"Franzosen wollen nichts wissen von rechtsextremer Regierung", so der große Aufmacher von De Standaard. "Frankreich sagt 'Non' zu den Rechtsextremen", schreibt Het Nieuwsblad. "Frankreich - Rassemblement National 1:0 – die extreme Rechte in der zweiten Runde geschlagen", hält La Dernière Heure fest. "Linksbündnis überrascht bei Parlamentswahl", lautet die Überschrift des GrenzEchos. "Wider alle Erwartungen vereitelt die Linke die extreme Rechte", titelt La Libre Belgique. "Links unerwartet der große Gewinner, keine Mehrheit für extrem Rechts", fasst Het Belang van Limburg zusammen.
Die Taktik der republikanischen Front hat funktioniert, schreibt De Standaard in seinem Leitartikel: alle gegen den "Rassemblement National" (RN). Die Rechtsextremen haben nicht die befürchtete absolute Mehrheit holen können. Im Gegenteil: Wider alle Erwartungen landet die Partei von Marine Le Pen und Jordan Bardella sogar nur auf dem dritten Platz. Präsident Emmanuel Macron scheint mit seiner Taktik also doch Recht gehabt zu haben. Aber Euphorie ist nicht angebracht, denn der Rassemblement National legt trotzdem deutlich zu. Nicht über die Gründe dafür nachzudenken und keine Lehren für die Politik zu ziehen, könnte sich böse rächen. Außerdem bedeutet das Wahlergebnis nicht, dass das Puzzle einer Regierungsbildung einfacher geworden wäre. 2027 finden die nächsten Präsidentschaftswahlen statt. Bis dahin wird es spannend werden. Denn von einem instabilen Frankreich wird vor allem Le Pen profitieren. Auch in Europa wird man den Atem anhalten. Denn neben einem ungarischen Präsidenten, der sich weiter als Enfant terrible aufführt und rechten Niederlanden mit einer unerfahrenen Regierung, droht nun auch die deutsch-französische Achse ins Schlingern zu kommen, befürchtet De Standaard.
Wut und Probleme müssen resolut angegangen werden
Was für eine Wende!, kommentiert Le Soir. Das Wahlergebnis hat alle Vorhersagen Lügen gestraft: Die "Nouveau Front Populaire" ist größte Partei geworden, die Präsidentenpartei hat das Wichtigste retten können und der Rassemblement National ist trotz seiner Favoritenrolle nur auf Platz drei gelandet. Frankreich erwacht heute also mit den gleichen drei politischen Blöcken, aber nicht im erwarteten Kräfteverhältnis. Das Einzige, was aktuell sicher scheint, ist, dass der RN nicht regieren wird. Allerdings droht die Bildung einer neuen Regierung sehr schwierig zu werden. Das legen auch einige Reden nahe, die gestern Abend schon geschwungen wurden. Aber die nicht-rechten Parteien haben keine Wahl und eine Blockade ist auch keine Option gegenüber den Rechten. Diesen Sonntag haben Millionen Franzosen ihre Stimme einer rassistischen Partei mit beunruhigendem Programm gegeben. Wenn die Politik nicht resolut die Wut und die Probleme angeht, dann werden die Rechten noch eine glänzende Zukunft haben, mahnt Le Soir.
Das Aufatmen ist so groß, wie es kurz sein wird, ist La Libre Belgique überzeugt. Denn unsere Nachbarn werden wieder lernen müssen, wie man zwischen Parteien verhandelt. Wenn man sich die Reden von gestern Abend vor Augen hält, dann war das schon mal kein guter Start. Aber sie haben keine Wahl: Ein unregierbares Frankreich wird einen Sieg von Le Pen 2027 bedeuten, unterstreicht La Libre Belgique.
Was nun?
Die Erleichterung ist enorm, aber was nun?, fragt Gazet van Antwerpen. Parteien, die sonst nie zueinander gefunden hätten, waren zur Zusammenarbeit gegen Rechts gezwungen. Aber die Rekord-Wahlbeteiligung zeigt auch, dass der RN nicht nur durch taktisches Wählen verloren hat, sondern vor allem durch das starke Engagement der Wähler. Emmanuel Macron hat es mit seiner Schocktherapie also doch geschafft, dass die Franzosen begriffen haben, wie viel auf dem Spiel stand. Aber Macron hat wohl nicht mit dem großen Sieg der Linken gerechnet. Und Frankreich wird auch mehr als einfach nur eine neue Regierung brauchen. Finanziell ist die Lage prekär, Einsparungen und Reformen sind unumgänglich, erinnert Gazet van Antwerpen.
Zwei Drittel der Franzosen haben gestern gewählt - das ist Rekord für das 21. Jahrhundert, betont L'Avenir. Aber das ist auch das Einzige, worüber sich unsere Nachbarn freuen können. Das republikanische Schiff muss sich weiter durch ein braunes Meer kämpfen, das immer größer wird. In zwei Jahren haben Le Pen und Bardella die Zahl ihrer Abgeordneten quasi verdoppeln können. Dieser Trend droht auch bis zu den Wahlen 2027 weiterzugehen in diesem unregierbar gewordenen Land, prognostiziert L'Avenir.
Die Rechtsextremen haben Frankreich nicht in die Klauen bekommen, räumt Het Nieuwsblad ein. Wenn es hart auf hart kommt, stimmt Frankreich also gegen Le Pen und ihren Rassemblement National. So wie auch bei den Präsidentschaftswahlen. Uff. Aber man sollte nicht darauf spekulieren, dass das immer so sein wird. Es droht die Gefahr einer Gewöhnung an Rechts, warnt Het Nieuwsblad.
Von Belgien lernen
Es war ein Wahlgang unter Hochspannung, resümiert La Dernière Heure. Denn sein Ausgang hätte das Land zum ersten Mal in 80 Jahren nach rechts kippen lassen können. Aber es ist ganz anders gekommen. Was Frankreich jetzt braucht, ist ein Kompromiss à la belge, um eine neue Regierungskoalition zu bilden. Denn ohne klare Mehrheit wird Frankreich sonst so gut wie unregierbar bleiben, appelliert La Dernière Heure.
Die kleinen Belgier können der großen französischen Republik noch Einiges beibringen, scheint Het Laatste Nieuws in die gleiche Kerbe zu schlagen: Konfrontationen geht man politisch an. Gemeinsam Lösungen zu finden, ist eine Kunst. Ein glaubwürdiges Gegenangebot zu machen, kann sich lohnen. Die Rechten durch eine Änderung des Wahlsystems zurückdrängen zu wollen oder gar den Schwanz einzuziehen, ist hingegen ein Anzeichen von Schwäche, giftet Het Laatste Nieuws.
Boris Schmidt