"Rote Teufel schließen die Reihen: 'Wir verdienen kein Pfeifkonzert'", titelt Gazet van Antwerpen. "Nach lauten Pfiffen in Stuttgart: 'Verhalten von Fans war übertrieben'", bringt das GrenzEcho ein anderes Zitat. "Rote Teufel: großes Unverständnis über die Fans", so auch Le Soir. "Spannungen zwischen Teufeln und Fans: Was jeder ändern muss – halten wir zusammen!", appelliert La Dernière Heure. "Vier Tage, um sich wieder aufzurichten", betont Het Nieuwsblad. "Tedescos zehn Gebote: Mut zeigen, cool bleiben und die französischen Schwachstellen ausnutzen", liest man bei Het Belang van Limburg.
Herrlich, wie Fußball doch immer wieder zur wichtigsten Nebensache der Welt wird, schreibt Gazet van Antwerpen in ihrem Leitartikel. Das offenbar wichtigste Thema gerade scheint für viele die Frage zu sein, ob die Roten Teufel nach ihrem trostlosen Unentschieden gegen die Ukraine noch die Fans hätten grüßen müssen. Das hätten sie allerdings in einem gnadenlosen Pfeifkonzert tun müssen. Frei nach dem biblischen Motto: Auch noch die andere Wange hinhalten. Als der englische Trainer sich nach blamabler Leistung vor die Fans gestellt hat, ist er prompt mit Bierdosen beworfen worden. Ein Akt wird mindestens noch folgen, Montagabend gegen Frankreich. Falls wir gewinnen, wird alles vergeben und vergessen sein. Verlieren wir, dann erwartet uns eine Flut düsterer Analysen. Wer will auch nur eine Minute davon missen?, fragt Gazet van Antwerpen.
Jeder muss seinen Job machen
Liebe Teufel, ihr seid nicht ausgepfiffen worden, weil ihr nichts getan habt, um Frankreich aus dem Weg zu gehen, kommentiert La Dernière Heure. Ihr seid ausgepfiffen worden, weil ihr euch geweigert habt zu spielen, weil ihr keinen Kampfgeist gezeigt habt und keinen Ehrgeiz. Weil ihr zwar gesprintet seid, aber nach hinten. Selbst wenn das Spiel mit einem 3:2 für die Ukraine ausgegangen wäre, ihr aber alles gegeben hättet, hätte es keine Pfeifkonzerte gegeben. Wenn der ultrakonservative Tedesco sich draufgängerischer gezeigt hätte, auch nicht.
Aber lasst uns nicht in die Wut-Falle tappen, jeder muss jetzt seinen Job machen: Ihr Teufel müsst alles geben, ihr Fans müsst anfeuern. Und dann wird alles vergeben werden, meint La Dernière Heure.
Kampf gegen organisierte Kriminalität prioritär
Ansonsten beherrscht aber vor allem die neue Gewalt in Brüssel die Schlagzeilen: Eine warme Nacht auf einer Brüsseler Café-Terrasse hat mit zwei Toten und zwei Schwerverletzten geendet, fasst De Standaard zusammen. Sie alle sind von einem Kugelhagel getroffen worden, abgefeuert aus einer Kriegswaffe von einem Roller aus. Als Motiv werden Kämpfe zwischen Kriminellen um den Brüsseler Drogenmarkt vermutet. Aber die Opfer waren wohl Unbeteiligte, die einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort waren.
Es ist auch nicht das erste Mal, dass so etwas passiert, das einzig Überraschende ist eigentlich, dass die Zahl unschuldiger Opfer bisher so niedrig geblieben ist. Wieder einmal zeigt sich der lokale Bürgermeister hilflos und ruft nach dem Föderalstaat. Aber das Offensichtliche bleibt unausgesprochen: 19 Bürgermeister, sechs Polizeizonen, eine Regionalregierung, zwei Sprachgruppen, zwei Gemeinschaftskommissionen und eine gemeinsame Gemeinschaftskommission – die politische Verantwortung ist heillos zersplittert. So kann man weder eine internationale Hauptstadt mit mehr als einer Million Einwohnern regieren noch die Drogenmafia bekämpfen, wettert De Standaard.
Eine Schießerei mehr auf einer schon sehr langen Liste, rekapituliert L'Echo. Und für viele ein weiteres Zeichen, dass die Hauptstadt zu einem mörderischen Dschungel geworden ist. Es überrascht nicht, dass die MR, die den Kampf gegen das allgemeine Gefühl der Unsicherheit zu ihrem Steckenpferd gemacht hat, bei den Wahlen so gut abgeschnitten hat. Aber dennoch sollte man einen Blick auf die Statistiken werfen. Ja, es gibt mehr Morde im Zusammenhang mit dem Drogenhandel. Aber die Gesamtzahl der Morde hat sich kaum verändert: Im Jahr 2000 wurden in Brüssel 37 Morde erfasst, 2023 waren es 40 – und das bei einer um 30 Prozent gewachsenen Bevölkerung. Die Kleinkriminalität – so traumatisierend sie für die Betroffenen auch ist – ist seit Jahren rückläufig. Und dennoch hat das Unsicherheitsgefühl zugenommen.
Die Behörden müssen den Kampf gegen die organisierte Kriminalität zu einer Priorität machen. Nicht nur um menschliche Dramen zu verhindern. Sondern auch, damit wir nicht in die Falle eines falschen Unsicherheitsgefühls gehen. Denn wohin das führen kann, das sehen wir gerade zum Beispiel in Frankreich, mahnt L'Echo.
"Vielen Dank, Monsieur le Président"
Auch De Morgen blickt nach Frankreich: Der Ausdruck "die Flucht nach vorne antreten" wird oft mit Bravour und Heldenmut in Verbindung gebracht. Die Realität lehrt aber, dass so ein Akt oft in einem gnadenlosen Blutbad endet. Der französische Präsident Emmanuel Macron ist gerade dabei, das herauszufinden. Nüchtern betrachtet könnte man sagen, dass das, was sich gerade bei unseren Nachbarn abspielt, nichts anderes ist als ein normaler, ja selbst gesunder demokratischer Machtwechsel. Das Problem ist aber, dass mittlerweile nur noch radikale oder populistische Alternativen zu Macron übriggeblieben sind. Falls die Rechtsextremen an die Macht kommen sollten in Frankreich, dann könnte das politisch, gesellschaftlich und wirtschaftlich riesige und desaströse Folgen haben. Und das könnten auch wir zu spüren bekommen. Vielen Dank, Monsieur le Président, giftet De Morgen.
Wer glaubt, dass das, was sich in Paris abspielt, weit weg ist, der irrt, warnt auch Het Belang van Limburg. Frankreich braucht eine stabile Regierung, um die schwere Schuldenkrise anzugehen. Gelingt das nicht, dann könnte das ganz Europa in seinen Grundfesten erschüttern. Die Wahl, vor der die Franzosen nun stehen, ist also wahrhaft historisch – und potenziell verheerend, befürchtet Het Belang van Limburg.
Boris Schmidt