Alle Kommentatoren und Leitartikler können dabei nur feststellen, dass wirklich niemand mehr zu wissen scheint, wie es jetzt weitergehen soll.
Weitere Themen sind die Einführung einer Frauenquote für die Besetzung der Aufsichtsräte von börsennotierten Unternehmen, sowie die angekündigten Warnstreiks und ihre Folgen.
"Wer wird der nächste?" titelt Het Nieuwsblad. L'Echo hebt auf Seite 1 hervor, dass Informateur Didier Reynders "die Benennung eines Regierungsbildners für möglich" hält. Le Soir nimmt derweil seine Kritik vorweg und meint auf Seite 1: "Reynders kann den Nebel nicht auflösen".
Kakophonie für Informateur und neun Parteien
Informateur Didier Reynders hat gestern dem König seinen Abschlussbericht vorgelegt. Das Gespräch des MR-Politikers mit dem Staatsoberhaupt dauerte ganze zweieinhalb Stunden. Im Anschluss gab Reynders eine vierminütige Erklärung ab. Die war geprägt von einem relativen Optimismus. Demnach hält Reynders es für möglich, jetzt in wirkliche Verhandlungen zu treten, vielleicht sogar unter Federführung eines Regierungsbildners. Diese Auffassung wird aber längst nicht von allen Parteien geteilt, wie unter anderem L'Echo hervorhebt. Eher ist es so, dass die Kakophonie jetzt ihren Höhepunkt erreicht hat.
De Morgen notiert etwa: Der von Reynders an den Tag gelegte Optimismus steht in schrillem Kontrast zur politische Realität von gestern Abend. Tatsächlich herrscht absolute Uneinigkeit darüber, wie es jetzt weitergehen soll. Die Frage aller Fragen lautet: Wen soll der König jetzt mit einer gleich wie gearteteten Mission betrauen? Het Nieuwsblad fasst zusammen: Erst sollte es CD&V -Chef Wouter Beke werden, dann verlangte die PS, Beke einen Sozialisten zur Seite zu stellen. Dann wollte die N-VA mit der PS ein Tandem eingehen. Und dann hatten all diese Vetos plötzlich alles blockiert.
Angesichts dieses Gewurstels kann L'Avenir nur mit dem Kopf schütteln: Hier geht es nur noch um politisches Kalkül auf niedrigstem Niveau, Kindergartenspielchen. Es ist der geflügelte Wahnsinn. Spätestens seit gestern Abend regiert das Belgien des Macchiavelli.
Nie war das Misstrauen größer, bringt es Het Laatste Nieuws auf den Punkt. Von allen Seiten ist zu hören: "Ich soll dieses Minenfeld betreten? Nee, dank U - non, merci". Unter anderem La Libre Belgique geht denn auch davon aus, dass der heutige Tag von zähem Ringen zwischen den Parteien geprägt sein wird, dass der König wohl zumindest noch einmal die Präsidenten von N-VA und PS, De Wever und Di Rupo, anhören wird, bevor er über das weitere Vorgehen entscheidet.
Durchwachsenes Zeugnis für Reynders
Das Zeugnis von Didier Reynders fällt denn auch je nach Zeitung durchwachsen bis katastrophal aus. Die frankophonen Zeitungen Le Soir und La Libre Belgique können Reynders noch den einen oder anderen Erfolg bescheinigen. Man muss zugeben, so meint etwa Le Soir, dass Reynders es geschafft hat, dass insbesondere De Wever und Di Rupo wieder miteinander reden. Außerdem kann man nur feststellen, dass die CD&V endlich Bereitschaft signalisiert, die Arena zu betreten. Allerdings geht Reynders zu weit, wenn er die Zeit für die Benennung eine Regierungsbildners für gekommen hält. Damit will er eigentlich nur den Eindruck erwecken, er habe etwas erreicht.
Vielleicht hat Reynders De Wever und Di Rupo wieder an einen Tisch gebracht, räumt auch La Libre Belgique ein, allerdings wurde im Rahmen dieser Treffen nur das bestätigt, was wir schon wussten: Es klafft ein abgrundtiefer Graben zwischen den Positionen von Flamen und Frankophonen. Reynders muss zugeben, dass es nicht reicht, angeblich die Methoden zu ändern, um dann gleich die Maschine wieder in Gang zu bringen.
Auf flämischer Seite wird die Reynders-Mission noch deutlich kritischer bewertet. Was muss man feststellen, meint etwa Het Nieuwsblad: Nach einem Monat mit Informateur Didier Reynders wissen wir eigentlich weniger als vorher. Bis vor kurzem wusste man wenigstens, wie viele Parteien am Tisch sitzen. Jetzt herrscht auf dieser Ebene das absolute Chaos. Eine Konstellation mit sechs Parteien, mit sieben, mit neun: Keiner weiß es. Worüber verhandelt wird, ist ebenso wenig deutlich wie die Frage, wer jetzt das Heft in die Hand nehmen soll.
Gazet van Antwerpen bricht ihrerseits den Stab über Didier Reynders: Endlich ist der Sonnenkönig abgetreten. Reynders hat nichts erreicht, null Komma null. Zu behaupten, er habe De Wever und Di Rupo wieder zusammengebracht, stimmt im Übrigen auch nicht: Die Beiden haben sich in den letzten Monaten häufig gesehen, aber eben nicht vor den Kameras, die Reynders selbst so liebt.
Zur Frage, wie es jetzt weitergehen soll, meint L'Echo: Die CD&V hat doch eigentlich nichts zu verlieren. Die Umfragen sagen den flämischen Christdemokraten ein noch katastrophaleres Ergebnis als am 13. Juni voraus. Langsam müsste man doch bei der CD&V einsehen, dass die Position im Windschatten der N-VA ihr nichts gebracht hat.
Pro und Contra Frauenquote
De Morgen widmet seine Titelseite den politischen Plänen, eine Frauenquote für Aufsichtsräte börsennotierter Unternehmen einzuführen. Im zuständigen Kammerausschuss gab es dazu eine Mehrheit aus Christdemokraten, Sozialisten und Grünen. Demnach muss schrittweise dafür gesorgt werden, dass die Aufsichtsräte der großen Unternehmen zu einem Drittel aus Frauen bestehen. Die Meinungen dazu sind geteilt.
Het Laatste Nieuws kann der Maßnahme überhaupt nichts abgewinnen: Es wird nicht lange dauern, da wird es Frauen geben, deren einziger Beruf es ist, die Frauenquote in Aufsichtsräten umzusetzen. Der Staat hat sich aus der Besetzung der Aufsichtsräte herauszuhalten. In dieser Akte hat die Politik Gas gegeben. Diese Energie hätten die Politiker besser zur Lösung der eigenen Probleme verwandt.
De Morgen ist gegenteiliger Meinung: Alle gängigen Argumente gegen eine Frauenquote sind überholt. Es ist erwiesen, dass Frauen auf der Karriereleiter irgendwann an eine gläserne Decke stoßen. Aufsichtsräte sind geschlossene Männerclubs. Das führt zu Einheitsdenken und intellektueller Armut.
Chaos droht nach Streikaufrufen
Le Soir und La Libre Belgique schließlich beleuchten die für die nächsten Tage angekündigten Streikaktionen. Allen voran die sozialistische FGTB ruft ja für diesen Freitag aus Protest gegen das Rahmentarifabkommen zum Generalstreik auf. Le Soir rechnet mit einem Chaos, insbesondere in der Wallonie und in Brüssel.
La Libre Belgique berichtet ihrerseits über Pläne der FGTB-Metaller. Die wollen zum Anlass des EU-Gipfels am 24. März den Zugang nach Brüssel blockieren - als Reaktion auf den deutsch-französischen Vorstoß, nach dem die Lohn-Index-Bindung in Luxemburg und Belgien in Frage gestellt werden muss.
Archivbild: Bruno Fahy (belga)