"Historisches Urteil gegen Trump", titelt das GrenzEcho auf Seite eins. "Trump verurteilt: Das politische Erdbeben in den Vereinigten Staaten", so Le Soir. "Eine Gefängnisstrafe ist nun wirklich eine Möglichkeit", schreibt Het Nieuwsblad. "'Das kann wahlkampftechnisch echt ein Nachteil für ihn werden'", zitiert De Morgen einen Experten. "Kann Trump wiedergewählt werden, wenn er im Gefängnis sitzt?", fragt Gazet van Antwerpen. "Einen Tag nach seiner Verurteilung tritt Trump schon wieder wild um sich", hält Het Belang van Limburg fest.
34 Mal schuldig für 34 Vergehen eines ehemaligen US-Präsidenten, fasst Le Soir in seinem Leitartikel zusammen. So etwas hat es noch nie gegeben. Das ist eine Splitterbombe mit kurzfristigen und historischen Auswirkungen, mit politischen und moralischen Konsequenzen, mit lokalen und globalen Folgen. Es ist vor allem auch eine Bestätigung des Rechtsstaats, ein Sieg der Gerechtigkeit und ein großartiges Lebenszeichen der bedrohten amerikanischen Demokratie. Und ja, es ist auch ein Grund für enorme Erleichterung. Das Urteil zeugt auch vom unglaublichen Mut derjenigen, die es gefällt haben, trotz aller Anfeindungen und Drohungen der fanatischen Anhänger Trumps. Das Urteil wird auch die Polarisierung der amerikanischen Gesellschaft verstärken. Aber auch wenn es die Tür aufgestoßen hat in eine unbekannte Zukunft, es stellt eine grundlegende Rückversicherung für die Bürger dar, dass niemand über dem Gesetz steht. Und dass die Justiz darüber wacht, so Le Soir.
Gutes Urteilsvermögen erhofft
Trump ist der erste amerikanische Präsident, der strafrechtlich verurteilt worden ist, hebt La Libre Belgique hervor. Aber er ist noch nicht im Gefängnis. Er könnte in einem Berufungsprozess für unschuldig erklärt werden. Und selbst wenn er mit seiner Berufung scheitern sollte, könnte er mit einer Geldstrafe davonkommen. Nichts hindert ihn daran, zu kandidieren und gewählt zu werden. Die Amerikaner haben am 5. November also die Wahl zwischen einem unbeliebten scheidenden Präsidenten und einem vorbestraften Ex-Präsidenten. Hoffen wir, dass eine Mehrheit der Wähler ein ähnlich gutes Urteilsvermögen zeigen wird wie die Geschworenen in New York – im Interesse von Ethik und Politik, Respekt vor dem Gesetz und der Ehre der Demokratie, wünscht sich La Libre Belgique.
Trump ist nicht zu bändigen
Die Zukunft von Donald Trump ist nun mit einem größeren Fragezeichen versehen als je zuvor, ist De Standaard überzeugt. Aber es ist festzuhalten, dass ihm die Verurteilung binnen kürzester Zeit viele Millionen an zusätzlichen Spenden in die Wahlkampfkasse gespült hat. Daraus sollte man allerdings nicht automatisch schließen, dass ihm das Urteil einen Vorteil verschaffen wird im Wahlkampf. Denn bei diesen Spendern handelt es sich um bereits überzeugte Trump-Wähler. Wenn er die Wahl gewinnen will, muss er aber die Zweifler auf seine Seite ziehen. Welchen Einfluss seine Verurteilung hier haben wird, darüber kann man nur spekulieren. Was aber stimmt, das ist, dass das zusätzliche Geld seine Wahlkampfführung stärken wird. Denn bisher hatte Biden dafür viel mehr Geld. Das bedeutet, dass sich der Populist mehr Platz in den Medien kaufen kann, um seine Lügen, Verdächtigungen und Beschimpfungen zu verbreiten. Man kann nun zwar von einem Sieg des Rechtsstaats sprechen. Aber der Fall zeigt auch, dass selbst das nicht reicht, um Trump zu bändigen, unterstreicht De Standaard.
Viele Wähler, die Biden nicht sonderlich schätzen, haben am Donnerstag eine nachdrückliche und unmissverständliche Erinnerung daran erhalten, dass der angeschlagene US-Präsident möglicherweise das kleinere Übel ist, notiert das GrenzEcho. Auf den harten Kern der Trumpschen Anhängerschaft braucht Biden allerdings nicht zu hoffen. Nur gewinnt Trump alleine mit diesen Stimmen nicht das Rennen um die Präsidentschaft. Hinzu kommt, dass das Urteil es ihm schwerer machen dürfte, in anderen Wählersegmenten zu punkten. Trumps bisherige Strategie, sich als Opfer eines feindseligen Systems zu inszenieren, wird bei Teilen der US-Bevölkerung schlicht und ergreifend nicht verfangen, meint das GrenzEcho.
Auch Europa ist gefährdet
Allen Amerikanern, die sich um die Zukunft ihrer Demokratie sorgen, muss dieses Urteil die Augen öffnen, schreibt Het Nieuwsblad. Der Rechtsstaat kann standhalten, trotz aller Manipulationen, Bedrohungen und Lügen. Und trotz des Drucks eines Ex-Präsidenten. Der Rechtsstaat ist die letzte Verteidigungslinie. Deswegen greifen ihn Populisten überall auf der Welt auch an. Siehe Italien und Ungarn. Aber auch bei uns gibt es großen Druck. Etwa wenn gegen sogenannte "weltfremde Richter" gewettert wird. Oder wenn der Vlaams Belang die Verurteilung von Dries Van Langenhove einen "politischen Prozess" nennt. Genau das behaupten die Anhänger Trumps auch, erinnert Het Nieuwsblad.
Im Vergleich zu den Vereinigten Staaten wird in Europa noch in politische Institutionen investiert und gibt es hier noch eine politische Mitte, kommentiert De Tijd. Das wird sich auch trotz des zu erwartenden Rechtsrucks nach dem 9. Juni erstmal nicht ändern. Aber dennoch findet eine schleichende Untergrabung statt. Nicht mit dem Vorschlaghammer wie bei Trump. Siehe Ungarn: Unter dem Deckmantel der Demokratie werden Grundrechte beschnitten, politischen Gegnern Maulkörbe verpasst und werden unabhängige Richter, Medien, Nichtregierungsorganisationen und Akademiker eingeschüchtert. In den Niederlanden haben Spitzenbeamte die neue Regierungskoalition schon schriftlich gewarnt, dass einige ihrer geplanten Maßnahmen gegen die Verfassung verstoßen. Und bei uns hat der Verband der flämischen Anwaltskammer festgestellt, dass zahlreiche Punkte in den Wahlprogrammen den Rechtsstaat gefährden. Eine Woche vor den Wahlen zeigt das, wie wichtig es ist, an die Definition von Demokratie zu erinnern: Sie ist keine Diktatur der Mehrheit. Die Rechte von Minderheiten müssen beschützt und individuelle Grundrechte gewahrt bleiben. Ein Blick in die Vereinigten Staaten zeigt, dass diese Erinnerung notwendig ist, mahnt De Tijd.
Boris Schmidt