"Der Unterschied zwischen 'arbeiten' und 'nicht-arbeiten' beläuft sich auf mindestens 500 Euro", titeln Het Nieuwsblad und Gazet van Antwerpen. Das ist das Ergebnis eines Faktenchecks der Universität Antwerpen. Hier geht es nämlich um ein zentrales Wahlkampfthema: "Arbeit muss sich wieder lohnen", fordern insbesondere die N-VA, die OpenVLD und auch Vooruit. Meist machen sie das an einer Zahl fest: Wer arbeitet, der sollte am Ende des Monats mindestens 500 Euro mehr in der Tasche haben als ein Erwerbsloser. Die Wissenschaftler haben sich die Situation einmal genauer angesehen und kommen zu dem Befund: In den allermeisten Fällen beläuft sich dieser Unterschied schon auf mindestens 500 Euro. Die Parteien rennen also eigentlich offene Türen ein.
"Zu arbeiten, das lohnt sich tatsächlich", unterstreicht denn auch noch einmal Het Nieuwsblad in seinem Leitartikel. Natürlich gibt es Einzelfälle, in denen das anders aussieht, und die dann auch schöne Schlagzeilen liefern. Aber in den allermeisten Fällen ist es so, dass Menschen, die im Arbeitsleben sind, bessergestellt sind. Natürlich herrscht da nicht überall eitel Sonnenschein. Teilzeitkräfte etwa können sich tatsächlich mitunter benachteiligt fühlen. Das größte Problem sitzt aber in den Köpfen der Menschen. Viele Arbeitnehmer fühlen sich ausgebeutet. Sie empfinden ihren Lohn - gemessen an ihrem Arbeitsaufwand - als zu niedrig. Über gewisse Probleme kann man also mit Sicherheit diskutieren, aber dann sollte dies bitteschön auf der Grundlage tatsächlicher Zahlen geschehen.
Eine Steuerreform ist nötig, reicht aber noch längst nicht aus
Es steht zu befürchten, dass einige Parteien die Ergebnisse der Studie jetzt ohnehin gleich wieder anzweifeln werden, glaubt Gazet van Antwerpen. Und natürlich wird sich immer ein Härtefall finden lassen, der beweisen soll, dass sich Arbeit tatsächlich doch nicht lohnt. Eine Steuerreform ist in der Tat überfällig, daran besteht wohl kein Zweifel. Wer allerdings glaubt, dass man damit alle Nicht-Erwerbstätigen mit einem Mal ins Arbeitsleben locken kann, der denkt zu kurz. Langzeitkranke etwa werden doch nicht einfach in ihren Job zurückkehren, nur weil sie ein paar Euro mehr bekommen. Schulabbrecher in die Arbeitswelt zu integrieren, würde dadurch auch nicht einfacher. Und alleinerziehende Mütter kann man nur überzeugen, wenn man eine funktionierende Kinderbetreuung anbieten kann. Das alles nur um zu sagen: Hier geht es längst nicht nur ums Geld. Die Parole "mindestens 500 Euro", greift zu kurz.
Zukunft des Rentensystems: Über alles muss geredet werden
Het Laatste Nieuws vermisst im Wahlkampf nach wie vor eine Debatte über die Zukunft des Rentensystems. Vor fünf Jahren noch waren die Pensionen ein Thema. Da hatte etwa die N-VA die Absicht, das Renteneintrittsalter noch weiter steigen zu lassen. Der Wähler hat’s den Nationalisten nicht gedankt. Erst recht vor dem Hintergrund, dass die Wähler statistisch betrachtet immer älter werden, haben offensichtlich jetzt alle ihre Lektion gelernt. Das Resultat: Das Thema Pension kommt jetzt gar nicht mehr vor. Das ist aber ein gefährlicher Irrweg. Man kann doch nicht über die erbärmliche Haushaltslage reden und gleichzeitig über die Pensionen schweigen. Nur eine Zahl: Der Föderalstaat steckt jährlich 50 Milliarden Euro in die Soziale Sicherheit. Das System trägt sich längst nicht mehr selbst. Und das kann nur noch schlimmer werden. Aus Angst vor den älteren Wählern schweigen die Parteien. Sie verlieren damit allerdings die 20- bis 50-Jährigen, die am Ende die Zeche zahlen müssen.
Die Ideologie des Vlaams Belang bleibt dieselbe
Auch Le Soir befasst sich mit Wahlprogrammen, im vorliegenden Fall mit dem des rechtsextremen Vlaams Belang. Das sei schlicht und einfach "verfassungswidrig", so der Befund auf Seite eins. Die Zeitung ist auf eine ganze Reihe von Maßnahmen gestoßen, die schlichtweg nicht mit dem Grundgesetz zu vereinbaren seien. Oft gehe es da um Diskriminierung und Ausgrenzung.
"Jetzt haben wir es nochmal schwarz auf weiß: Der Vlaams Belang ist tatsächlich eine lupenreine rechtsextremistische Partei", analysiert Le Soir in seinem Leitartikel. Man muss nur das Wahlprogramm der Partei lesen, um zu dem Schluss zu kommen, dass sich hinter dem geleckten Äußeren und dem ehrbaren Auftreten immer noch dieselben alten Rezepte und Dämonen verstecken, die Europa schon einmal in die Katastrophe geführt haben. Der Vlaams Belang macht nur nicht mehr den Fehler, sich ausdrücklich über Hautfarbe oder Rasse auszulassen. Die Quintessenz der Ideologie bleibt aber dieselbe. Die Wähler sollten mal genauer hinschauen, um zu wissen, mit wem sie es zu tun haben.
"Hass ist angelernt"
Dazu passt die Schlagzeile von De Standaard: "Le Pen bricht mit der AfD nach SS-Verharmlosung; der Vlaams Belang wartet ab", schreibt das Blatt. Der ohnehin schon umstrittene AfD-Politiker Maximilian Krah hat in einem Interview mit der italienischen Zeitung La Repubblica erklärt, dass nicht alle SS-Mitglieder automatisch Verbrecher gewesen seien. Die französischen Rechtextremisten RN wollen jetzt die Zusammenarbeit mit der AfD im EU-Parlament beenden. Der Vlaams Belang will hier noch keine definitive Entscheidung treffen.
De Morgen schließlich beschäftigt sich ebenfalls mit dem Vlaams Belang und allgemeiner mit dem Problem der zunehmenden Polarisierung. "Man mag es kaum glauben, aber es gibt ihn noch, den gemäßigten Belgier", meint das Blatt. Eine von vier Universitäten durchgeführt Studie zeigt, dass sich die Polarisierung in Belgien noch in Grenzen hält. Sie sei jedenfalls längst noch nicht auf dem Niveau von Frankreich oder den Niederlanden, geschweige denn der USA. Anders ausgedrückt: Unterschiedliche politische Meinungen hindern die Belgier noch nicht daran, weiter miteinander zu reden. Da gibt es nur eine Ausnahme: Wähler des Vlaams Belang empfinden durchaus eine Aversion gegen Sympathisanten anderer Parteien. Es gibt also doch eine ansehnliche Zahl von Flamen, die im Wesentlichen damit beschäftigt sind, andere zu hassen, und die dafür selbst auch gehasst werden. Besagte Studie sagt dazu, dass Menschen nicht "von selbst" in eine solche Grundhaltung verfallen. Vielmehr werde dieser Hass eben vom Vlaams Belang gezielt geschürt. Wie schrieb auch schon der ehemalige EU-Kommissar Frans Timmermans: "Hass ist angelernt".