"EU-Parlament gibt grünes Licht für neue Schuldenregeln", meldet das GrenzEcho. "Die europäische Milliardeneinsparung: unsinnig oder notwendig?", fragt De Standaard. "Die neuen Haushaltsregeln werden Anstrengungen erfordern wie seit 25 Jahren nicht mehr", schreibt Le Soir auf Seite eins. "Neue europäische Budgetregeln sind kein Geschenk für Belgien", hält De Tijd fest.
Im September beginnt eine neue Ära für die belgische Politik, kommentiert De Standaard. Denn ab dann wird Europa wieder darauf achten, dass die Mitgliedsstaaten budgetär im gesetzten Rahmen bleiben. Zur Erinnerung: Wegen Corona waren die Haushaltsregeln temporär ausgesetzt worden. Damit ist jetzt aber Schluss. Das wird schwere Folgen für Belgien haben, denn das Defizit ist hierzulande bekanntermaßen besonders groß. Aber eigentlich gibt es keine Alternative: Die Mitgliedschaft in der Europäischen Union bringt viele Vorteile, beinhaltet aber auch Pflichten. Und die sind wichtig, denn die finanzielle Instabilität eines Landes kann sich auf die ganze Union auswirken. Die neuen EU-Schuldenregeln sind in vielerlei Hinsicht auch nicht mehr so hart wie die alten und sie sind auch flexibler. Unter anderem berücksichtigen sie den Willen von Mitgliedsstaaten zu strukturellen Reformen. Das ist wichtig, denn Reformen, die zu mehr Wirtschaftswachstum führen, sind mindestens genauso wichtig wie Einsparungen. Allerdings ist Belgien nicht nur in puncto Haushalten ein schlechter Schüler, sondern auch beim Reformieren. Die Geschichte lehrt aber, dass Druck von außen helfen kann. Wenn das richtig angepackt wird, könnte Belgien durch die Maßnahmen also sogar gestärkt werden, hofft De Standaard.
Die größte Herausforderung seit einem Vierteljahrhundert
Auch in der Politik gibt es immer wieder Augenblicke, in denen die Mathematik alle auf den Boden der Tatsachen zurückholt, schreibt Le Soir. Das gilt zum Beispiel jetzt auch für die belgischen Parteien: Die neuen EU-Schuldenregeln werden bestimmen, welche Teile der Regierungsprogramme künftig noch bezahlbar sein werden. Belgien wird über einen Zeitraum von sieben Jahren etwa 4,4 Milliarden Euro pro Jahr finden müssen. Das entspricht 5,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Einer derart großen Herausforderung hat sich Belgien seit einem Vierteljahrhundert nicht mehr gegenübergesehen. Hinzu kommt, dass die finanziellen Spielräume heute viel kleiner sind als früher. Die Klima- und Energiewende, die Vergreisung, die Wiederherstellung unserer Verteidigungskapazitäten – all das erfordert große Investitionen. Und die Steuern sind schon sehr hoch. In Belgien kommt außerdem noch das Problem dazu, dass der Föderalstaat alles mit den Regionen verhandeln muss. Wäre es vielleicht nicht besser, das europäische Modell grundlegend zu überdenken? Warum der Union nicht die Mittel geben, um bestimmte Herausforderungen gemeinsam anzugehen?, schlägt Le Soir vor.
Produktivität und Bürokratie
Für die Wirtschaftszeitung De Tijd liegt die Antwort derweil auf der Hand: Um all diese finanziellen Herausforderungen angehen zu können, muss die Produktivität erhöht werden. Denn nur so kann die Wirtschaft dauerhaft und nachhaltig wieder angekurbelt werden. Das muss noch nicht einmal viel kosten, wenn die Politik andere Prioritäten setzt: höhere Ansprüche im Unterrichtswesen, mehr Innovation, technologische Neuerungen wie Künstliche Intelligenz schneller umarmen, Hürden abbauen, die Arbeitsmarkt, Unternehmertum und Wettbewerb behindern, staatliche Investitionen vor allem in Verkehrs-, Telekommunikations- und Energieinfrastruktur, die die Wirtschaft runder drehen lassen – all das kann helfen. Wir brauchen aber auch eine gemeinschaftliche Anstrengung von Familien, Arbeitnehmern, Staat und Wirtschaft. Sie alle müssen bereit sein, über ihren Schatten zu springen und diese Veränderungen auch zu akzeptieren, fordert De Tijd.
La Libre Belgique befasst sich mit dem Kampf gegen die Bürokratie: In der Regierungsvereinbarung von 2020 wurde versprochen, den Verwaltungsaufwand für Bürger und Firmen um 30 Prozent zu senken. Einige entsprechende Schritte sind auch unternommen worden. Aber eines ist sicher: Das Ziel ist verfehlt worden. Die belgische Wirtschaft kämpft bekanntermaßen mit vielen Problemen. Eines davon ist die Wettbewerbsfähigkeit auf den internationalen Märkten. In diesem Kontext würden Maßnahmen zur Vereinfachung von Steuerverfahren und Verwaltungsangelegenheiten zweifelsohne helfen. Das scheinen unsere Regierungen aber einfach zu vergessen, beklagt La Libre Belgique.
"Heuchler"
La Dernière Heure greift die Festnahme des Assistenten des AfD-Abgeordneten Maximilian Krah im Europäischen Parlament auf. Dem Mann wird vorgeworfen, als Spion für China gearbeitet zu haben. Das erinnert an den Fall der Brüder Creyelman. Die zwei ehemaligen Abgeordneten des rechtsextremen Vlaams Belang sind ja auch tief in einen Skandal um chinesische Einflussnahme verwickelt. Man muss auch unweigerlich an Marine Le Pen denken. Die hatte ja Geld von den Russen genommen für ihren Wahlkampf. In allen drei Fällen geht es um rechtsextreme Parteien. Die sind sonst doch so erpicht darauf, ihr Land zu verteidigen. Und dann stecken sie mit ausländischen Mächten unter einer Decke, die dem Land feindlich gesonnen sind, das sie doch angeblich verteidigen wollen. Da fällt einem wirklich nur das Wort "Heuchler" ein, giftet La Dernière Heure.
Boris Schmidt