"Die Briten strafen die Konservativen ab", titelt La Libre Belgique. "Briten weisen den Tories die Tür", heißt es im Aufmacher bei De Standaard. Die beiden Zeitungen berichten schon auf ihren Titelseiten über den Ausgang der Parlamentswahlen gestern in Großbritannien. La Libre Belgique greift das Thema auch in ihrem Leitartikel auf.
Die Zeitung führt aus: Das war ein Debakel mit Ankündigung für die Konservativen. Nach 14 Jahren an der Macht war den Tories die Luft ausgegangen. Sie waren gespalten, ohne Führung, ohne Ideen. Sie hinterlassen das Königreich in einem schlechteren Zustand, als wie sie es selbst 2010 bei der Machtübernahme vorgefunden hatten. Die strenge Haushaltspolitik hat den öffentlichen Dienst ausgehöhlt und einen großen Teil der Bevölkerung in die Armut getrieben. Nicht zu sprechen von dem Brexit, der dem Land keinen einzigen Vorteil gebracht hat. Die Arbeiterpartei, die jetzt übernehmen wird, wird es nicht schlechter machen können. Aber ihre Pflicht wird es sein, alles besser zu machen, behauptet La Libre Belgique.
Öl auf das Feuer
Le Soir blickt auf die Wahlen in Belgien zurück und hält fest: Es hat Unregelmäßigkeiten gegeben bei den Wahlen. 16- und 17-jährige Wähler, die eigentlich nur bei der Europawahl wählen durften, konnten ihre Stimmen auch für die Regional- und Föderalwahlen abgeben. Der Verdacht liegt nah, dass das die Wahl verfälscht hat. Gestern mussten die Abgeordneten in der Kammer das Wahlergebnis für rechtens erklären. Und wie durch ein Wunder schicken sich die Abgeordneten an, das auch zu tun. Es wäre gut, das anders zu regeln. Nicht die Betroffenen selbst, also die gewählten Politiker sollten Wahlen validieren, sondern eine unabhängige Kommission. Alles andere ist eine Gefahr für die Demokratie, warnt Le Soir.
Ähnlich kommentiert L'Avenir. In einer Zeit, in der die Demokratie sowieso schon unter Beschuss steht, ist diese Selbstlegitimierung der Abgeordneten Öl auf das Feuer der Kritik. Denn es sieht so aus, als ob hier eine weitere Episode der Vetternwirtschaft und fehlenden Transparenz vor den Augen der Öffentlichkeit stattfindet. Die ganze Prozedur zur Wahllegitimierung sollte anders gestaltet werden. Der Artikel 48 aus der Verfassung, in dem das geregelt wird, kann in der kommenden Legislatur geändert werden. Die Chance dazu sollte ergriffen werden, fordert L'Avenir.
Langes Warten und Kopfzerbrechen
Die Wirtschaftszeitung L'Echo meint zur künftigen Regierungskoalition in der Wallonie: Die MR und Les Engagés werden aller Wahrscheinlichkeit nach nicht die Politik führen können, die sie wollen. Grund ist die hohe Verschuldung der Region. MR und Les Engagés werden kaum Spielräume haben, ohne sich schnell unbeliebt zu machen. Einige ihrer Wahlversprechen, wie zum Beispiel die Reform des Erbschaftsrechts, werden auf der Strecke bleiben. Es sei denn, die neuen Regierungspartner werden bei den Sozialleistungen kürzen, was wiederum zu großer Unzufriedenheit führen wird. Der gangbarste Weg wird sein, im Verwaltungsapparat zu sparen. Doch wie man es dreht und wendet: Die Schulden werden eine große Last bleiben, prophezeit L'Echo.
De Tijd berichtet: Mehr als 2.000 belgische Unternehmen müssen länger als geplant auf das neue Handbuch warten, in dem alles zur Nachhaltigkeitsberichterstattung erklärt wird. Denn Belgien hat die neue EU-Richtlinie noch nicht umgesetzt. Für die Unternehmen ist das lange Warten nicht gut. Denn diese Berichte bedeuten einen Mehraufwand. Sprich: Man braucht mehr Personal und es wird mehr kosten. Es wäre gut, hier schnell Klarheit zu haben. Außerdem muss darauf geachtet werden, dass die neuen Vorschriften nicht zu kompliziert werden. Die Bemühungen um mehr Nachhaltigkeit sollten nicht zu Kopfzerbrechen führen. Denn das wäre kontraproduktiv für die Akzeptanz dieser durchaus sinnvollen Maßnahmen, betont De Tijd.
Rücktritt als sinnvolle Option
Gazet van Antwerpen schreibt zu US-Präsident Joe Biden: Die Diskussion um seine Kandidatur für eine weitere Amtsperiode geht weiter. Noch ist nichts entschieden. Und natürlich ist es riskant, jetzt zu einem so späten Zeitpunkt den Kandidaten zu wechseln. Aber am besten wäre es schon, wenn Biden sich die Forderungen von Demonstranten vor dem Weißen Haus zu Herzen nähme. Auf ihren Plakaten ist zu lesen: Wir lieben dich, Joe. Aber es ist Zeit, zurückzutreten, notiert Gazet van Antwerpen.
De Standaard rät: Biden sollte unter tosendem Applaus abtreten und seinen Platz einem jüngeren Kandidaten überlassen. Denn dann würde man nicht mehr über die Gesundheit eines 81-jährigen Mannes reden, sondern über die Erfolge von Bidens Politik und den Entscheidungen der Demokraten. Nicht nur die Demokraten und ihre Wähler würden dann aufatmen, sondern auch viele andere Menschen in der Welt, weiß De Standaard.
Kay Wagner