"Extreme Rechte gewinnt erste Runde bei Wahlen in Frankreich", titelt De Morgen. "Verrückte Wette von Macron erweist sich als kontraproduktiv", schreibt De Standaard in seiner Schlagzeile. "Was für ein Fiasko", seufzt L'Avenir auf Seite eins.
Besonders die frankophonen Zeitungen kommentieren das gestrige Wahlergebnis in Frankreich auch in ihren Leitartikeln.
L'Avenir fragt: Hat der Präsident der Französischen Republik Emmanuel Macron wie ein Kind gehandelt, das in der Küchenschublade die Streichholzschachtel seiner Mama gefunden hat? Direkt nach den Europawahlen, die einen spektakulären Aufstieg von extrem Rechts gebracht hatten, hatte Emmanuel Macron entschieden, die Assemblée Nationale aufzulösen. Fast niemand hatte das damals verstanden. Das Fiasko ist heute total. Jeder dritte Wähler hat sich für den Rassemblement National von Marine Le Pen und Jordan Bardella entschieden. Die extreme Rechte könnte am Sonntag entweder eine relative oder sogar die absolute Mehrheit der Sitze erhalten, stellt L'Avenir fest.
Das gab es noch nie
La Libre Belgique meint: Dieser 30. Juni wird sicherlich in die Geschichte eingehen als das Vorspiel für den Triumph der Rechtsextremen in Frankreich. Der Wahlkampf von Macron hat nicht funktioniert. Er wollte den Franzosen klarmachen, dass man eine Regierung braucht, die pragmatisch handelt und verantwortungsvoll mit Geld umgeht. Aber die Themen, die den Wahlkampf dominiert haben und damit Frankreich umtreiben, waren Kaufkraft, illegale Einwanderung und Unsicherheit. Mit diesen Themen haben die Rechtsextremen zwölf Millionen Wähler geködert. Das gab es noch nie, bedauert La Libre Belgique.
La Dernière Heure notiert: Emmanuel Macron wird in die Geschichte eingehen als derjenige, der der Partei, die von Jean-Marie Le Pen gegründet wurde, die Tür zur Macht geöffnet hat. Nur die Franzosen selbst können das noch verhindern. Dafür wäre eine neue republikanische Front unabdingbar. Diese republikanische Front hat 2002 noch perfekt funktioniert, 2017 schon weniger und 2022 war sie kaum noch vorhanden. Heute scheint die Rechtsextreme die Kraft zu haben, den Durchbruch zu schaffen. Wie gesagt: Die Franzosen selbst haben ihr Schicksal in der Hand, erinnert La Dernière Heure.
Mit Victor Hugo geht es nicht
Gazet van Antwerpen beobachtet: Frankreich ist das nächste europäische Land, in dem Rechtsextreme die Wahlen gewinnen. Nährboden für den Erfolg dieser Parteien ist überall der Frust über die europäische Einwanderungspolitik und die Europapolitik im Allgemeinen. Wenn jetzt selbst der größte Verfechter der europäischen Idee – was Frankreich doch immer gewesen ist – von einer rechtsextremen und anti-europäischen Partei regiert werden sollte, würde der ganze Kontinent darunter leiden. Und das gerade in einem Moment, in dem europäische Einheit so wichtig ist wie noch nie, beklagt Gazet van Antwerpen.
Le Soir behauptet: Viele Wähler des rechtsextremen Rassemblement National stehen nicht unbedingt hinter dem Programm dieser Partei. Aber sie wollen einen Wechsel. Sie wollen etwas anderes als die bisherige Politik. Das Wahlergebnis von gestern ist das Resultat von jahrzehntelangen Verfehlungen der französischen Politikerklasse. Dieses Unter-Sich-Sein, die taktischen Spielchen, die großen Egos auf allen Ebenen der Hierarchie sind die Totengräber unserer Demokratie. Macron verkörpert diese Politikerklasse. Denn Nein, es ist nicht mit Victor Hugo, Voltaire und großen politischen Reden für ein Elitepublikum, dass man ein Land gut regiert. Sondern dafür muss man dem Volk zuhören, die Sorgen der Menschen ernst nehmen und die Sprache der Menschen sprechen. Die Rechtsextremen haben das – leider, tausendmal leider – perfekt verstanden, resümiert Le Soir.
Denk ich an Brasilien …
Das GrenzEcho notiert aus Anlass der Einsetzung des neugewählten Parlaments in der Deutschsprachigen Gemeinschaft heute Nachmittag: Um künftig die Legitimität der Gewählten zu erhöhen, und das Ganze nachvollziehbarer zu machen, gehört das Wahlsystem in der Deutschsprachigen Gemeinschaft auf den Prüfstand. Bei einem Urnengang, bei dem Personen eine wichtige Rolle spielen, sollten Vorzugsstimmen und nicht Listenstimmen für den Einzug ins Parlament entscheidend sein, regt das GrenzEcho an.
Im Achtelfinale der Fußballeuropameisterschaft in Deutschland spielt Belgien heute Abend gegen Frankreich. Het Laatste Nieuws meint: Der Weg ins Viertelfinale, wo dann wahrscheinlich Portugal mit Cristiano Ronaldo auf die Roten Teufel warten, führt über den Mont-Blanc. Die Mannschaft um Mbappé, Dembélé, Griezmann, und Co. ist eine große Hürde. Und natürlich ruft dieses Spiel Erinnerungen wach an den Juli 2018. Das Match gegen Brasilien bei der Weltmeisterschaft. Eine Nacht an die man sich erinnern sollte, heute Abend in Düsseldorf. Denn auch wenn viele Akteure sich geändert haben: Nichts ist unmöglich, auch heute nicht, unterstreicht Het Laatste Nieuws.
Kay Wagner