"Wahlversprechen: Was sie kosten und bringen – Planbüro durchleuchtet Wahlprogramme der Parteien", fasst das GrenzEcho auf Seite eins zusammen. "Gibt es eine Partei, die unseren Haushalt retten kann?", fragt La Dernière Heure. L'Echo scheint darauf zu antworten: "Kein Parteiprogramm bringt das Defizit zurück unter drei Prozent", liest man hier. "Keine einzige Partei bekommt den Beschäftigungsgrad auf 80 Prozent", beklagt De Tijd. "Vor allem die Mittelschicht gewinnt bei den Wahlvorschlägen, stellt das Planbüro fest", merkt Het Nieuwsblad an.
2019 hat das Planbüro die Wahlversprechen der Parteien zum ersten Mal durchgerechnet, erinnert De Standaard in seinem Leitartikel. Schon damals warnte das Planbüro vor dem Kater nach den Wahlen, weil keine einzige Partei das Problem des Haushaltsdefizits löste. 2019 betrug das Haushaltsdefizit aber nur 2,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Heute stehen wir, auch dank Pandemie, Krieg und Energiekrise, bei 4,4 Prozent. Das hätte die Zahl sein müssen, die alle Parteien in den Mittelpunkt ihrer Wahlprogramme hätten stellen müssen. Aber auch wenn die Berechnungen des Planbüros vieles deutlicher herausarbeiten, ein klares Endbild liefern sie uns nicht. Schuld daran ist die Methodologie: Jede Partei durfte sich aussuchen, welche ihrer Vorschläge durchgerechnet werden sollten. Das Ganze hat also etwas von einem Wettkampf, in dem jeder Teilnehmer die Disziplin macht, in der er glänzen kann. Eine objektive Basis zum Vergleichen ist das nicht. Was ebenfalls gefehlt hat, das war ein verbindlicher Haushaltsrahmen für die Übung. Denn den gibt es mit den europäischen Budgetregeln. Dieser Tatsache wird keine Partei mit Regierungsambitionen nach dem 9. Juni entkommen können, warnt De Standaard.
Nicht perfekt, aber durchaus nützlich
Politiker werfen sich im Wahlkampf ja gerne Zahlen an den Kopf, kommentiert Het Nieuwsblad. Jetzt können sie das zumindest mit fundierteren Zahlen machen. Allerdings hat das Planbüro nicht die kompletten Wahlprogramme der Parteien durchgerechnet, sondern jeweils nur bis zu 30 ausgewählte Maßnahmen. Hinzu kommt, dass die flämische Verwaltung nicht mit dem Planbüro zusammengearbeitet hat. Das bedeutet, dass die Bezifferung von Maßnahmen, die mit Zuständigkeiten zu tun haben, oft nicht oder nur grob durchgeführt werden konnte. Das macht die Einschätzung natürlich schwammiger, als es die kurzen und knackigen Zusammenfassungen suggerieren, merkt Het Nieuwsblad an.
Einige Parteien haben sich während der Berechnung entschieden, bestimmte Maßnahmen zurückzuziehen, hebt Le Soir hervor: Sei es, weil sie wegen nicht vorhandener mathematischer Modelle nicht beziffert werden konnten, oder, das ist etwas beschämender, weil sie von den Experten des Planbüros als zu verworren oder unverständlich zurückgewiesen wurden. Aber bei aller gerechtfertigter Kritik muss man die harte und durchaus nicht sinnlose Arbeit des Planbüros loben. Belgien gehört damit zu nur vier Ländern auf der Welt, die versuchen, die Wahlprogramme für ihre Bürger transparenter zu machen. Zu wissen, wer profitieren und wer den Preis bezahlen wird bei einem Sieg bestimmter Parteien, ist eine entscheidende Hilfestellung nur wenige Wochen vor den Wahlen, meint Le Soir.
Wie ungeschickt aber auch…
Die minutiöse Arbeit des Planbüros scheint auch wieder einige altbekannte Klischees zu bestätigen, listet La Dernière Heure auf: Die MR mit ihrer Steuerpolitik für die wohlhabendsten zehn Prozent der Bevölkerung macht Politik für die Reichen. Die PS schafft kaum neue Arbeitsplätze und bleibt die Siesta-Partei. Die Engagés sind wie immer ausgesprochen im Zentrum. DéFI fährt eine rechte Wirtschaftspolitik und Ecolo zeigt ein fast schon radikal-linkes Gesicht. Und die PTB? Sie hat "vergessen", die Zahlen einzureichen, mit denen sie die Gehälter der Arbeiter verbessern will. Wie ungeschickt aber auch…, stichelt La Dernière Heure.
Eine Lehre aus der Analyse des Planbüros ist, dass die großen Versprechen von PTB und Vlaams Belang mit größtem Argwohn betrachtet werden sollten, so De Morgen. Das ist natürlich keine neue Einsicht, aber das Planbüro unterstreicht das noch einmal rot und dick. Es ist anzunehmen, dass weder die Linksextremen noch die Rechtsextremen wirklich scharf darauf waren, ihr Wahlprogramm durchrechnen zu lassen. Das Planbüro hat sich beispielsweise geweigert, den Vorstoß einer Nationalisierung des Energiesektors zu beziffern. Der wirtschaftliche Kollateralschaden allein dieser De-facto-Enteignung würde wohl schon Milliarden Euro betragen, wettert De Morgen.
Wähler lassen sich nicht nur durch Zahlen leiten
Die Analyse des Planbüros hat zwar ihre Grenzen, schreibt Het Laatste Nieuws, aber zumindest hilft sie, die zu stark vereinfachenden Slogans zu entlarven und zu beweisen, wie schwierig Politik in Wirklichkeit ist. Allerdings sollten wir uns keine Hoffnungen machen, dass dadurch die extremistischen Parteien entzaubert werden können. Ja, die Berechnungen zeigen, dass die linksextreme PTB fatal für das Wachstum der Wirtschaft wäre, und dass der rechtsextreme Vlaams Belang ungedeckte Schecks ausstellt, weil weder ein Migrationsstopp noch eine Aufspaltung der Sozialen Sicherheit legal wären. Aber Politik besteht nicht nur aus Zahlen, Wähler lassen sich immer von Emotionen leiten. Siehe Niederlande: Dort werden die Wahlprogramme schon seit Jahren durchgerechnet. Aber auch leere Versprechen haben den Wahlsieg der Populisten nicht verhindert, unterstreicht Het Laatste Nieuws.
Boris Schmidt