"Mehr davon!" fordert Het Laatste Nieuws. "Wir glauben wieder dran", so die Schlagzeile von Het Nieuwsblad. "Ostbelgier feiern in Köln", schreibt das GrenzEcho auf Seite eins.
Nachfeiern ist heute angesagt: Fast alle Zeitungen kommen zurück auf das EM-Gruppenspiel der Roten Teufel vom vergangenen Samstag. Die Freude ist groß nach dem Sieg gegen Rumänien. Denn durch dieses 2:0 ist Belgien wieder im Spiel. "König Kevin führt die Teufel zum Sieg", schreibt Gazet van Antwerpen auf Seite eins. "Aber der Befreiungsschlag kam durch Youri Tielemans", glaubt Le Soir. Doch die Freude ist nicht ungebrochen: "Ein Sieg, aber doch noch viele Fragen", so etwa die Schlagzeile von La Dernière Heure. "Es war besser, aber die Teufel werden wohl noch einen Gang höher schalten müssen", ist L'Avenir überzeugt. Das letzte Gruppenspiel am kommenden Mittwoch ist in jedem Fall entscheidend. Im Moment haben alle Mannschaften in der Gruppe E drei Punkte. "Der letzte Spieltag wird zum Thriller", glaubt denn auch De Morgen.
Big Brother is VAR-ing you
Sogar der seriöse Standaard widmet seinen Leitartikel heute dem Fußball, genauer gesagt dem Videoassistenten. Dieser VAR hat von Anfang an polarisiert, meint das Blatt. Eigentlich muss man über Sinn oder Unsinn des Videobeweises nicht diskutieren. Krasse Fehlentscheidungen, die spielentscheidend sein können, werden dadurch zumindest theoretisch ausgeschlossen, denn letztlich bleibt es oft eine menschliche Interpretation. Grauzonen gibt es und wird es immer geben. Und hier treten die Gegner auf den Plan, denn bei allem Streben nach Transparenz scheint die Emotion auf der Strecke zu bleiben. Man traut sich ja kaum noch zu feiern, denn immer besteht die Gefahr, dass der Big Brother hinter den Kulissen das Tor doch noch aberkennt. Romelo Lukaku weiß ein Lied davon zu singen. Dennoch: In einer Welt, in der einem Millionen um die Ohren fliegen, bleibt es undenkbar, dass Besitzer oder Aktionäre von Fußballclubs ihre Rendite in die Hände eines fehlbaren Schiedsrichtertrios legen. VAR hin oder her: Fußball wird immer eine Achterbahn der Gefühle bleiben. Der Videoassistent macht das Ganze letztlich nur noch prickelnder.
Während sich alle Augen auf die Fußball-EM in Deutschland richten, arbeiten die Spitzenpolitiker des Landes derweil weiter an neuen Regierungskoalitionen. "Die Bildung einer neuen flämischen Regierung wird auch kein Sonntagsspaziergang", glaubt Gazet van Antwerpen in ihrem Kommentar. Auf den ersten Blick mag die Ausgangslage in Flandern weniger komplex anmuten als etwa auf der föderalen Ebene. Doch gibt es auch hier eine Reihe von potenziell gemeinen Fallstricken. Zwar hat der Wähler eine deutliche Koalitionsempfehlung abgegeben, doch wird es damit nicht einfacher, die Parteien unter einen Hut zu kriegen: N-VA, Vooruit und CD&V setzen nämlich in einigen Bereichen durchaus unterschiedliche Prioritäten. Die flämischen Sozialisten von Vooruit etwa fordern eine "wärmere" Gesellschaft und damit einen deutlichen Bruch mit der Vorgängerregierung. Der gehörten allerdings die N-VA und die CD&V an. Das alles nur um zu sagen, dass die Regierungsbildung kein Selbstläufer wird, auch wenn die Karten auch noch so günstig liegen mögen.
Ein Einhorn aus den Trümmern?
Genau das Gleiche gilt für die föderale Ebene, meint Het Belang van Limburg. Auch hier scheint sich die künftige Koalition fast schon aufzuzwingen. Grob gesagt wäre das eine sogenannte Spiegelregierung, also eine Zusammenlegung der regionalen Mehrheiten aus Flandern und der Wallonie. Diese Koalition aus N-VA, Vooruit, CD&V, MR und Les Engagés wäre nicht nur die logischste Kombination, sie hätte zudem eine komfortable Mehrheit: 82 von 150 Sitzen. Da gibt es nur einen Hemmschuh: die Staatsreform. Die Gretchenfrage lautet: Kann es Bart De Wever seiner Parteibasis verkaufen, dass eine grundlegende Neuordnung des Staatsgefüges wieder für fünf Jahre im Eisschrank landet? Fakt ist: Insbesondere die N-VA wird viel Wasser in ihren Wein gießen müssen. Der Weg ist noch lang. Hoffentlich nicht bis Weihnachten.
Het Nieuwsblad beschäftigt sich derweil mit dem Zustand der flämischen Liberalen OpenVLD. Die sind ja gerade auf der Suche nach einem oder einer neuen Parteivorsitzenden. Erst recht in Zeiten des Fachkräftemangels gehört das bestimmt nicht zu den begehrtesten Funktionen des Landes. Die Partei liegt nämlich in Trümmern und braucht einen wirklichen Neuanfang. Und weil insbesondere bei den flämischen Liberalen längst nicht alle Nasen in dieselbe Richtung weisen, muss da regelrecht ein Einhorn gefunden werden, dass all die verschiedenen Strömungen vereinen kann. Aber es gehört zur DNA der Liberalen, dass sie fast schon prinzipiell unverbesserliche Optimisten sind. Doch wie sagte weilend der CD&V Altmeister Herman Van Rompuy: Optimisten sind eigentlich schlecht informierte Pessimisten.
"Menschen sind keine Eier"
De Morgen schließlich beschäftigt sich mit der jüngsten Kontroverse um die renommierte Choreographin Anne Teresa De Keersmaeker. Ihr wurde zuletzt ein "toxischer Führungsstil" unterstellt, der zuweilen die Form von Psychoterror annehme. Anne Teresa De Keersmaeker hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt, urteilt die Zeitung. Die 64-Jährige gehört zu den größten lebenden Künstlern dieses Landes. Mit ihrem zeitgenössischen Tanz schaffte sie eine neue Ausdrucksform. Ihr Tanzensemble "Rosas" wurde zum weltweiten Epizentrum dieser neuen Kunst. Und genau hier gehen dann die Meinungen auseinander. "Von nichts kommt nichts", sagen da die einen. Um zu Weltruhm zu gelangen, bedarf es eiserner Disziplin. Doch sind die Grenzen - insbesondere die zum Machtmissbrauch - hier fließend. Muss man Menschen psychisch brechen, um sie zu Höchstleistungen zu bringen? "Man kann kein Omelett machen, ohne Eier aufzuschlagen", heißt es doch schließlich. Nun sind Menschen aber keine Eier und die Annahme, dass ein Lehrer, ein Chef oder ein Coach seine Schützlinge allein durch Angst und Erniedrigung zu Spitzenleistungen anspornen kann, ist längst überholt. Hier geht es jetzt nicht darum, Anne Teresa De Keersmaeker an den Pranger zu stellen. Es ist nur traurig zu sehen, dass starke, visionäre Geister plötzlich auch in der Vergangenheit verhaftet sein können.
Roger Pint