"Mobilitätsbudget für Arbeitnehmer wird vor allem für das Wohnen benutzt", titelt L'Echo. Die Wirtschaftszeitung ist die einzige, die mit diesem Thema aufmacht, es dafür aber auch in ihrem Leitartikel näher erklärt: Das Mobilitätsbudget, schreibt L'Echo, war eigentlich dafür gedacht, Arbeitnehmer dazu zu bringen, auf das Auto zu verzichten. Statt eines Firmenwagens sollten Mitarbeiter Geld bekommen, um damit den Weg zur Arbeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder einem Fahrrad zurücklegen zu können. Die Praxis sieht anders aus. 77 Prozent der Empfänger des Mobilitätsbudgets nutzen das Geld, um ihre Miete zu bezahlen oder den Wohnkredit zu tilgen. Das ist durchaus möglich, ist aber natürlich nicht im Sinne des Erfinders. Um diese Fehlentwicklung umzukehren, muss man groß denken und endlich eine grundlegende Steuerreform anpacken und umsetzen. Damit Unternehmen nicht mehr dazu verleitet werden, immer neue Steuernischen aufzutun, rät L'Echo.
Mitdenken gefordert
Auch Le Soir beschäftigt sich mit dem Thema Mobilität und stellt fest: Die Wallonie tut sich schwer damit, das Umsteigen vom Auto auf andere Fortbewegungsmöglichkeiten schmackhaft zu machen. Bessere Angebote im öffentlichen Nahverkehr kommen nur schwer in Gang, die Infrastruktur bleibt auf das Auto fokussiert. Viele Menschen gerade in ländlichen Gegenden sind weiter auf das Auto angewiesen, weil viele Dinge des täglichen Bedarfs wie Lebensmittelgeschäfte, Ärzte und Schulen nur im Nachbarort vorhanden sind. Deshalb braucht die Wallonie unbedingt eine breit angelegte Mobilitätsstrategie. Dabei darf der künftige Minister für Mobilität nicht allein gelassen werden. Auch in anderen Politikbereichen muss mitgedacht werden, damit Mobilität ohne eigenes Auto attraktiver wird in der Wallonie, fordert Le Soir.
La Libre Belgique schreibt zum aktuellen Wahlkampf: Bislang hat das Wahlfieber die Menschen noch nicht ergriffen. Das ist nicht verwunderlich, denn für viele Menschen ist die Politik zu kompliziert geworden. Andere wiederum glauben, dass sowieso schon alles entschieden ist. Und der objektive Blick auf die Finanzen in Belgien macht klar, dass der Spielraum für politische Gestaltung kaum gegeben ist. Trotzdem ist es quasi unsere Pflicht, uns für die Wahlen zu interessieren. Denn die Möglichkeit, unsere Gesellschaft durch unsere Stimme bei Wahlen selbst mitzugestalten, ist eine Errungenschaft, die wir würdigen müssen. Wer sich für die Wahlen interessiert, zeigt sich verantwortungsbewusst, betont La Libre Belgique.
Selbstgefälliges Schulterklopfen
La Dernière Heure bedauert: Viel zu wenig wird im Wahlkampf über die erschreckende finanzielle Lage Belgiens diskutiert. Staatsverschuldung und Haushaltsdefizit spielen keine Rolle. Beide sind aber so hoch, dass man im Grunde alle Versprechungen, die die Politiker uns jetzt machen, in den Wind schießen kann. Denn das Geld, um diese Versprechen zu verwirklichen, ist einfach nicht da. Besserung kann nur durch Reformen erreicht werden. Aber auch darauf werden wir im Wahlkampf nicht vorbereitet. Natürlich nicht, könnte man hinzufügen. Denn solche Reformen würden unweigerlich Verzicht bedeuten und wehtun. Welcher Politiker will mit solchen Botschaften schon Wahlkampf machen, fragt sinngemäß La Dernière Heure.
Het Nieuwsblad weiß: Beim Thema Kaufkraft klopft sich die Vivaldi-Regierung gerne auf die Schulter. Denn die Kaufkraft der Belgier sei gestiegen. Statistisch gesehen mag das stimmen. Aber für viele niedrige Einkommen stimmt das nicht. Und es sind genau diese Menschen, die sich jetzt von den Slogans extremer Parteien angezogen fühlen. Diese Menschen ertragen das selbstgefällige Schulterklopfen der Vivaldi-Parteien nämlich nicht. Diese Parteien täten gut daran, sich ihre Statistiken genauer anzuschauen und zu erkennen, was eigentlich alle längst schon wissen: Die automatische Indexanpassung ist vor allem gut für mittlere und höhere Einkommen. Ärmere Menschen bleiben arm, hält Het Nieuwsblad fest.
Auf dem Weg zum Paria
Gazet van Antwerpen berichtet: Die Zahl der Menschen, die 67 Jahre und älter sind, wird deutlich zunehmen in den kommenden Jahren. Im Mittelpunkt der Politik bleiben aber jüngere Menschen und Familien. Das wird unweigerlich zu Problemen führen. Denn schon heute gibt es viele Probleme für ältere Menschen, die nicht gelöst sind. Zum Beispiel: Einsamkeit im Alter, fehlende Plätze in Altersheimen, zu wenig Pflegepersonal. Je mehr Menschen älter werden, desto größer werden diese Probleme. Die Politik sollte ihren Fokus stärker auf diese Probleme richten, fordert Gazet van Antwerpen.
De Standaard notiert zum Konflikt im Gazastreifen: Für Israel ist es ein Drama, dass zurzeit Benjamin Netanjahu Premierminister ist und rechtsextreme Minister den Ton angeben. Sie glauben weiter daran, dass es gut ist, das dichtbesiedelte Rafah zu zerstören, um Israel zu retten. Das Gegenteil ist der Fall. Mit jeder Bombe, die auf Rafah fällt, wird Israel immer mehr zum Paria der internationalen Gemeinschaft, glaubt De Standaard.
Kay Wagner