"Sechs Monate Gaza-Krieg – Die Bilanz ist dramatisch", titelt De Standaard. "Ein halbes Jahr Gaza-Krieg: enorme Totenzahl, immenser Schaden, katastrophale Hungersnot", fasst Gazet van Antwerpen zusammen. "Sechs Monate Gaza-Krieg und kein Ende in Sicht – Israel international im Abseits", schreibt das GrenzEcho. "Die israelischen Streitkräfte kündigen den Abzug ihrer Soldaten aus dem Süden des Gazastreifens an", meldet La Libre Belgique. "Israel zieht Truppen zurück, aber was nun?", fragt De Morgen.
Der menschliche Blutzoll ist niederschmetternd, kommentiert Gazet van Antwerpen: Etwa 33.000 Palästinenser sind laut Angaben der Hamas seit dem 7. Oktober ums Leben gekommen, etwa ein Drittel davon Kinder. Die Vereinten Nationen und die Weltgesundheitsorganisation bezeichnen diese Zahlen als realistisch. Auf israelischer Seite sind durch die Massaker der Hamas 1.200 Tote und 5.400 Verwundete zu beklagen, plus 134 Geiseln, die noch immer im Gazastreifen festgehalten werden.
Unicef warnt derweil, dass die Zahl der Toten in Gaza jeden Tag weiter steigt, daran wird auch der teilweise Rückzug der israelischen Armee aus dem Süden wenig ändern. Israel behält ohnehin eine beträchtliche Zahl Bodentruppen vor Ort; Drohnen, Flugzeuge und Artillerie können sowieso aus der Ferne zuschlagen. Derweil hat Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erneut erklärt, dass er die Hamas im ganzen Gazastreifen ausrotten will. Allerdings wird der Protest gegen Netanjahu im eigenen Land immer größer. Abgesehen davon: Ein Waffenstillstand wäre auch noch kein Frieden, unterstreicht Gazet van Antwerpen.
Nur Verlierer
Im Krieg gibt es nur Verlierer – diese Weisheit war selten passender als in diesem Krieg, schreibt De Standaard. Auch wenn Netanjahu darauf beharrt, dass der Sieg gegen die Hamas in Griffweite ist. Der Ministerpräsident definiert einen Sieg als eine Niederlage der Hamas und die Befreiung aller übrigen Geiseln. Aber selbst wenn das gelingen sollte, wäre das kein echter Sieg: Israel mag dann zwar militärisch als Gewinner dastehen, aber ganz sicher nicht moralisch. Dafür hat es zu oft das Kriegsrecht gebrochen und sind zu viele unschuldige Menschen gestorben. Außerdem bereitet Israel der Hamas den Boden für die nächsten Rekrutierungswellen, die Terrorgruppe könnte langfristig also sogar gestärkt werden.
Auf der Verliererseite steht aber auch der gesamte Westen: Denn in den Augen vieler hat er bewiesen, dass er mit zweierlei Maß misst. Die größten Verlierer sind aber die Palästinenser selbst. Sie haben zwar auch gewonnen, weil ihr Schicksal auf der internationalen Bühne nun mehr Aufmerksamkeit bekommt. Aber es ist zweifelhaft, ob ihnen das etwas bringen wird, meint De Standaard.
Die Lehren aus Ruanda nicht verinnerlicht
Vor 30 Jahren hat in Ruanda der Horror begonnen, erinnert L'Avenir in seinem Leitartikel. Hutu-Milizen und -Zivilisten begannen mit dem Abschlachten der Tutsi und oppositioneller Hutu. Unter den Opfern waren aber auch zwölf belgische Zivilisten und zehn Blauhelme. Das hat Belgien zum Rückzug seiner Soldaten veranlasst, die Vereinten Nationen zogen nach. Damit hatten die Mörder freie Hand, um in nur hundert Tagen fast eine Million Menschen zu ermorden, darunter etwa 80 Prozent der Tutsi-Bevölkerung Ruandas. Premierminister Guy Verhofstadt hat sich im Jahr 2000 entschuldigt, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat letzte Woche erklärt, dass der Völkermord hätte gestoppt werden können. Die Frage ist aber, ob wir wirklich etwas gelernt haben. Werden wir endlich etwas unternehmen, damit sich die Geschichte nicht wiederholt?, fragt L'Avenir.
Militärs, Diplomaten, Entwicklungshelfer und viele andere Personen hatten vor den stattfindenden Massakern und dem beginnenden Genozid gewarnt, hält La Libre Belgique fest. Aber Frankreichs Regierung wollte nichts hören: Staatspräsident François Mitterrand hatte seine eigenen Ziele, Prioritäten, Kalküle und Freundschaften. 30 Jahre später sind die Archive geöffnet und ist die Wahrheit ans Licht gekommen. Aber die Lehren aus dem Drama sind nicht verinnerlicht worden. Die Lage in der rohstoffreichen Region ist explosiver denn je. Aus Berechnung, wegen der eigenen Interessen vor Ort oder aus Angst, leer auszugehen, verschließen Länder und internationale Institutionen die Augen vor den Taten der lokalen Regime. Der Hass, der zum Genozid führt, spielt wieder zum Tanz auf. Morgen oder übermorgen wird niemand behaupten können, nichts gewusst zu haben, mahnt düster La Libre Belgique.
Eiweißwende und Obdachlosigkeit
Ganz anderes Thema bei Het Belang van Limburg: Heute kommen die EU-Landwirtschaftsminister erneut zu einem informellen Gipfel zusammen. Auf der Agenda steht dabei die Einstufung der Landwirtschaft als strategisch wichtiger Sektor. Europa ist zwar hier und da bereits autonom. Aber ganz sicher nicht bei den Pflanzenölen, wie wir seit dem russischen Überfall auf die Ukraine wissen. Das Soja für die Viehzucht stammt sogar nur zu ein paar Prozent aus Europa. Flandern beispielsweise ist bei Weitem nicht groß genug, um genug Soja anzubauen für die heimische Viehzucht. Schon jetzt müsste die Region doppelt so groß sein, um sich nahrungstechnisch zu versorgen.
Bei dem Gipfel steht aber auch die sogenannte Eiweißwende auf der Tagesordnung. Also der Übergang von tierischen zu pflanzlichen Proteinen. Was das Gleiche bedeutet, nur anders ausgedrückt: eine Reduzierung der Viehzucht, so Het Belang van Limburg.
De Morgen befasst sich mit dem Problem der Obdachlosigkeit: Wie jedes Jahr werden im Frühling die Notunterkünfte für die Obdachlosen geschlossen, werden die Obdachlosen mehr oder weniger bestimmt rausgeworfen. Als ob diese Menschen plötzlich kein Bett, Essen und keine hygienische Mindestversorgung mehr bräuchten, nur weil es wieder wärmer wird. Wie so oft in diesem Land gilt auch bei der Obdachlosigkeit: Jeder ist zuständig, aber niemand fühlt sich verantwortlich. Siehe auch Unterbringung von Asylbewerbern. Aber kein Problem, die beiden Gruppen können zumindest noch gegeneinander ausgespielt werden: Etwa, indem man Obdachlose räumt, um Plätze für illegale Einwanderer zu schaffen. Wer in puncto Wahlkampf uninteressanter ist, zieht den Kürzeren, so die zynische Feststellung von De Morgen.
Boris Schmidt