"Schuldig", titelt in großen Buchstaben Le Soir über einem Foto des amerikanischen Ex-Präsidenten Donald Trump. "Trump in Sache Stormy Daniels für schuldig befunden", meldet De Standaard. "Schuldig auf der ganzen Linie", halten Het Nieuwsblad und Het Belang van Limburg fest.
Die Nachricht, dass eine Jury Donald Trump wegen der Verschleierung der Zahlung von Schweigegeld an seine Ex-Geliebte und Pornodarstellerin Stormy Daniels in allen Punkten schuldig gesprochen hat, hat es zwar noch auf einige Titelseiten geschafft, aber nicht mehr in die Leitartikel. Die befassen sich stattdessen mehrheitlich mit dem belgischen Wahlkampf.
Mangels Themen, die alles beherrschen, ist es für die Politiker nun an der Zeit, Sachen auszuschließen und sich zu positionieren, hält La Dernière Heure fest. Und hier tut sich gerade Bart De Wever besonders hervor. Nachdem er zuerst eine Allianz mit dem Vlaams Belang ausgeschlossen hatte, beansprucht er jetzt den Posten des Premierministers. Andernfalls werde seine N-VA in die Opposition gehen. Dabei unterstreicht De Wever aber, dass er die Übernahme des Amtes vor allem als Opfer sieht angesichts der schlechten Haushaltslage des Landes. Wir sollten dieses Manöver De Wevers nicht unterschätzen: Es gibt keinen besseren Taktiker als ihn, er weiß, dass Flandern alles will außer eine Neuauflage der Vivaldi-Koalition. Aber wir sollten ihn auch nicht überschätzen: Bis jetzt hat De Wever mit seiner politischen Wette schmählich versagt, die er vor 20 Jahren eingegangen ist, meint La Dernière Heure.
Die magere Bilanz des Bart De Wever
Wird De Wever nach dem 9. Juni dann doch seinen sicheren Antwerpener Kokon verlassen, um die erdrückende Verantwortung in der Rue de la Loi 16 zu übernehmen?, fragt Het Belang van Limburg. Seine Forderung nach dem Posten des Premiers klingt jedenfalls voreilig. Vor fünf Jahren wollte De Wever auch Ministerpräsident Flanderns werden, am Schluss blieb er aber lieber in seinem sicheren Antwerpen und setzte Jan Jambon auf diesen Stuhl. Wird sich dieses Szenario nun wiederholen? Es gibt zumindest Gründe, daran zu zweifeln. De Wever begreift, dass das seine letzte Chance ist, um seinen gemeinschaftspolitischen Traum zu verwirklichen. Denn das ist der große Fleck auf seiner Ehre: Als größtes Talent seiner Generation hat De Wever hier nichts vorzuweisen. Eines ist jedenfalls sicher: De Wever wird sich nach den Wahlen mit den frankophonen Parteien an einen Tisch setzen müssen. Und er hat in einem Punkt recht: Die stärkste Partei sollte den Premier stellen, wir sollten uns von der schlechten Tradition der letzten Jahre verabschieden, so Het Belang van Limburg.
Auf der einen Seite ist De Wever unbestritten ein politisches Genie, dem niemand das Wasser reichen kann, weder in Flandern, noch in der Wallonie, kommentiert La Libre Belgique. Auf der anderen Seite hat der flämische Separatist nur eine ziemlich magere institutionelle und politische Bilanz vorzuweisen. Er ist ein Verlierer. Ein populärer Verlierer zwar, aber dennoch ein Verlierer. Die N-VA steht derweil vor enorm vielen Herausforderungen, sei es nun in wirtschaftlicher, gesellschaftlicher oder institutioneller Hinsicht. Um etwas zu erreichen, wird sie Wasser in ihren Wein tun müssen. Allerdings wird die Frage sein, ob Bart De Wever dazu in der Lage sein wird, gibt La Libre Belgique zu bedenken.
Manches sollte man erst nach der Wahl besprechen
Nach einer Wahl sind Verhandlungen über Koalitionen unumgänglich, gerade in Belgien, schreibt Le Soir. Aber das ist eben etwas für nach den Wahlen. Wenn Kandidaten sich vor dem Urnengang öffentlich darüber auslassen, dann hinterlässt das einen schalen Beigeschmack. Sie verkaufen quasi das Fell des Bären, bevor sie ihn erlegt haben. Für Wähler kann die Aussicht sehr frustrierend sein, dass ihre Stimme letztlich "verloren" gehen könnte. Das gleiche gilt für Postengeschacher, bevor überhaupt gewählt worden ist. Nichts ist schädlicher, als wenn sich die Wähler als Bauern auf einem Spielfeld fühlen oder wenn Parteien den Eindruck erwecken, ihre Versprechen zu brechen. Erinnern wir uns doch kurz an Charles Michel. Der hatte ja geschworen, nie mit der N-VA zu regieren. Nur um dann mit der MR als einziger frankophoner Partei in die Schwedische Koalition mit der N-VA einzutreten und Premierminister zu werden. Dieser Wortbruch hängt ihm noch immer nach, unterstreicht Le Soir.
Wo sind Korruption und Klima?
Het Laatste Nieuws fragt sich derweil, warum eigentlich der Kampf gegen Korruption kein großes Thema im Wahlkampf ist - und zwar bei keiner Partei. Der Grund könnte sein, dass es in der vergangenen Legislatur auf wirklich jeder politischen Ebene gerichtliche Untersuchungen und Verurteilungen gegeben hat. Es gibt kaum jemanden, der in diesem Kontext nicht selbst im Glashaus sitzt. Aber es ist ein strategischer Fehler, dass alle Parteien einen großen Bogen um das Thema machen, beklagt Het Laatste Nieuws.
De Tijd vermisst im Wahlkampf das Thema "Klima": Dass darüber quasi nicht gesprochen wird, ist eine der großen Überraschungen dieser Kampagne. Der Kontrast zu 2019 in dieser Hinsicht ist schlicht frappierend. Die schulschwänzende Klimajugend ist ersetzt worden durch Bauern mit Traktoren, die Brüssel lahmlegen. Andere Krisen haben für viele Menschen das Klima in den Hintergrund rücken lassen: Migration, Krieg an Europas Grenzen, die bröckelnde Globalisierung, der Haushalt, die Qualität des Unterrichts, Staus, Justiz und natürlich die Kaufkraft. Aber wenn vor fünf Jahren übertrieben wurde mit dem Fokus auf das Klima, dann wird jetzt in die entgegengesetzte Richtung über die Stränge geschlagen. Der Klimawandel ist eine Realität, die uns alle betrifft, siehe Überschwemmungen. Er verdient mehr Aufmerksamkeit in diesem Wahlkampf, fordert die Wirtschaftszeitung De Tijd.
Boris Schmidt