorfalls müssen noch aufgeklärt werden, erinnert das GrenzEcho in seinem Leitartikel. Fakt ist aber schon jetzt, dass Trump beziehungsweise die Republikaner enorm davon profitieren werden, weil sie das Ganze politisch ausschlachten können. Trump inszeniert sich gern als Opfer von Verfolgung, das nicht kleinzukriegen ist. Seine politischen Freunde arbeiten schon an der Überhöhung des Ereignisses und sprechen von einem "Wunder". Dass nun ausgerechnet die Republikaner fordern, die politische Rhetorik müsse im Wahlkampf angesichts des Angriffs auf Trump entschärft werden, ist an Zynismus kaum noch zu überbieten. Trump ist seinem Ziel, wieder ins Weiße Haus einzuziehen, jedenfalls ein Stück näher gekommen, hält das GrenzEcho fest.
Wahrscheinlich nicht die letzte Gewalttat
Die Bilder von Trump nach dem misslungenen Attentat haben ein neues Narrativ produziert, schreibt La Dernière Heure: Das des quasi kugelsicheren Helden, der nicht gefallen ist. Ein Bild, das droht, alles andere über Trump auszulöschen, all den Horror seiner Pläne, die ganze Gefahr seiner Persönlichkeit. Die Kugel, die ihn nur gestreift hat, ist auch ein erschreckendes Symbol für die politische Gewalt, die Amerika vergiftet – und für die Trump selbst maßgeblich mitverantwortlich ist. Von der Legitimierung des tödlichen Sturms auf das Kapitol über das Aufgreifen jeder hasserfüllten Parole und seiner Freude über ein immer schwerer bewaffnetes Amerika und über die von ideologischer Gewalt verseuchten Sozialen Netzwerke. Es ist zu befürchten, dass das nicht die letzte Gewalttat des Wahlkampfs gewesen sein wird, so La Dernière Heure.
Das ist das große Problem, scheint auch Gazet van Antwerpen einzuhaken: Der Anschlag auf Trump ist zwar unmoralisch und verwerflich. Aber die hasserfüllten Aussagen Trumps und seine Aufrufe zur Gewalt sind es genauso. Siehe Sturm auf das Kapitol mit fünf Toten, siehe, dass Trump seine Gegner "Ungeziefer" nennt, dass er fordert, dass Polizisten Ladendiebe an Ort und Stelle hinrichten dürfen und dass er Migranten beschuldigt, aus Irrenhäusern zu kommen und das "Blut Amerikas zu vergiften". Außerdem verteidigen die Republikaner stramm eine schwache Waffengesetzgebung. Dabei sterben jedes Jahr 40.000 Menschen in den Vereinigten Staaten durch diese Waffen, unterstreicht Gazet van Antwerpen.
Die Gewalt hat sich gegen ihren Inspirator gekehrt
Schon seit seinem ersten Wahlkampf 2016 hat Trump seine Anhänger zur Gewalt ermutigt, hebt La Libre Belgique hervor, und dazu, Hillary Clinton "einzusperren". Er hat sich damit gebrüstet, dass er mitten in New York auf offener Straße jemanden erschießen könnte, ohne auch nur eine einzige Wählerstimme zu verlieren. Die gescheiterten Putschisten vom Kapitol bezeichnet er als Patrioten, die er begnadigen werde. All diese Gewalt hat sich am Samstag nun gegen ihren Inspirator gekehrt, urteilt La Libre Belgique.
Trump wird sich noch erklären müssen, wie er den "Kämpft! Kämpft! Kämpft!"-Aufruf an seine Anhänger gemeint hat nach dem missglückten Anschlag, ergänzt De Morgen. Wir können nur hoffen, dass er damit den friedlichen Kampf an den Wahlurnen gemeint hat. So oder so stellt das Ganze aber einen gefährlichen Wendepunkt dar. Laut einer vor Kurzem durchgeführten Umfrage befürworten zehn Prozent der Befragten Gewalt, um Trump daran zu hindern, wieder Präsident zu werden. Sieben Prozent halten Gewalt für gerechtfertigt, um Trump zurück an die Macht zu bringen. Hinzu kommen die zahllosen extremistischen Gruppen und die vielen Waffen. Allein im letzten Jahr sind laut FBI rund 16,7 Millionen Waffen legal gekauft worden, Ende Juni stand der Zähler auf fast 1,4 Millionen legal erworbener Feuerwaffen pro Monat, zählt De Morgen auf.
Donald Trump will den Bürgern der Vereinigten Staaten alle Mittel zum Kämpfen geben, wirft Le Soir ein: Damit ist er der unerbittliche Verteidiger der Waffen-Lobby. Die wiederum belohnt ihn dafür großzügig, sowohl politisch als auch finanziell. Zu seinen Wahlkampfversprechen gehört auch, die unter Biden beschlossenen sehr zaghaften Versuche einer gewissen Kontrolle des Waffentragens rückgängig zu machen. Damit trägt Trump eine schwere Mitverantwortung an der Gewalt in den USA, betont Le Soir.
Die USA stehen vor einer nie da gewesenen Feuerprobe
Die zunehmende Gewalt und die erschreckende Bereitschaft zur Gewalt in diesem Wahlkampf können nicht geleugnet werden, kommentiert De Standaard. Das bürdet der gesamten politischen Klasse, aber auch jedem Bürger, der es gut meint mit dem Land, eine große Verantwortung auf: die, die Toxizität zu überwinden. Für Kugeln gelten keine mildernden Umstände. Außerdem muss die Politik jegliche Ausschlachtung des Anschlags im Keim ersticken. Nicht mehr als ein frommer Wunsch, wie sich jetzt schon zeigt, seufzt De Standaard.
Egal wie groß die Meinungsverschiedenheiten auch sind, Gewalt darf in einer Demokratie nie eine Lösung sein, appelliert Het Nieuwsblad. Aber leider sehen wir gerade in den USA besonders häufig Gewalt. Dieser Anschlag ist die Lunte am Pulverfass, die diese Wahlen sicher nicht gebrauchen konnten. Man kann nur beten, dass alle durch die Bank einen kühlen Kopf bewahren. Allerdings zeigt die Geschichte der letzten Jahre, dass die Chancen dafür sehr klein sind. Die Kampagne droht noch härter zu werden, die größte westliche Demokratie steht vor einer nie da gewesenen Feuerprobe, prophezeit Het Nieuwsblad.
Boris Schmidt