"Belgien schickt in diesem Jahr doch noch F-16 Kampfflugzeuge in die Ukraine", titelt Het Laatste Nieuws. "Die belgischen F-16 werden noch in diesem Jahr in der Ukraine ankommen", so die Schlagzeile von Gazet van Antwerpen.
Die gestrige Entscheidung des Ministerrates ist dann doch eine kleine Überraschung. Bislang hatte man sich in Bezug auf eine mögliche Lieferung von F-16 Kampfjets an die Ukraine eher zurückhaltend gezeigt. Jetzt hat die Föderalregierung beschlossen, gleich die gesamte F-16 Flotte der Ukraine mittelfristig zu überlassen. Dies im Rhythmus der Lieferungen des neuen Flugzeugs der Luftstreitkräfte, also der F-35.
Auf vielen Titelseiten sieht man aber heute auch den CD&V-Vorsitzenden Sammy Mahdi. "Ein Christdemokrat muss den Zug verlangsamen, damit wirklich jeder einsteigen kann", sagt er auf Seite eins von De Standaard. Und fügt hinzu: "Die CD&V darf ruhig noch etwas konservativer werden".
Sammy Mahdi geht also in dieselbe Richtung, die vor ihm auch schon der rechtsextreme Vlaams Belang und die N-VA eingeschlagen haben, analysiert De Standaard in seinem Leitartikel. Der CD&V-Chef nimmt Abstand von dem bislang gehypten Weltbürgertum und besinnt sich zurück auf Sprache und Traditionen. Was aber nicht bedeutet, dass der junge Parteichef konsequent rückwärtsgewandt wäre. Die Zeiten, in denen die flämischen Christdemokraten nostalgisch auf den CD&V-Staat blickten, in dem sie auf die Macht abonniert waren und den sie durch und durch dominierten, sind vorbei. Außerdem sucht Mahdi neue Allianzen, will seine Strategie nicht länger an der von N-VA-Chef Bart De Wever ausrichten. Sammy Mahdi hat verstanden, dass seine Partei nicht weitermachen kann, wie bisher: Abwarten und dabei auf bessere Resultate hoffen, das ist der schnellste Weg zum Ausgang.
Ein Déjà-vu
Apropos Allianzen: Auf einigen Titelseiten sieht man den CD&V-Chef auch mit seinem Kollegen Georges-Louis Bouchez, also dem Vorsitzenden der frankophonen Liberalen. "Bouchez und Mahdi wollen zusammen eine Regierung bilden", titelt Het Nieuwsblad. La Libre Belgique kommt das bekannt vor: "Wie vor zehn Jahren kündigen MR und CD&V sechs Wochen vor der Wahl an, ihr Schicksal miteinander zu vereinen", schreibt das Blatt auf Seite eins.
Auch Het Nieuwsblad hat ein Déjà-vu. Am 18. Januar 2014 hatten Wouter Beke und Charles Michel, die damaligen Vorsitzenden von CD&V und MR, ein Doppelinterview gegeben. Beide sahen sich als die Achse der künftigen Regierung und positionierten sich damit gegen eine Koalition, die um die N-VA und die PS gezimmert werden sollte. Das erwies sich damals als ein prophetisches Interview. Einige Monate später bildeten beide die sogenannte "Schwedische Koalition".
Jetzt sehen wir also das gleiche, zumindest erstmal im Ansatz. Auch Sammy Mahdi und Georges-Louis Bouchez betrachten ihre beiden Parteien als die Keimzelle einer künftigen Regierung. Mahdi hat auch schon den Kontakt gesucht mit Les Engagés, also der einstigen frankophonen Schwesterpartei. Und im Fahrwasser von Bouchez befinden sich ja naturgemäß die flämischen Liberalen Open VLD.
Die Frage aller Fragen lautet jetzt natürlich: Ist das, wie damals vor zehn Jahren, der entscheidende Schachzug? Das wird sich noch zeigen müssen. Denn im Vergleich zu 2014 hat sich die Situation doch radikal verändert. Durch die zu erwartenden Wahlerfolge des rechtsextremen Vlaams Belang und der marxistischen PTB dürfte die Bandbreite, um eine Koalition auf die Beine zu stellen, doch gehörig klein werden. Abzuwarten ist auch, wie aufrichtig dieser Treueschwur von Mahdi und Bouchez wirklich ist. Eine Garantie für eine schnelle Regierungsbildung wie 2014 ist der Schachzug in jedem Fall nicht.
Nicht nur Entertainer, sondern Clowns
Apropos Wahlen: Einige Leitartikler beschäftigen sich heute mit den Erstwählern. Am 9. Juni werden rund 800.000 Jugendliche zum ersten Mal ihre Stimme abgeben dürfen. Der Altersdurchschnitt der Kandidaten auf den flämischen Kammerlisten beläuft sich demgegenüber auf 47, bemerkt dazu De Morgen. Umso größer ist die Herausforderung, die jungen Leute für die Politik zu begeistern.
Einige Politiker glauben, dass es reicht, sich zum Teilzeit-Entertainer umschulen zu lassen, um dann in sozialen Netzwerken eine Show abzuziehen. Das ist der falsche Weg. Selbst wenn Jugendliche die Politik als unzuverlässigen Zirkus betrachten, so ist das für Volksvertreter immer noch kein Grund, sich wie Clowns aufzuführen. Dafür sind die Herausforderungen einfach zu groß. Junge Menschen wollen ernst genommen werden. Und wenn man es nicht schafft, sie mitzunehmen, dann treibt man sie in die Hände von Extremisten. Die Demokratie wird in jeder Generation wieder geboren. Zu erwarten, dass das System sich von selbst erneuern wird, das ist gefährlich und naiv.
De Tijd schlägt in dieselbe Kerbe. "Wo sind die jungen Wölfe in der Politik?", fragt sich das Blatt. Denn der beste Weg, junge Menschen mit einzubeziehen, das wäre doch, wenn man Altersgenossen auf sichtbaren Plätzen auf den Listen platziert. Hier sehen wir aber eine besorgniserregende Blutarmut. Das hat die Politik vor allem sich selbst zu verdanken. Die Welt verändert sich mit atemberaubender Geschwindigkeit, man denke nur an Revolutionen wie die künstliche Intelligenz oder die Fortschritte in den Biowissenschaften. Die Politik kann alledem nicht folgen, schlimmer noch, sie ist in gigantischem Maße mit sich selbst beschäftigt. Politik ist zu einem Zirkus verkommen. Und dieses Bild wird durch soziale Medien noch verstärkt. Kein Wunder, dass man talentierte junge Menschen nicht für sich gewinnen kann.
Unerwünschtes Heraufbeschwören
Le Soir schließlich richtet eine deutliche Warnung an die frankophonen Parteien. Wenn sie wirklich den Konföderalismus ablehnen, den Bart De Wever und seine nationalistische N-VA predigen, dann sollten sich die Frankophonen auch entsprechend verhalten. Es mag nämlich so aussehen, als provozierten sie genau das, was sie doch so sehr fürchten.
Beispiel: Die Niederländisch-Kenntnisse der jungen Frankophonen haben sich in den letzten Jahren eher noch verschlechtert. Die frankophonen Institutionen, allen voran die Wallonische Region, glänzen zudem durch eine katastrophale Haushaltslage. Und jetzt spielen auch noch die Gewerkschaftler mit dem Feuer. Bei Bpost etwa haben die flämischen Gewerkschaften nicht gegen das Abkommen protestiert, das die Zustellung der Zeitungen regeln sollte. Diese Aufgabe soll durch die Bpost-Filiale AMP übernommen werden. Genau das lehnen die frankophonen Gewerkschaften strikt ab. Resultat: Die Haltung der Gewerkschaften sorgt de facto für den Beginn einer Regionalisierung innerhalb eines Staatsbetriebs.
Bart De Wever hat Belgien häufiger als das "Land der zwei Demokratien" bezeichnet. Wenn die Frankophonen das anders sehen, dann sollten sie nicht einen gegenteiligen Eindruck vermitteln.
Roger Pint