"Jetzt hoffen, dass es schnell geht", titelt Het Nieuwsblad. "Für De Wever kann es jetzt schnell gehen", so die Schlagzeile von Gazet van Antwerpen. "Bouchez will Gas geben", schreibt L'Echo auf Seite eins. "Bouchez und De Wever setzen ganz auf die schnelle Bildung von regionalen Regierungen", notiert De Standaard.
Das Wörtchen "schnell" liest man nahezu auf allen Titelseiten. König Philippe hat gestern mit seinen Konsultationen mit Blick auf die Bildung einer neuen Föderalregierung begonnen. Die Vorsitzenden von N-VA und MR, De Wever und Bouchez, arbeiten ihrerseits schon an neuen regionalen Mehrheiten. Der Weg scheint vorgezeichnet.
"Nach einem Tag scheint nur noch eine Koalition möglich zu sein", so bringt es De Tijd auf den Punkt. Dies vor allem, weil die PS und auch die Open VLD angekündigt haben, in die Opposition zu gehen. In Flandern steht ein Bündnis aus N-VA, Vooruit und CD&V im Raum; in der Wallonie sieht alles nach einer Koalition aus MR und Les Engagés aus. Für die föderale Ebene würde man diese fünf Parteien "zusammenrühren"! "Ohne die PS scheint es schnell gehen zu können", schreibt De Morgen auf Seite eins.
Le Soir glaubt seinerseits, einige Dilemmas zu erkennen. Die wichtigste Frage ist: Entscheidet sich De Wever für eine "schnelle Regierung" oder doch für eine Staatsreform?
Sowohl in der Mehrheit als auch in der Opposition
"Schneller Start, schwieriges Rennen", so fasst De Tijd in ihrem Leitartikel ihre Analyse zusammen. In der Tat scheint der Wähler die Konstellationen quasi vorgegeben zu haben. Im Norden wie im Süden des Landes zwingen sich die Koalitionen gewissermaßen auf. Es geht schnell und wirkt dadurch einfach. Aber das ist es nicht! Das erste Problem ist Brüssel. Hier kommt man an der PS quasi nicht vorbei; die frankophonen Sozialisten behalten also einen wichtigen Hebel. Das föderale Problem liegt in der Asymmetrie. Das derzeit im Raum stehende Szenario würde beinhalten, dass die flämischen Sozialisten und die frankophonen Liberalen jeweils ohne ihre Schwesterpartei ins Boot steigen müssten. Ergo: Sozialisten und Liberale säßen auf der föderalen Ebene sowohl in der Mehrheit als auch in der Opposition. Hinzu kommt, dass der Mangel an Alternativen dafür sorgt, dass jeder die Möglichkeit hat, die anderen in den Würgegriff zu nehmen. Der Vorteil der aktuellen Konstellation ist also zugleich ihr Nachteil.
De Morgen macht eine ähnliche Analyse. Im Grunde zwingt sich nur eine Koalition wirklich auf. Alle anderen wirken wie ein schnöder Plan B beziehungsweise wie Not-Szenarien. Dadurch werden alle Beteiligten genötigt, sich jetzt ganz schnell klar zu positionieren, um sich nicht unter Wert verkaufen zu müssen. Das gilt allen voran für die flämischen Sozialisten von Vooruit. Sie wären in der Konstellation mit N-VA, MR und den beiden Zentrumsparteien die einzige linke Partei. Auf die PS kann man nicht zählen, die will ja in die Opposition. Vooruit muss also aufpassen, nicht seine rote Seele zu verkaufen. Für De Wever bedeutet das auch nichts Gutes: Er muss mit einem linken Koalitionspartner leben. Weil die PS aber nicht dabei ist, kann er seine große, konföderale Staatsreform wohl vergessen.
Wolfsfallen und Heckenschützen
"Wie wird sich De Wever jetzt positionieren?", fragt sich auch Het Laatste Nieuws. Eines ist sicher: So günstig die Karten auch liegen mögen, für die N-VA gibt es eine ganze Reihe von Fallstricken. Bart De Wever verlangt viel: den Posten des Premierministers, um sozialwirtschaftliche Reformen durchzuführen, aber auch eine tiefgreifende Umgestaltung des Staatsgefüges. Im ersten Punkt muss er mit Widerstand von Vooruit rechnen, bei der zweiten Forderung mit Gegenwind von den frankophonen Koalitionspartnern. Es wird also nicht einfach sein, seinen Wählern am Ende eine zufriedenstellende Bilanz zu präsentieren.
Der Weg zur Rue de la Loi Nummer 16 ist gespickt mit Wolfsfallen und Heckenschützen, meint auch De Standaard. Auf der einen Seite fallen De Wever Chancen in den Schoß, mit denen nicht zu rechnen waren, allen voran der spektakuläre Rechtsruck in der Wallonie. Diese Chance ist aber zugleich ein Fluch: Eigentlich wollte De Wever doch mit der PS eine große Staatsreform ausbaldowern. Die Chancen dafür hätten mit den Sozialisten viel besser ausgesehen. Denn hier liegt der Hund begraben: Was wird aus der Staatsreform? Sollte die N-VA von dieser Forderung abrücken, dann müsste De Wever seine Strategie grundlegend ändern, dann müsste er zu einem klassischen "Teamplayer" werden. Die Regierungsbildung dürfte für den N-VA-Chef definitiv zu einer größeren Herausforderung werden als der Wahlkampf.
Der flämische Nationalist und der belgische Fahnenschwenker
"Die Gemeinschaftspolitik, das ist der Löwe im Raum", glaubt auch Le Soir. Inhaltlich mögen insbesondere N-VA und MR perfekt zusammenpassen; bei Themen wie Migration, Sicherheit oder auch der Wirtschafts- und Sozialpolitik ist man sich weitgehend einig. Diese heilige Allianz könnte allerdings mit dem gemeinschaftspolitischen Eisberg kollidieren, denn hier trifft Bart, der flämische Nationalist, auf Georges-Louis, der allzu häufig das belgische Fähnchen schwenkt. Schon am Wahlsonntag hat der MR-Chef versucht, der N-VA das Ganze anders schmackhaft zu machen, nach dem Motto: "Bart, ich liefere dir den Skalp der PS, und das allein ist gleichbedeutend mit einer Staatsreform". Ob das reichen wird, das muss sich noch zeigen. Davon abgesehen dürfen Bouchez und De Wever nicht vergessen, dass sie nicht alleine sind.
Alle Beteiligten müssen sich jetzt auf eine Gratwanderung einstellen, ist Het Nieuwsblad überzeugt. Die Sterne stehen zwar günstig, doch will sich auch niemand auf den Bauch legen. Da wird knallhart verhandelt werden müssen, aber so gehört sich das nun mal. Immerhin sieht es aktuell nicht nach einem Catenaccio aus. Niemand scheint sich in die eigene Hälfte zurückzuziehen und es auf eine Verlängerung anzulegen. Alle Beteiligten werden jetzt aber Augenmaß beweisen müssen: Harte Positionierungen können schnell zu Blockaden führen. Beispiele dafür gibt es in den letzten Jahrzehnten zuhauf. Im schlimmsten Fall endet das in einem traurigen Weltrekord in Sachen Regierungsbildung. Hoffentlich haben alle Akteure aus der Vergangenheit gelernt. Ein Tipp: Das Amt des Premiers muss nicht gegönnt werden, sondern man muss es sich verdienen.
Roger Pint