Die jüngste Entscheidung von König Albert, den Parteichef der flämischen Christdemokraten mit einem Verhandlungsauftrag zu betrauen, um die Gespräche zur Staatsreform voranzubringen, ist heute in fast allen Tageszeitungen Aufmacher- oder Kommentarthema.
Nach Bart De Wever und Elio Di Rupo, nach André Flahaut und Danny Pieters, Johan Vande Lanotte und Didier Reynders jetzt also Wouter Beke. Der Parteichef der flämischen Christdemokraten habe vom König ein Verhandlungsmandat erhalten, notiert La Libre Belgique. Beke werde wohl mit neun Parteien verhandeln, meint die Zeitung und schreibt, dass die N-VA derweil rasch Aufklärung über die zukünftige Koalition und deren Partner verlange.
Dhr Wouter Beke, Gesprächstherapeut und Achsenschmied
De Standaard sieht das Schicksal von Wouter Beke in Händen der N-VA und der PS. Der CD&V-Vorsitzende sehe den Schwerpunkt seines Auftrags in therapeutischen Gesprächen mit Bart De Wever und Elio Di Rupo. Die Achse N-VA - PS sei im August letzten Jahres zerbrochen. Sie wiederherzustellen, sei nach Angabe von Wouter Beke die einzige Möglichkeit, um einer Staatsreform und einer neuen Regierungskoalition endlich näher zu kommen, schreibt De Standaard.
Im Leitartikel heißt es hierzu, man müsse wohl ein Stoßgebet für Beke sprechen. Schon unter normalen Umständen sei der CD&V-Parteichef nicht um seine Funktion zu beneiden. Nach der schrecklichen Wahlschlappe im Juni letzten Jahres sei der Job als CD&V-Vorsitzender noch unattraktiver geworden. Trotz der Wiederherstellung des Prestiges von Premier Leterme werde die CD&V weiter wie eine Satellitenpartei wahrgenommen. Etwa so wie die französischsprachige cdH neben der PS.
Auch wenn Beke alles daransetzen werde, Neuwahlen zu vermeiden, sei dies nicht die Erfolgsgarantie für seinen königlichen Auftrag. Erfolg verspreche nur ein Durchbruch in der Beziehung zwischen Bart De Wever und Elio Di Rupo, um mutig einen historischen Kompromiss zu finden.
Doch kann Beke dieses Duo einander näherbringen, fragt sich der Leitartikler in Gazet van Antwerpen. Wolle er dies überhaupt? Einen Vorteil sieht der Kommentator der Antwerpener Tageszeitung allerdings auf der Seite von Wouter Beke: Es sei die letzte Chance. Jetzt müsse jeder Farbe bekennen: Nach ihm bliebe nur noch ein dritter Anlauf der Regierung Leterme. Beke, so der Leitartikler, müsse jetzt Klarheit darüber schaffen, wer in der nächsten Regierungskoalition sitzt, und wie man den Zankapfel BHV löst.
"Entlarvt" Wouter Beke die N-VA?
Beke und die CD&V würden endlich ins Rennen gehen, notiert Le Soir. Die Partei habe es getan, schreibt die Brüsseler Tageszeitung, ihr junger Vorsitzender habe dem Sprung ins Verhandlungsbecken zugestimmt. Auf der Suche nach dem Gral und ohne Zeitlimit. Es sei auch an der Zeit gewesen, so der Leitartikler von Le Soir. Wouter Beke verfüge allerdings jetzt über eine beeindruckende Waffe: Er habe die Macht, zu beweisen, dass er eine Staatsreform skizzieren könne, die von jedem, allen voran der CD&V, akzeptiert werde, von der N-VA und ihren Männern um Bart De Wever hingegen abgelehnt würde, was zeigen würde, dass diese Partei gar keinen Kompromiss wolle.
Davon, dass Wouter Beke jetzt an die Arbeit gehe, so schreibt Het Laatste Nieuws, sei die N-VA auch nicht besonders begeistert. Befürchte man bei den flämischen Nationalisten doch, dass Bekes Berufung einen Keil zwischen CD&V und N-VA treiben könnte, jene Parteien, die einst einen Listenverbund, ein Kartell, bildeten.
Eine neue Dreifaltigkeit
"Schon wieder eine Dreifaltigkeit", so der Leitartikler der Zeitung. Diesmal Wouter Beke mit Di Rupo und De Wever. Endlich habe Di Rupo die CD&V dort, wo die PS sie hinhaben wollte, am Steuerknüppel nämlich. In der Hoffnung, so Brüche im engen Verbund zwischen CD&V und N-VA zu verursachen. Nicht verwunderlich, dass De Wever und Co. der Anstellung Bekes durch den König nicht zugejubelt haben.
Für den Kommentator von Het Laatste Nieuws sind es derweil die Französischsprachigen, die den Willen nicht aufbringen, um mit der N-VA eine Einigung herbeizuführen. Wer das nicht einsehe, sei naiv.
Auch für De Morgen muss Wouter Beke gegen eine Menge Skepsis ankämpfen. Der Leitartikler von De Morgen glaubt deshalb auch nicht, dass durch Wouter Beke in Sachen Staatsreform und Regierungsbildung Fortschritte gemacht werden. Jeder Schritt des CD&V-Vorsitzenden werde nämlich mit Argusaugen aus strategischer Sicht von der N-VA beobachtet. Kein Grund zu euphorischem Optimismus also.
Für Het Belang van Limburg ist Wouter Beke dann wieder der letzte Trumpf, den König Albert ziehen kann. Beke sei der einzige Politiker gewesen, gegen den keine Partei ein Veto eingelegt habe, so Het Belang van Limburg.
Koekelbergs Reisen
Het Nieuwsblad bringt Wouter Beke ebenfalls auf die Titelseite, macht aber mit einer anderen Schlagzeile auf. Die betrifft Belgiens Polizeichef Koekelberg. Dessen Reise zu einem Treffen von Interpol in Katar letztes Jahr habe für seine siebenköpfige Delegation 92.000 Euro gekostet.
Gelockertes Bankgeheimnis
Das Wirtschaftsblatt L'Echo bringt zwar auch Wouter Beke auf Seite 1, informiert aber auch über eine weitere Lockerung des Bankgeheimnisses, das Steuerfahndern ihre Arbeit erleichtern soll.
Freitag - Streiktag
L'Avenir schließlich weist auf der Titelseite auf die angekündigten Streiks gegen das Rahmentarifabkommen hin, die morgen zu Beeinträchtigungen des öffentlichen Lebens führen können. Neben Supermärkten und Verkehrsmitteln dürfte auch die Zustellung der Zeitungen und der Post morgen beeinträchtigt werden.
Bild: Nicolas Maeterlinck (belga)