"Belgien engagiert sich für zehn Jahre an der Seite der Ukraine", schreibt Le Soir auf Seite eins. "Waffen für die Ukraine: Belgien legt einen Zahn zu", titelt das GrenzEcho.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj war gestern zu einem Blitzbesuch in Brüssel. Selenskyj und Premier Alexander De Croo unterzeichneten gemeinsam ein Kooperationsabkommen. Darin verpflichtet sich Belgien, die Ukraine für zehn Jahre mit militärischen und auch zivilen Mitteln zu unterstützen. Dazu gehört auch die Lieferung von 30 F-16-Kampfflugzeugen, wahrscheinlich bis 2028. "Jetzt plötzlich 30 Kampfflugzeuge statt der ursprünglichen vier: Ist das eine PR-Aktion oder ein wirkliches Engagement?", fragt sich La Libre Belgique auf Seite eins.
Einige Leitartikler appellieren jedenfalls an die Föderalregierung, ihre gestern gemachten Versprechen nun bitte auch einzuhalten. Europa muss Kreml-Chef Putin klar machen, dass wir es ernst meinen, meint etwa L'Echo in seinem Kommentar. Immerhin scheint der Westen inzwischen wieder aufgewacht zu sein. Nachdem die Unterstützung für die Ukraine in den letzten Monaten ins Stocken geraten war, haben die USA und auch die Europäische Union jetzt zweistellige Milliardensummen freigemacht, um dem Land in seinem Abwehrkampf gegen den russischen Aggressor zu helfen.
Ob das alles ausreichen wird, das muss sich allerdings noch zeigen. Die 30 belgischen F-16 sollen erst 2028 vollzählig geliefert sein. In vier Jahren ist es aber wohl zu spät. Die jüngsten Provokationen des Kremls insbesondere in der Ostsee zeigen jedoch: Putin wird Europa nicht in Ruhe lassen, bis man ihm entschlossen die Grenzen aufgezeigt hat.
Verschobene rote Linien
Der Westen wird allerdings bald an einem Scheideweg stehen, glaubt De Tijd. Spätestens, wenn die Ukraine über F-16-Kampfflugzeuge verfügt, wird es dem Land möglich sein, auch Ziele auf russischem Boden zu attackieren. Die Regierung in Kiew hat zuletzt immer wieder an die westlichen Unterstützer appelliert, dafür grünes Licht zu geben. Denn bislang bestehen allen voran Länder wie Deutschland oder Italien darauf, dass ihre Waffen nur auf ukrainischem Territorium eingesetzt werden dürfen. Inzwischen plädiert aber sogar schon Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg für eine Aufhebung dieser Beschränkung. Doch allen voran die USA zögert. In Washington befürchtet man, dass das zu einem offenen Konflikt zwischen Russland und der Nato führen könnte. Insbesondere Stoltenberg droht sich hier zu vergaloppieren.
Für L'Avenir ist das alles nur eine Frage der Zeit. In den vergangenen zwei Jahren haben sich die vermeintlichen roten Linien ein ums andere Mal verschoben. Noch vor einigen Monaten etwa hatte insbesondere die PS-Verteidigungsministerin Ludivine Dedonder noch eine Lieferung der belgischen F-16 an die Ukraine ausgeschlossen. Und auch in der Frage, ob das Einsatzgebiet westlicher Waffen nicht auf das russische Territorium ausgedehnt werden sollte, ist wohl noch nicht das letzte Wort gesprochen. Viel wird dabei davon abhängen, wie sich der Kreml in Zukunft positioniert und ob er seine Provokationen weiter fortsetzt.
Beste Feinde, sonst nichts Neues
Gleich, wie es kommt: Es wäre naiv zu glauben, dass das mutige belgische Engagement keine Gefahren birgt, warnt De Morgen. Noch am Montag hatte Putin eine deutliche Drohung ausgesprochen an die Adresse "kleiner, dicht besiedelter Länder in Europa", und dies für den Fall, dass deren Waffen am Ende in Russland landen. Das ist zwar zu einem erheblichen Teil nichts anderes als Propaganda-Getöse, man kann das aber nicht komplett ignorieren. So besteht etwa kurzfristig die Gefahr neuer hybrider Sabotageakte auch in Belgien. Eins müssen wir wissen: Je entschlossener wir uns auf die Seite der Ukraine stellen, desto schwieriger wird es, so zu tun, als stünde man nur an der Seitenlinie.
Einige Zeitungen analysieren auch das gestrige TV-Duell zwischen dem PS-Präsidenten Paul Magnette und dem N-VA-Vorsitzenden Bart De Wever. Angekündigt hatten die Privatsender VTM und RTL die Debatte als einen "großen Clash". "Und geknallt hat es tatsächlich", kann Het Nieuwsblad nur feststellen. De Wever und Magnette waren sich buchstäblich nur in einem Punkt einig, nämlich, dass der Vormarsch der russischen Armee in der Ukraine gestoppt werden muss. Ansonsten sind beide Parteichefs wieder in ihre gemeinsame Paraderolle geschlüpft, nämlich die des "besten Feinds des jeweils anderen". Soweit nichts Neues unter der Sonne.
Und doch gibt es einen Unterschied zu früher: Beide, die N-VA und die PS, schwächeln in ihrem jeweiligen Landesteil, sind dort längst nicht mehr allmächtig. Und weder der eine noch der andere können sich noch ernsthaft zum Sprecher ihrer jeweiligen Sprachgruppe aufschwingen. Die Zeiten, in denen De Wever und Magnette als die beiden Männer erschienen, die ein neues Belgien aus der Taufe heben konnten, diese Zeiten sind vorbei.
Punching-Ball für MR und Les Engagés
Het Laatste Nieuws macht eine ähnliche Analyse, zieht aber eine andere Schlussfolgerung. Ja, es stimmt: Beide, De Wever und Magnette, sind nicht mehr die zentralen Spieler auf dem Platz. Das bedeutet aber nicht, dass eine Staatsreform damit in weiter Ferne gerückt wäre. Auch auf der frankophonen Seite tut sich etwas. Bei der liberalen MR und auch bei Les Engagés hört man Stimmen, die nichts gegen mehr Verantwortung für die Teilstaaten hätten. Und sogar innerhalb der PS gibt es Leute mit ausgeprägt regionalistischen Positionen. Da kann Paul Magnette noch so stahlhart "njet" sagen zu einer neuen Staatsreform, gemeinschaftspolitisch bewegt sich mehr als wir denken oder gar für möglich hielten.
Einige frankophone Zeitungen beschäftigen sich schließlich mit dem gestrigen Auftritt der grünen Umweltministerin Céline Tellier im zuständigen Ausschuss des wallonischen Parlaments. Tellier musste den Abgeordneten wegen des wallonischen PFAS-Skandals erneut Rede und Antwort stehen.
Insbesondere die MR und Les Engagés haben sich offensichtlich entschieden, die Ecolo-Ministerin als Punching-Ball zu missbrauchen, giftet Le Soir in seinem Leitartikel. Konkret wurde Tellier vorgeworfen, die Resultate von Blutproben zurückzuhalten. Dabei war der aktuell geltende Zeitplan allen Parteien längst bekannt. Außerdem folgt die Ministerin hier nur den Empfehlungen unabhängiger Wissenschaftler. Die Liberalen und Les Engagés wollten offensichtlich nur den Skalp der grünen Ministerin. Auf die Gefahr hin, Panik zu schüren und Methoden anzuwenden, die an einen Donald Trump erinnern.
La Libre Belgique spricht ihrerseits von einer "Posse". Gestern im wallonischen Parlament stand alles im Vordergrund, nur nicht die Volksgesundheit. Mag ja sein, dass die Kritik an Tellier berechtigt war. Sollte sich das in den nächsten Monaten zeigen, dann wäre das das Ende ihrer politischen Laufbahn. Nur, sollte sie Recht behalten: Werden sich ihre Kritiker dann auch bei ihr entschuldigen? Unwahrscheinlich! Was bleibt, das ist der Eindruck eines sehr schmierigen Wahlkampf-Manövers.
Roger Pint