"Wer darf über das Schicksal von Donald Trump entscheiden?", fragt sich Gazet van Antwerpen auf Seite eins. "Allein eine Geschworenenjury im Trump-Prozess zu finden, wird schon eine Heidenarbeit", so die Schlagzeile von De Standaard. "Selbst um die Auswahl der Geschworenen will er sich selbst kümmern", titelt Het Nieuwsblad.
Auf vielen Titelseiten sieht man heute Fotos des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump. Er hat einen finsteren Gesichtsausdruck, muss er sich doch vor einem Gericht verantworten, grob gesagt, weil er einem Pornosternchen Schweigegeld bezahlt hat. Er selbst sieht sich als das Opfer einer Hexenjagd. "Bei seinem Verfahren fordert Trump sogar die Richter heraus", bemerkt Le Soir auf Seite eins.
Zweites großes Thema ist die Lage im Nahen Osten nach dem iranischen Angriff auf Israel. "Israel denkt nach wie vor über einen möglichen Gegenschlag nach", notiert L'Echo auf Seite eins. "Der Iran hatte seine Rache dosiert – Wird Netanjahu das Gleiche tun?", fragt sich besorgt De Tijd. Die Schlagzeile des GrenzEcho liest sich wie ein Fazit: "Die Gefahr einer Eskalation bleibt hoch".
Schamlose Erpressung vonseiten Israels
"Man muss dringend die Gewaltspirale durchbrechen!", fordert L'Echo in seinem Leitartikel. Die Vergangenheit lehrt, dass israelische Vergeltungsschläge in der Regel wesentlich härter ausfallen als der Auslöser, also der ursprüngliche Angriff. Das verheißt nichts Gutes. Wenn sich die Falken im israelischen Kriegskabinett durchsetzen, dann ist nicht auszuschließen, dass die Armee schon bald strategische Einrichtungen auf iranischem Boden ins Visier nehmen könnte. Damit würde der Konflikt wohl eine neue Stufe erreichen. Und jeder weiß, dass das Auswirkungen haben würde, die weit über die Region hinausgehen. Für die Amerikaner wäre eine weitere Eskalation keine gute Neuigkeit. US-Präsident Biden hatte schnell klargemacht, dass sich die USA nicht an Offensivaktionen gegen den Iran beteiligen würden. Und doch ist die Gefahr groß, dass die Amerikaner wider Willen in den Konflikt hineingezogen würden. Für Joe Biden, der sich ja gerade im Wahlkampf befindet, wäre das ein Katastrophenszenario.
Zu vermeiden ist das wahrscheinlich nicht, befürchtet De Standaard. Die israelische Regierung weiß sehr wohl, dass sie sich im Zweifel auf die Unterstützung des großen Bruders aus Washington verlassen kann. Und das Kabinett um Ministerpräsident Netanjahu pokert rücksichtslos mit dieser Loyalität. Denn mal ehrlich: Glaubt irgendwer, dass die Amerikaner die Israelis im Stich lassen würden, wenn die Bomber nach Teheran schicken? Natürlich wird das nicht passieren. Bester Beweis: Die Amerikaner schaffen es auch nicht, Israel bei seinem Vorgehen im Gazastreifen zur Mäßigung zu bewegen. Das Verhalten der israelischen Verantwortlichen kommt eigentlich einer schamlosen Erpressung gleich.
Noch viel Überzeugungsarbeit für die traditionellen Parteien nötig
Het Laatste Nieuws beschäftigt sich in seinem Leitartikel mit der Position der heimischen Parteien in Bezug auf die diversen militärischen Konflikte, die die Welt in diesen Tagen bewegen. Interessant wird es, wenn man sich die Vision der radikalen Parteien anschaut. Der rechtsextreme Vlaams Belang etwa steht resolut für "Frieden", als ob die anderen Parteien das nicht wollen. Die Position des Vlaams Belang läuft aber daraus hinaus, dass man die Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen Russland nicht mehr unterstützt. Und damit würde man dem Putin-Regime den roten Teppich ausrollen. Die marxistische PTB will ihrerseits sogar aus der Nato austreten. Begründung: Die Nato sorge ständig für Säbelrasseln. Offensichtlich haben die Kommunisten da in den letzten 70 Jahren nicht richtig aufgepasst. Die Nato zu verlassen, ist jedenfalls ein hanebüchener Vorschlag. Bei alledem sollte man den Wähler aber nicht vergessen. Laut einer Umfrage sind sechs von zehn Flamen dafür, die Ukraine weiter zu unterstützen. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass vier von zehn Befragten dagegen sind. Die traditionellen Parteien müssen hier also noch viel Überzeugungsarbeit leisten.
Schlussoffensive im Wahlkampf
Ganz anderes Thema auf der Titelseite von Het Nieuwsblad und Gazet van Antwerpen: "Marokko verspricht, alle illegal in Belgien lebenden Landsleute zurückzunehmen", schreiben beide Blätter. Eine belgische Regierungsdelegation konnte bei ihrem Besuch in Marokko den Gastgebern ein entsprechendes Versprechen abringen.
Die Föderalregierung hat da alle Register gezogen, meint Gazet van Antwerpen. Premier De Croo hatte auf diese Reise nicht weniger als vier Ministerkollegen mitgenommen, und obendrauf dann nochmal rund 25 Unternehmenschefs und Geschäftsleute. Der Delegation ging es in erster Linie darum, Abschiebungen von illegal in Belgien lebenden Marokkanern zu vereinfachen. Bei dieser Mission waren die Reisenden also mit dem Wahlkampffieber infiziert. Aber das gehört in der Politik nun mal dazu.
"Aber warum kommt diese Reise erst jetzt?", fragt sich kritisch Het Belang van Limburg. Bei alledem wird man den Eindruck nicht los, dass der Marokko-Besuch der übergroßen Regierungsdelegation vor allem mit dem 9. Juni zu tun hat. Kurz vor Toresschluss will die Vivaldi-Koalition nochmal eindrucksvoll demonstrieren, dass sie das Thema Migration ernst nimmt. Ob die Fotos von De Croo & Co. auf marokkanischen Teppichen den gemeinen Vlaams Belang-Wähler jetzt noch umstimmen könnten, darf aber bezweifelt werden. Denn die Frage ist eher, warum die Regierung dreieinhalb Jahre nötig hatte, um vor Ort mit den marokkanischen Verantwortlichen zu verhandeln. Und, gleich wie man die Ergebnisse am Ende verkaufen wird: Bindende Verpflichtungen werden die Marokkaner wohl kaum eingehen. Der Marokko-Besuch ist wohl nichts anderes als eine Schlussoffensive im Wahlkampf.
Roger Pint