"EU-Gipfel: Ein Kapital-Binnenmarkt, um der Union neuen Schwung zu verleihen", schreibt Le Soir auf Seite eins. "Ein neuer Pakt, um den wirtschaftlichen Niedergang von Europa zu vermeiden", heißt es auf der Titelseite von L'Echo.
Die beiden Zeitungen, die bereits auf ihren Titelseiten über den EU-Gipfel der vergangenen zwei Tage in Brüssel berichten, widmen dem Gipfel auch ihre Leitartikel.
L'Echo weiß: Wenn Europa weiter mitspielen will im Konzert der Großen in der Welt, müssen die europäischen Staaten enger zusammenarbeiten. Damit haben die EU-Mitgliedsstaaten auf dem Gipfel jetzt begonnen. Grundlage ihrer Pläne ist ein Bericht des ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten Enrico Letta. Der stellt fest: Der europäische Raum ist zu stark fragmentiert und muss in vielen Bereichen noch stärker zu einem Binnenmarkt werden. Dafür müssen die Nationalstaaten Souveränität abgeben an die Union.
Der Zeitpunkt, die Weichen in diese Richtung zu stellen, ist gut. Die aktuelle Legislatur in der EU geht zu Ende, eine neue wird im Herbst beginnen. In dieser kommenden Legislatur sollte ein "Pakt für Wettbewerbsfähigkeit" im Zentrum stehen, fordert L'Echo.
Gute Pläne, schwierige Umsetzung
Le Soir erinnert: Ein gemeinsamer Wirtschafts- und Handelsraum hat die EU vor Jahrzehnten groß gemacht. Deshalb ist es richtig, genau hier anzusetzen, um Europa wieder an den Puls der Zeit zu bringen. Großmächte wie USA und China sind in Sachen Wettbewerbsfähigkeit der Union enteilt. Einen gemeinsamen Kapitalmarkt in Europa zu schaffen und die industrielle Produktion stärker aufeinander abzustimmen, sind gute Pläne. Allerdings braucht man nicht extra zu betonen, dass die Umsetzung solcher Pläne ziemlich schwierig werden dürfte. Außerdem sollte man auch darauf Acht geben, dass alle in der Union von den Neuerungen profitieren und nicht nur die Eliten, mahnt Le Soir.
De Standaard bemerkt zu den Leistungen der Vivaldi-Koalition: Eins der größten Versäumnisse dieser Koalition ist es, keine Steuerreform gemacht zu haben. Die Pläne dafür lagen vor und sie waren eigentlich gut. Finanzminister Vincent Van Peteghem wollte Vermögen und Konsum höher und im Gegenzug Arbeit weniger besteuern. Die Pläne scheiterten an den frankophonen Liberalen. Jetzt, kurz vor den Wahlen, sprechen auffällig viele Parteivorsitzende davon, dass man in irgendeiner Weise Vermögen höher besteuern sollte. Das wäre tatsächlich ein Mittel für mehr Gerechtigkeit. Aber nur, wenn gleichzeitig eben auch woanders der Steuerdruck vermindert wird, unterstreicht De Standaard.
Arbeit als Integrationsmittel
De Tijd meldet aufgrund von Zahlen des Statistikinstituts Statbel: Immer mehr Menschen mit Migrationshintergrund gehen einer Arbeit nach. Aktuell sollen es gut 57 Prozent sein. Zum Vergleich: Bei den Bürgern, die belgische Eltern haben, sind es 76 Prozent. Der Unterschied ist also weiterhin groß, aber immerhin stimmt die Richtung. Denn Arbeit ist ein Mittel zur Integration. Wenn ein Einwanderer arbeiten geht, hilft das auch, Vorurteile abzubauen. Denn er zeigt dadurch in den Augen der anderen, dass er einen Teil dazu beiträgt, dass unser gesellschaftliches System gut funktioniert. Wenn wir über Einwanderung sprechen, was vor den Wahlen oft getan wird, sollten wir auch über Arbeit für Einwanderer sprechen, rät De Tijd.
L'Avenir schreibt zur Glaubwürdigkeit von Politikern: Gerade jetzt, kurz vor den Wahlen sollten unsere Politiker darauf achten, keine Unwahrheiten zu verkaufen. Denn im Zeitalter von Internet und Co. kann eigentlich jeder Bürger Behauptungen von Politikern schnell und einfach überprüfen. Politiker sollten deshalb Acht geben, was sie sagen. Sonst verstärkt sich bei vielen Menschen doch nur das Vorurteil, was sie ohnedies von Politikern haben. Nämlich, dass sie alle Lügner seien, warnt L'Avenir.
Fehlende Absprache wird Autofahrern zum Verhängnis
La Dernière Heure beschäftigt sich mit der Kreuzung Léonard bei Brüssel und erklärt: Diese Kreuzung ist zentral für den Verkehr zwischen Brüssel und Waterloo. Jetzt wird diese Kreuzung gesperrt, weil gebaut werden muss. Den Beschluss dazu hat die flämische Verkehrsministerin getroffen, ohne Absprache mit ihren Amtskollegen in Brüssel und der Wallonie. Alle drei Regionen sind aber durch die Sperrung betroffen, denn der Verkehr von Brüssel nach Waterloo betrifft Autofahrer aus allen drei Regionen. Dass es hier keine Absprache gab, zeigt wieder einmal, wie unfähig unsere Regionalpolitiker sind. Das Ergebnis werden Chaos und lange Staus auf den Straßen sein, ärgert sich La Dernière Heure.
La Libre Belgique meint zu den neuen EU-Sanktionen gegen den Iran: Die EU reagiert damit auf den Angriff des Irans auf Israel. Die Sanktionen sollen den Iran stark treffen. Sie sollen auch ein Zeichen an Israel sein, um deutlich zu machen, dass die EU hinter Israel steht. Die Vergangenheit hat allerdings gezeigt, dass Sanktionen nur bedingt wirken. Außerdem haben sie den negativen Effekt, dass sich die Kluft zwischen der EU und dem Iran weiter vergrößern wird, analysiert La Libre Belgique.
Kay Wagner