"Nach anderthalbstündiger Audienz bei König Philippe: Bart De Wever wird Vor-Regierungsbildner", titelt das GrenzEcho. "De Wever muss als Vor-Regierungsbildner die Arizona-Koalition auf die Schienen setzen", schreibt L'Avenir. "Bart De Wever Vor-Regierungsbildner, in Richtung eines ersten Treffens zu fünft", fasst Le Soir zusammen. "Bart De Wever schaltet einen Gang höher", so Gazet van Antwerpen. "Bart De Wever 'Vor-Regierungsbildner': ein Zeichen, dass es vorwärts geht mit der Arizona-Mehrheit – aber langsam", betont La Libre Belgique.
Die vorsichtige Beförderung von Bart De Wever zum Vor-Regierungsbildner verrät uns, dass die Bildung einer föderalen Arizona-Koalition nicht unmittelbar bevorsteht, kommentiert Het Belang van Limburg. Dafür stehen die flämischen Sozialisten Vooruit und die frankophonen Zentrumshumanisten Les Engagés zu sehr auf der Bremse. In verschiedenen Dossiers gibt es zwar bereits große Übereinstimmungen, aber bei der Besteuerung großer Vermögen und möglichen Einsparungen im Gesundheitswesen herrscht absolute Uneinigkeit.
Vooruit scheint auch auf Zeit zu spielen, um mehr rote Akzente in das Regierungsabkommen zu bekommen. Ein weiteres Ziel könnte sein, doch noch die frankophone Schwesterpartei PS mit ins Boot zu holen. Vooruit hat nicht vergessen, dass die Sozialisten mit gebündelten Kräften in der Vergangenheit schon viel herausholen konnten bei Regierungsverhandlungen. Das Mitregieren der PS würde auch die mächtige sozialistische Gewerkschaft besänftigen. Außerdem würde das Vooruit und PS zur größten Parteienfamilie machen in einer Arizona-Koalition – wodurch sie Anspruch auf den Posten des Premierministers erheben könnten. Und last but not least: Auch Bart De Wever könnte davon profitieren, die PS mitzunehmen: Das würde der Koalition fast eine Zweidrittelmehrheit in der Kammer einbringen – und die ist notwendig für eine Staatsreform, analysiert Het Belang van Limburg.
Lieber die notwendige Zeit nehmen
Für Het Laatste Nieuws ist die Ernennung De Wevers zum Vor-Regierungsbildner politisches Marketing: Damit sagen die Verantwortlichen, dass sie zwar noch nicht bereit sind, zur nächsten Phase der Regierungsbildung überzugehen. Aber sie wollen auch nicht sagen, dass sie auf der Stelle treten. Dennoch sollte man festhalten, dass die Unterschiede zwischen den fünf potenziellen Partnern einer Arizona-Koalition vor allem in den Details liegen. Vielleicht müssen einfach zuerst die Regierungsverhandlungen in Flandern in eine Stromschnelle kommen, damit CD&V, N-VA und Vooruit zeigen können, wie eine "wärmere und bessere Politik" aussehen könnte, spekuliert Het Laatste Nieuws.
Das Wahlergebnis war ungewöhnlich klar, erinnert La Dernière Heure. Die Region Brüssel-Hauptstadt jetzt mal außen vor, freuten sich schon alle, dass es sehr schnell gehen könne mit den Regierungsbildungen. 18 Tage später ist diese voreilige Freude etwas gemäßigt worden. Aber man sollte auf keinen Fall von einem Scheitern sprechen. Es ist absolut legitim, dass Vooruit, Les Engagés und CD&V sich nicht vollkommen von MR und N-VA dominieren lassen wollen. Und in der Wallonie hat Maxime Prévot ebenfalls etwas Tempo aus dem Spiel genommen. Es ist gut, sich die Zeit zu nehmen, um die Sachen gut zu machen. Ansonsten kann wieder etwas so Wackliges wie die Vivaldi-Koalition herauskommen, warnt sinngemäß La Dernière Heure.
Brüssel kann sich keine lange Krise erlauben
La Libre Belgique blickt auf die schwierigen Regierungsverhandlungen in der Region Brüssel: Wir wussten, dass das kein Spaziergang werden würde – und wir sind nicht enttäuscht worden. Die Frage ist nun, ob es sich um eine echte Blockade handelt oder ob die verschiedenen Parteien einfach versuchen, bei den Verhandlungen mehr herauszuholen. Aber letztlich spielt das keine große Rolle. Wichtig ist nur, dass sich Brüssel keine lange Regierungskrise erlauben kann. Sich ewig hinziehende Verhandlungen machen die Gräben nur tiefer und befeuern die Politikmüdigkeit in der Bevölkerung, mahnt La Libre Belgique.
Keine Stärkung der Demokratie
Het Nieuwsblad greift die Probleme bei der elektronischen Stimmabgabe auf: Schon in einer sehr bescheidenen Stichprobe ist festgestellt worden, dass mindestens 2.171 Wähler die falschen Chipkarten erhalten hatten in den Wahlbüros. Dadurch konnten Minderjährige auch an der Wahl für die Kammer und das flämische Parlament teilnehmen, obwohl sie ihre Stimme eigentlich nur für die Europawahlen hätten abgeben dürfen. Das wirft ein schlechtes Licht auf die gesamte Organisation der Wahlen. Und es zeigt vor allem auch, dass die elektronische Stimmabgabe immer noch nicht fehlerfrei funktioniert. Man kann auch nicht mehr von Kinderkrankheiten reden, möglicherweise hat das teilweise tatsächlich einen Einfluss auf die Sitzverteilung gehabt. Gerade in Zeiten, in denen das Vertrauen in die Politik ohnehin schon niedrig ist, dürfen solche Fehler nicht passieren. In der Wallonie ist deshalb bereits flächendeckend wieder das Wählen mit Stift und Papier eingeführt worden. In den Niederlanden wird das ebenfalls so gehandhabt. Das mag zwar etwas rustikal erscheinen. Aber zumindest versteht jeder die Prozedur, der Spielraum für Fehler ist kleiner und notfalls kann von Hand nachgezählt werden. Warum müssen Systeme geändert werden, die doch funktioniert haben?, ärgert sich Het Nieuwsblad.
Die Ausweitung der Wahlpflicht auf 16-Jährige war schon immer eine schlechte Idee, ist De Morgen noch kategorischer. Nur naive Menschen glauben wirklich noch, dass die Stimmabgabe von Minderjährigen bei den Europawahlen die Demokratie stärkt. Das Gegenteil ist der Fall, das Misstrauen in die Demokratie hat dadurch sogar noch zugenommen. Und zu Recht. Deswegen sollte die nächste Mehrheit in der Kammer diese unsinnige Ausweitung der Wahlpflicht auch wieder zurücknehmen. Sie bringt nichts außer mehr Ärger, wettert De Morgen.
Le Soir vergleicht derweil die Lage in Frankreich mit der in Belgien: Aktuell kann man wieder deutlich sehen, welche Vorteile ein Verhältniswahlrecht wie in Belgien haben kann gegenüber einem Mehrheitswahlrecht wie in Frankreich. Natürlich bringt auch das Verhältniswahlrecht Probleme mit sich, siehe Vivaldi-Koalition und Frust der Bürger über diese Art der Mehrparteienregierungen. Aber auf der anderen Seite zwingt das Verhältniswahlrecht die Parteien auch zu Kompromissen, das verringert die Gräben zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen oder kann sie sogar verhindern, meint Le Soir.
Boris Schmidt