"Hamas stimmt Vermittler-Vorschlag zur Waffenruhe zu – Ein erster Schritt aus der Sackgasse?", fragt das GrenzEcho auf Seite eins. "Hamas einverstanden mit Feuerpause, aber Israel greift Rafah trotzdem an", titelt Gazet van Antwerpen. "Rafah in der Schwebe zwischen katastrophaler Invasion und wundersamem Weiterbestehen", so De Standaard. "Rafah zittert: Wird Israel seine Bodenoffensive durchziehen?", ist der Aufmacher von De Morgen. "Israel startet Bodenoffensive in Rafah", meldet Het Laatste Nieuws.
Die israelische Armee hat die palästinensische Bevölkerung in Rafah im Süden des Gazastreifens zur Evakuierung aufgerufen, kommentiert De Standaard. Aber niemand weiß wohin eigentlich, die Situation scheint immer aussichtsloser. Gleichzeitig wächst die Kritik an Israel stetig weiter und nimmt alle möglichen Formen an: von Forderungen nach einem Handelsboykott über Studentenproteste bis hin zum Stummschalten der Eurovisionssendung während des Auftritts der israelischen Wettbewerberin. Das führt bei den Verteidigern des israelischen Vorgehens zu einem aufgebrachten Kurzschluss. Gleichzeitig wächst auch der Antisemitismus, da muss man nichts beschönigen. Aber Kritik am Staat Israel ist nicht automatisch Antisemitismus. Ja, das Massaker der Hamas war furchtbar. Aber das ist ein "Verteidigungskrieg" mit schon über 30.000 Toten. Ein Land darf sich natürlich verteidigen, aber jeden Tag verstärken israelische Armee und Siedler in den besetzten Gebieten den Eindruck ethnischer Säuberungen, unterstreicht De Standaard.
Die aktuelle europäische Politik ist wirkungslos
Belgiens Premierminister De Croo will sich für Sanktionen gegen Israel einsetzen, schreibt Gazet van Antwerpen. Aber der israelische Premier Netanjahu hat bereits erklärt, dass keine Form von Druck von außen Israel daran hindern wird, sich selbst zu verteidigen. Das bedeutet: Die Bodenoffensive in Rafah geht durch. Sanktionen mögen ja auch eine noble Initiative unseres Premiers sein, mehr ist es aber auch nicht. Das sieht man am besten an Russland: Schon mehr als zehn umfangreiche Sanktionspakete und noch immer stehen die Russen in der Ukraine, verbuchen sogar wieder Geländegewinne, während die russische Wirtschaft wächst. Man kann den Vorstoß von Emmanuel Macron, Soldaten in den Donbas zu schicken, ja als französisches Macho-Verhalten abtun. Aber zumindest hat der Mann verstanden, dass die aktuelle europäische Politik nirgends hinführt und nie irgendwo hinführen wird, wettert Gazet van Antwerpen.
Die braven belgischen Studentenproteste
Andere Zeitungen konzentrieren sich in ihren Leitartikeln auf die belgischen Studentenproteste gegen den Gaza-Krieg. Die Studentenproteste spiegeln eine weitere gesellschaftliche Debatte wider, hält De Tijd fest. Keine Frage: Der Nahostkonflikt verdient Proteste und Diskussionen. In diesem Sinn sind Studentenproteste besser als keine Studentenproteste. Allerdings sind Universitäten auch Orte der Ratio, der Vernunft und der Logik. Das bringt unangenehmere Fragen mit sich, wie die, was die Aktivisten eigentlich erreichen wollen. Damit den Konflikt selbst zu beeinflussen, ist nicht mehr als ein ferner Wunschtraum. Manche Studenten in Gent fordern das Kappen aller Beziehungen zur akademischen Welt Israels. Das mag sich gut anfühlen, weil man dann sagen kann, nichts mehr mit dem Leid in Gaza zu tun zu haben. Aber kann man israelische Universitäten mit dem Staat Israel oder den Regierungsparteien gleichsetzen? Universitäten sind immer auch Orte des Widerstands und der freien Gedanken. Sind israelische Universitäten also nicht vielleicht sogar eher Verbündete als Feinde?, fragt De Tijd.
Protestieren ist einfach ein fester Bestandteil des Studentenlebens, meint Het Laatste Nieuws: von der Aufspaltung der Katholischen Universität Löwen über den "Tank Man" auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking bis hin zur demonstrierenden Jugend Hongkongs. Verglichen damit sind die jetzigen belgischen Studentenproteste auch ausgesprochen brav. Aber man sollte die Jugend loben, die über etwas murrt, die eine starke Meinung hat über etwas in ihrem Leben. Egal, ob es nun um den Gaza-Krieg oder den Busverkehr geht: Es lebe die Debatte. Aber es sollte auch über die Hamas gesprochen werden. Denn einige Jugendliche haben anscheinend ziemliche Probleme, diese Terroristen auch als Terroristen zu sehen. Vielleicht sollten sie sich doch mal mit den Gräueltaten vom 7. Oktober befassen. Oder damit, wohin Judenhass in der Vergangenheit schon geführt hat, empfiehlt Het Laatste Nieuws.
Wenn man die belgischen Studentenproteste kritisieren will, dann dafür, dass es so lange gedauert hat, bis sich selbst zaghafter Widerstand geregt hat, findet De Morgen. Denn der blutige Gaza-Krieg dauert bereits ein halbes Jahr. Die Proteste vor allem in Gent bleiben aktuell auch noch sehr begrenzt und brav. Die Studenten haben versprochen, den Konflikt nicht zu schüren. Sie wollen danach alles wieder tadellos aufräumen und niemanden behindern. Aber so höflich und symbolisch der Protest auch ist: Die Fragen, die die Studenten stellen, werden dadurch nicht weniger drängend, betont De Morgen.
Keine Illusionen über Chinas Absichten
L'Echo beschäftigt sich mit dem Europabesuch des chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping. Aus europäischer Sicht ist China ein systemischer Rivale. Das dramatische Ungleichgewicht im Handel zugunsten Chinas ist ein Segen nicht nur für die chinesische Wirtschaft, sondern auch für die dortigen Konsumenten. Europa muss hier handeln: China muss mehr von Europa kaufen. Tut es das nicht, dann muss Europa im Gegenzug auch weniger von China kaufen. Die Europäische Union muss auch wieder ihre strategische Unabhängigkeit in puncto Entwicklung stärken, mehr auf eigenem Boden produzieren und ihre Bezugsquellen für Rohstoffe und Produkte diversifizieren. China wird das natürlich nicht gerne sehen, deswegen muss Europa mit Fingerspitzengefühl und Takt vorgehen. Aber bei aller Diplomatie, Händeschütteln und Lächeln darf man sich keinen Illusionen hingeben über die Absichten Xi Jinpings. Wachsamkeit gegenüber den Vormachtsbestrebungen Chinas muss wichtiger sein als ein gutgeölter Handel mit Fernost, warnt die Wirtschaftszeitung L'Echo.
Boris Schmidt