"Langersehntes Ja zu US-Hilfen für Ukraine: Der Westen jubelt, Militärexperten warnen", titelt das GrenzEcho auf Seite eins. "Die amerikanische Hilfe für die Ukraine endlich deblockiert", schreibt La Libre Belgique. "Zusätzliche amerikanische Waffen für die Ukraine: 'eine Frage von Tagen'", so De Standaard. "Unterstützung aus den Vereinigten Staaten 'gerade noch rechtzeitig' vor Sommeroffensive", unterstreicht De Morgen. "Der Ukraine stehen schwierigste Kriegswochen bevor", warnt Gazet van Antwerpen.
Le Soir erinnert in seinem Leitartikel an ein bekanntes Zitat, das Winston Churchill zugeschrieben wird: Die Amerikaner tun am Ende immer das Richtige. Nachdem sie vorher alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft haben. Sechs Monate hat das politische Tauziehen um die Unterstützung der Ukraine gedauert, eine Ewigkeit für die Verteidiger. Wie viel Zeit und Leben sind dadurch verschwendet worden? Die neue Unterstützung aus den Vereinigten Staaten gibt den Ukrainern zumindest wieder etwas Hoffnung. Aber für sich genommen wird auch sie nicht reichen, um die Ukraine vor den Russen zu bewahren, dazu wird es viel mehr internationale Unterstützung brauchen. Aber zumindest solange Joe Biden an der Macht bleibt, wird die Stimme der Ukraine weiter gehört werden. Und sie wird das tun, was Churchill 1940 gelobt hat: sich nie ergeben, ist Le Soir überzeugt.
Ein bemerkenswerter Sinneswandel in Europa
Die lange Blockade der Hilfe hat auch in Europa tiefe Spuren hinterlassen, schreibt De Standaard: Wir haben einen Winter der politischen Ernüchterung erlebt und gesehen, dass die Republikaner unter Trump durchaus fähig wären, Europa fallen zu lassen. Durch das Ausbleiben der Unterstützung ist ein Sieg der Russen zu einer reellen Möglichkeit geworden. Europa ist dadurch mit seiner eigenen geopolitischen Fragilität konfrontiert. Und die war seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs nie größer als jetzt. Das hat zu einem bemerkenswerten Sinneswandel geführt: Innerhalb von einigen kurzen Monaten sind die Wiederbewaffnung und die Remilitarisierung Europas zum politischen Mainstream geworden, hält De Standaard fest.
Die Gefahr ist groß, dass die Hilfe wegen des politischen Gezerres zwischen Republikanern und Demokraten Monate zu spät kommen wird, befürchtet De Morgen. Nach Analysen sind beispielsweise 40 Prozent der ukrainischen Kapazitäten zur Erzeugung von Elektrizität vernichtet worden, weil amerikanische Luftabwehrraketen gefehlt haben. Schon im Juni wird eine neue große russische Offensive erwartet, bis dahin werden die Russen weiter alles in Grund und Boden bomben. Eine andere Gefahr ist, dass sich die Europäer jetzt einfach zurücklehnen werden. Dabei entbindet die amerikanische Entscheidung Europa ganz und gar nicht von der Pflicht, die eigene Unterstützung für die Ukraine zu verstärken. Dies nicht nur, weil das auch unser Krieg ist, sondern auch, weil wir uns darauf vorbereiten müssen, was künftig in den USA passieren könnte, erinnert De Morgen.
Russland ist nicht das einzige Problem
Kurzfristig wird die erneuerte Unterstützung der Vereinigten Staaten den Ukrainern zumindest in der allergrößten Not helfen, meint La Libre Belgique. Denn die russische Armee ist zwischenzeitlich immer weiter vorgerückt. Die Europäer sollten sich eine Scheibe von den Amerikanern abschneiden und nicht einfach nur passiv applaudieren. Gleichzeitig ist es höchste Zeit, dass die Europäer nicht mehr länger die Augen verschließen vor der chinesisch-russischen Komplizenschaft beim Überfall auf die Ukraine. Auf der anderen Seite des Atlantiks hat man die längst erkannt, auch deswegen wird Taiwan ebenfalls weitere militärische Unterstützung erhalten, betont La Libre Belgique.
Ohne die Vereinigten Staaten ist die Ukraine dem Tod geweiht, kommentiert Het Belang van Limburg. Denn aus Europa kommen vor allem leere Versprechen. Es ist alles andere als undenkbar, dass die russischen Panzer letztendlich bis zur polnischen Grenze durchstoßen werden. Putin hat sein Land auf Kriegswirtschaft umgestellt und die Vernichtung der Ukraine zu seiner heiligen Mission erklärt. Und die russische Armee ist auch nicht mehr die Chaotenbande, die sie war, als Putin sein Nachbarland überfiel. Sie hat aus ihren Fehlern gelernt. Dabei kann Putin auf wichtige Verbündete zählen: Nordkorea liefert ihm Millionen Artilleriegeschosse, der Iran Tausende Drohnen und auch China mischt von der Seitenlinie aus kräftig mit. Wenn die Ukraine den Abwehrkampf verliert, dann wird daran zum großen Teil das Unvermögen der Europäer schuld sein. Was die Lieferung militärischen Materials aus Europa angeht, gilt immer noch: zu wenig und zu spät. Der Ernst der Lage ist immer noch nicht zu allen Europäern durchgedrungen. Dabei müssten wir größtes Interesse am Sieg der Ukraine haben, wettert Het Belang van Limburg.
Die harte Lehre der vergangenen sechs Monate
Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz widersetzt sich ja seit Langem der Lieferung von Langstreckenraketen an die Ukraine, hebt Het Nieuwsblad hervor. In Washington scheint man jetzt aber entschieden zu haben, den Ukrainern die Waffen zu geben, die sie brauchen, um die russische Kriegsmaschine auch weit hinter der Front zu treffen. Außerdem wollen die USA der Ukraine fünf Milliarden an eingefrorenen russischen Geldern überweisen. In Europa liegen 200 weitere Milliarden. Diese Gelder endlich für die Ukraine freizugeben, das würde Moskau wirklich wehtun. Zurückhaltung, Diplomatie und Vorsicht sind für den Kreml tödliche Schwachstellen, die er gnadenlos ausnutzen kann. Das ist die harte Lehre der vergangenen sechs Monate, giftet Het Nieuwsblad.
Boris Schmidt