Die meisten Zeitungen widmen sich heute einmal mehr den Ereignissen in der arabischen Welt, vor allem der blutigen Niederschlagung der Proteste in Libyen. In ihren Kommentaren prangern viele Blätter die Scheinheiligkeit des Westens an, insbesondere auch Belgiens - denn nicht nur die Wallonie hat offenbar arabische Diktaturen mit Waffen beliefert.
Weiteres großes Thema ist die Mutmaßung eines "Royaltywatchers" über eine mögliche geheime Halbschwester von König Albert II.
"Gaddafi verbreitet Terror" titelt heute La Libre Belgique. De Standaard spricht auf Seite 1 von einem "totalen Krieg in Tripolis", Le Soir von einem "Massaker hinter verschlossenen Türen".
Tatsächlich bleibt der Welt weitgehend verborgen, was da gerade in Libyen passiert. Das Land ist fast völlig abgeschottet. Nur vereinzelte Augenzeugenberichte dringen nach außen. So zitiert De Standaard einen libyschen Aktivisten mit den Worten: Was wir hier erleben, ist unvorstellbar.
Bomben auf Demonstranten
Het Belang van Limburg bringt es mit einer Schlagzeile auf den Punkt: Gaddafi lässt die Demonstranten bombardieren. Ein möglicher Beleg für diesen Vorwurf ist die Aussage mehrerer libyscher Piloten, die aus ihrem Heimatland geflohen und auf Malta gelandet sind, wie unter anderem De Morgen bemerkt. Ihr Auftrag sei es gewesen, die Stadt Bengasi zu bombardieren.
Kommentierend meint dazu La Libre Belgique: Was Gaddafi von anderen Potentaten in der arabischen Welt unterscheidet, ist sein zweifelhafter Geisteszustand. Gaddafi flirtet mit dem Wahnsinn. Erst recht vor diesem Hintergrund braucht das libysche Volk jetzt Unterstützung von außen.
Einem Irren wie Gaddafi ist zweifellos alles zuzutrauen, meint auch De Standaard. Deswegen ist es allerdings auch illusorisch zu glauben, der Westen könne auch nur den Hauch von Einfluss auf die Ereignisse ausüben. Das allerdings hätte man auch schon wissen können, bevor man den Tyrannen von Tripolis wieder für salonfähig erklärte.
Gaddafi: vom Bock zum Gärtner
Auch Belgien ließ offenbar alle Bedenken fallen. Außenminister Steven Vanackere unterstützte noch vor einigen Monaten das Gesuch Libyens auf einen Sitz im UN-Menschenrechtsrat. Unter anderem in Het Nieuwsblad bringt Vanackere jetzt darüber sein Bedauern zum Ausdruck. Man habe sich wohl seinerzeit von Gaddafis angekündigten Reformen blenden lassen. Jetzt fühle er sich von Gaddafi verraten, sagt Steven Vanackere.
De Morgen widmet der Haltung Vanackeres einen Kommentar in eigener Sache. Als das Blatt vor einigen Monaten Vanackeres Unterstützung für Libyen anprangerte, reagierte der mit einer bissigen Presseschelte. De Morgen schrieb damals: Wer Gaddafi einen Sitz im UN-Menschenrechtsrat verschafft, der kann auch Marc Dutroux ein Mandat im Verwaltungsrat der Familienliga geben. Doch ist Vanackere ja in guter Gesellschaft, denkt man etwa an die wallonische Regionalregierung.
Den Kopf im libyschen Wüstensand?
In der Tat hat ja die wallonische Waffenschmiede FN Herstal bekanntermaßen auch Pistolen und Sturmgewehre nebst Munition nach Libyen geliefert. Unter anderem L'Avenir kommt heute auf seiner Titelseite auf den Deal zurück. Das Blatt hebt hervor, dass die wallonischen Waffen über eine weltweit einzigartige Charakteristik verfügen: Sie sind zu 100 % rückverfolgbar. Anders gesagt: Wann und wo die Waffen eingesetzt werden, kann gegebenenfalls ermittelt werden. Und weil das möglich ist, hat die wallonische Regionalregierung jetzt eine Untersuchung über den möglichen Einsatz der FN-Waffen gegen Demonstranten angeordnet. Vertraglich hatte man sich von Gaddafi nämlich ausdrücklich versichern lassen, dass die Waffen nur zur Sicherung von humanitären Transporten eingesetzt werden dürfen.
Das allerdings ist bestenfalls naiv, fügt L'Avenir kommentierend hinzu. Wer glaubt denn allen Ernstes, dass ein Mann wie Gaddafi sich an derlei Klauseln stört? Mit einem bisschen bösen Willen kann man der wallonischen Regionalregierung aber auch unterstellen, dass sie den Pilatus spielt. In jedem Fall ist eine neue Debatte über die wallonischen Waffenexporte überfällig.
Auch flämische Waffen für Diktaturen
Auch Het Laatste Nieuws und Gazet van Antwerpen bescheinigen den Wallonen Naivität. Kaum ist die Genehmigung von Waffengeschäften regionalisiert, da sind offensichtlich schon wallonische Waffenlieferungen an Diktatoren erlaubt, meint Het Laatste Nieuws bissig.
Für Gazet van Antwerpen glänzt die sonst so pazifistische PS jetzt durch Heuchelei und Scheinheiligkeit, steckt den Kopf in den Sand und versucht allen Ernstes, den Waffen eine humanitäre Zweckbestimmung anzudichten.
In diesem Zusammenhang lässt eine Meldung aufhorchen, die unter anderem in Het Nieuwsblad und De Morgen zu lesen ist: Demnach sind die arabischen Diktaturen auch voll von flämischen Waffen. Im vergangenen Jahr etwa hat die flämische Regierung vier Genehmigungen erteilt, für die Lieferung von militärischem Material an den Golfstaat Bahrain. Und dort wird auch auf Demonstranten geschossen, bemerkt De Morgen.
Noch acht Tage für Reynders
Viele Zeitungen beleuchten auch heute wieder die jüngsten Entwicklungen in der innenpolitischen Krise. L'Avenir etwa hebt die derzeit herrschende Kakophonie hervor, und das acht Tage bevor Informateur Reynders seinen Abschlussbericht vorlegen muss.
Für La Libre Belgique schlägt nun bald die Stunde der Wahrheit: In den nächsten Tagen muss sich entscheiden, wer mit wem, beziehungsweise ob überhaupt verhandelt werden kann.
Ingeborg: Halbschwester von Albert II.
Fast alle Zeitungen beschäftigen sich heute schließlich mit einer möglicherweise notwendigen Erweiterung des Stammbaums der Königsfamilie. "Der König hat eine geheime Halbschwester", titeln heute Het Laatste Nieuws und Het Nieuwsblad. Demnach soll Leopold III. eine Affäre mit einer belgo-österreichischen Eiskunstläuferin gehabt haben. Und aus dieser Liaison sei im Dezember 1940 mit Ingeborg Verdun eine Tochter hervorgegangen. Nach Informationen von Het Laatste Nieuws soll Leopold III. sogar bereit gewesen sein, für seine Eisprinzessin auf den Thron zu verzichten. Königin Elisabeth soll ihren Sohn aber dazu gezwungen haben, die Beziehung zu beenden.
Bild: Sabri Elmhedwi (epa)