"Jeder zehnte Schüler ist zu Beginn der Sekundarschule noch Analphabet", titelt De Standaard. "Jedem zehnten Schüler fehlen Grundkenntnisse", so die Schlagzeile bei Het Nieuwsblad. "Zentraltest in Flandern deckt Schwachpunkte im Bildungssystem auf", notiert De Tijd auf Seite eins. Die flämischen Zeitungen beschäftigen sich mit dem Ergebnis eines Wissenstests. Schüler der vierten Klasse der Grundschule und der zweiten Klasse der Sekundarschule in Flandern wurden in einem erstmals durchgeführten Zentraltest auf ihre Fähigkeiten in Mathematik und Niederländisch geprüft.
Dazu kommentiert Het Nieuwsblad: Die Ergebnisse sind erschreckend. Selbst in der Sekundarschule haben ein Zehntel der Schüler noch nicht einmal die Grundfähigkeiten gelernt. Besonders schwierig sind die fehlenden Kenntnisse der niederländischen Sprache. Denn es sind diese Schüler, die in wenigen Jahren auf den Arbeitsmarkt kommen. Sollten die Lücken bis dahin nicht geschlossen sein, wären sie nicht einmal in der Lage, die Sicherheitsvorschriften des Unternehmens zu verstehen, in dem sie arbeiten sollen. Die Mängel im Bildungswesen zu bekämpfen, muss eine Toppriorität der neuen Regierung werden. Ein allumfassender Ansatz ist nötig, unterstreicht Het Nieuwsblad.
Het Laatste Nieuws erinnert: Die Einführung dieses Zentraltests war lange heftig umstritten. Gegen alle Widerstände seitens der Schulen hat Bildungsminister Ben Weyts den Test jedoch durchgeboxt. Bildungsexperten meinen, dass das die größte Leistung des Ministers war, denn der Test legt den Finger in die Wunde. Jetzt weiß man, wo man ansetzen muss, um etwas an den Schulen zu verbessern. Ein Problem zu erkennen, ist der erste Schritt. Jetzt muss der zweite folgen: die Probleme bekämpfen. Das wird ein langer und komplizierter Weg werden, prophezeit Het Laatste Nieuws.
Die Zahlen trügen
La Dernière Heure beschäftigt sich mit dem Elektroauto und meldet: Beim Blick auf die Zahlen kommt man schnell zu dem Ergebnis: Für das E-Auto läuft es gut in Belgien. Die Verkaufszahlen sind im Mai um 45 Prozent gestiegen. Das ist Platz drei im europäischen Vergleich. Alles super, oder? Eben nicht, denn die Zahlen trügen. Sie sind gepuscht durch die Kaufprämie in Flandern. 5.000 Euro bekommt man dort, wenn man sich einen vollelektrischen Neuwagen kauft. Die Flamen reißen sich um das Angebot. Doch was passiert, wenn eine derartige Förderung wegfällt, zeigt unser Nachbar Deutschland. Dort sind nach Ende der Förderung die Verkaufszahlen von E-Autos um 30 Prozent eingebrochen. Auch europaweit fallen die Zahlen zweistellig. Richtig rosig sieht es für das E-Auto nicht aus, resümiert La Dernière Heure.
Ganz Frankreich gegen Macron
Le Soir berichtet: Nach den Wahlen vom 9. Juni versammeln sich heute zum ersten Mal die neu gewählten Abgeordneten der Regionalparlamente von Brüssel und der Wallonie. Mehr als ein Drittel von ihnen wird das erste Mal den Eid als Abgeordneter ablegen. Ein frischer Wind – so könnte man hoffen. Viel hängt davon ab, wie die Abgeordneten ihre Aufgabe erfüllen. Sie sollten sich bewusst sein, dass sie nicht im Parlament sitzen, um eine ruhige Kugel zu schieben und von all den Vorteilen zu profitieren, die sie als Abgeordnete genießen, sondern dass sie als Abgeordnete einen Auftrag zu erfüllen haben. Dieser Auftrag lautet, den Willen der Bürger zu vertreten. Was passiert, wenn Abgeordnete und Politiker allgemein diese Aufgabe vernachlässigen, zeigt der Blick nach Frankreich. Dort sind die Bürger verbittert über ihre Politiker. Statt Demokraten haben jetzt Extreme das Oberwasser, warnt Le Soir.
Ebenfalls zu Frankreich bemerkt La Libre Belgique: Präsident Macron hat Frankreich mit der Auflösung der Nationalversammlung ins Chaos gestürzt. Mit den Neuwahlen wollte er wieder für Ordnung sorgen. Das Gegenteil hat er erreicht. Seit zwei Wochen hat sich quasi das ganze Land gegen Macron gestellt. Die Demokratie ist in einer großen Krise. Jeden Tag wird das Katastrophenszenario deutlicher, nämlich das Risiko, dass die extreme Rechte am kommenden Sonntag die absolute Mehrheit erreicht, fürchtet La Libre Belgique.
Böses Erwachen
L'Avenir stellt fest: Inhalte spielen bei dem Wahlkampf in Frankreich kaum eine Rolle. Rechtsextreme, Linksextreme und das, was von der Mitte übrig ist, scheinen eingekesselt in ihrer eigenen Welt. Man ist nicht für etwas, sondern gegen etwas. Und vor allem gegen Macron. Ein Trauerspiel für die Demokratie, bedauert L'Avenir.
De Standaard analysiert: Die Finanzmärkte schauen schon jetzt sorgenvoll nach Frankreich. Ähnlich wie Belgien ist das Land hochverschuldet und kriegt sein Haushaltsdefizit nicht in den Griff. Dass all die Versprechen der Extremen in Frankreich eigentlich nicht zu bezahlen sind, stört die Wähler zunächst nicht. Trotzdem wird es für sie wohl ein böses Erwachen geben. Denn wenn in Frankreich der Geldhahn plötzlich aufgedreht wird, droht eine neue Finanzkrise für den Euroraum. Und so bleibt festzuhalten: Am Sonntag hat in Frankreich der Bürger das Wort. Die Entscheidungen treffen die Märkte, weiß De Standaard.
Kay Wagner