"Die rechteste Regierung in der Geschichte der Niederlande", kündigt L'Echo auf Seite eins an. "Wie rechts ist das rechteste niederländische Kabinett aller Zeiten?", fragt De Morgen. "Die Niederlande entscheiden sich für die 'strengste Asylpolitik aller Zeiten'", hebt Het Laatste Nieuws hervor. "Rechtsaußen Wilders kündigt radikalen Kurswechsel an – rechtsgerichtete Regierung will in der Asylpolitik hart durchgreifen", liest man beim GrenzEcho. "Nach Jahren des Stimmens für Rechts werden die unzufriedenen Niederländer bedient, zumindest vorläufig", schreibt De Standaard.
Nach Italien bekommt mit den Niederlanden also das zweite Land der sechs Gründungsmitglieder der Europäischen Union eine von Rechtsextremen dominierte Regierung, kommentiert L'Echo. Das Programm, auf das sich die vier Parteien geeinigt haben, ist aus gleich mehreren Gründen beunruhigend: Abschottung und die Zerstörung des Europäischen Konstrukts sind sicher keine positiven Signale. Genauso wenig wie den Bauern den Vorzug zu geben vor dem Klima. Und dann ist da noch die Frage, wie lange sich Geert Wilders zurückhalten wird. Wobei er ja zumindest in puncto Migration so ziemlich alles bekommen hat, was er wollte. Allerdings sollte man auch nicht unterschlagen, dass es in einem Rechtsstaat Schutzmechanismen gibt, zum Beispiel, was die Grundrechte angeht. Zweitens sollte man auch nicht den Einfluss der starken niederländischen Wirtschaft unterschätzen. Sie könnte durchaus mit der Faust auf den Tisch hauen, wenn sie den Wohlstand des Landes durch identitäre Politik bedroht sieht. Die Niederlande treten jedenfalls in eine neue Ära mit vielen Unbekannten ein. Die europäischen Partner müssen darüber wachen, dass dieser Weg nicht zum Abbau von Rechtsprinzipien und des Europäischen Projekts führt, mahnt L'Echo.
Keine inspirierende Zukunftsvision
Het Belang van Limburg geht auf das Regierungsabkommen ein: Im Zentrum steht die sogenannte "strengste Asylpolitik aller Zeiten". Das bedeutet: Auf unbestimmte Zeit keine Gewährung von Asyl mehr, kein automatischer Familiennachzug und doch keine verpflichtende Verteilung von Flüchtlingen auf das ganze Land. Bestandssicherheit ist ein anderer großer Punkt mit weniger Steuern auf Arbeit, bezahlbaren Wohnungen, kostenloser Kinderbetreuung und einer Halbierung des Eigenanteils bei den Gesundheitskosten. Dann soll auch die Stickstoffpolitik deutlich abgeschwächt werden, es soll keine erzwungene Reduzierung der Viehbestände und Agrarflächen geben. Stark umweltverschmutzende Betriebe sollen nicht mehr für ihren CO2-Ausstoß zahlen und auf den Autobahnen darf wieder mit bis zu 130 km/h gefahren werden. Außerdem sollen 25.000 Beamtenstellen abgebaut werden und muss der öffentlich-rechtliche Rundfunk pro Jahr mit 100 Millionen Euro weniger auskommen, also einem Zehntel weniger, zählt Het Belang van Limburg auf.
Das neue niederländische Kabinett will bei der Europäischen Kommission beantragen, aus der gemeinsamen Asyl- und Migrationspolitik auszusteigen, hält Gazet van Antwerpen fest. Die Antwort Europas wird aber "Nein" lauten. Das Gleiche gilt für die Stickstoffpolitik. Die Regierungspartner in Den Haag bleiben nämlich eine Antwort schuldig auf die Frage, wie sie denn dann den Stickstoffausstoß reduzieren wollen. Das Regierungsabkommen ist also alles andere als eine inspirierende Zukunftsvision. Es erweckt eher den Eindruck von etwas, das mit Mühe und Not zusammengehalten wird. Hoffentlich ist das kein Vorbote für das, was Belgien nach dem 9. Juni erwartet, so Gazet van Antwerpen.
Größter Unsicherheitsfaktor: Wilders
Die Arbeitsweise der künftigen Regierung erscheint zumindest abenteuerlich, findet De Tijd. Mehr noch, sie gleicht einem Rezept für eine vorprogrammierte politische Katastrophe. Ob es so weit kommt, wird die Zukunft zeigen müssen. Aber jedenfalls brauen sich schon jetzt viele dunkle Wolken zusammen: So ist beispielsweise nicht klar, ob überhaupt genug Geld da ist, um all die neuen Vorhaben zu finanzieren. Dann drohen Konflikte mit der Europäischen Union und Verstöße gegen internationales Recht. Der größte Unsicherheitsfaktor ist aber Geert Wilders selbst: Auch wenn er nicht Premier wird: Als Schattenpremier kann er jederzeit den Stecker ziehen, unterstreicht De Tijd.
Ist es wirklich so nobel von Wilders, dass er als großer Gewinner der Wahl auf den Posten des Premiers verzichtet?, fragt De Morgen. Oder ist es nur ein nützlicher Trick, um quasi mit unbefleckter Empfängnis an das Kind zu kommen? Es werden ja die Kabinettsmitglieder sein, die die Kastanien aus dem Feuer holen müssen, während er von der Seitenlinie aus weiter mit dem Brandbeschleuniger spielen kann. Für Wilders ist dieses Arrangement natürlich sehr bequem, keine Frage. Ob das aber zu einer konstruktiven Politik beiträgt, ist eine andere Frage, zweifelt De Morgen.
Die vielen Strategien der Rechtsextremen
Ein Blick auf die Niederlande zeigt, dass die Rechtsextremen viele verschiedene Strategien in ihrem Arsenal haben, um an die Macht zu kommen, schreibt La Dernière Heure. Technokraten-Regierung, "gemischte" Regierung oder eine Unterstützung von außen, ohne selbst mitzuregieren – Möglichkeiten gibt es viele. Deshalb sollten wir uns für den befürchteten neuen "Schwarzen Sonntag" auch nicht ausschließlich auf die Frage konzentrieren, ob die N-VA jetzt mit dem Vlaams Belang in See stechen könnte oder nicht. Es ist von größter Bedeutung, dass unsere Parteien schon jetzt klare Ansagen machen und die Karten auf den Tisch legen, was den künftigen Umgang mit dem Vlaams Belang angeht. Um zu verhindern, dass die Rechtsextremen durch die Hintertür an die Macht gelangen, fordert La Dernière Heure.
Boris Schmidt