"Die Nato wird diesen Donnerstag 75 Jahre alt: ein bewegter Geburtstag", liest man auf Seite eins von L'Avenir. "Mit 75 Jahren ist die Nato stärker als jemals zuvor", titelt L'Echo. "Das Geburtstagskind Nato wird den Blick nicht nur auf Russland gerichtet halten können", so De Tijd.
Heute vor genau 75 Jahren, am 4. April, hat der Nordatlantikpakt, besser bekannt als Nato, das Licht der Welt erblickt, erinnert L'Avenir in seinem Leitartikel. Geschaffen zu Beginn des Kalten Krieges war die ursprüngliche Aufgabe der Nato, sich der Sowjetunion entgegenzustellen. 75 Jahre später hat sich die Welt verändert – und die Allianz hat das ebenfalls getan. Heute zählt das Verteidigungsbündnis 32 Mitglieder, am Anfang waren es nur zwölf. Vor allem in den letzten zwei Jahren sieht sich die Nato auch wieder ihrem alten Feind Russland gegenüber: Die Rückkehr des Krieges nach Europa hat dem Bündnis neues Leben eingehaucht. Die großangelegte Invasion der Ukraine durch Russland war ein Elektroschock. Die baltischen Staaten und Polen fürchten, die nächsten zu sein auf Putins Liste. Der Kreml ist allerdings bei Weitem nicht die einzige Bedrohung: Die größte Gefahr lauert im Westen mit einer möglichen Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus. Denn Trump hat ja gedroht, Nato-Verbündete den Russen zu überlassen. Damit untergräbt er Artikel fünf, die Beistandsklausel, das Herzstück der Nato. Europa hat seit Beginn des Ukrainekriegs zwar Fortschritte gemacht in puncto Verteidigung, bleibt aber immer noch weitgehend abhängig von den Vereinigten Staaten. Die Europäer haben keine andere Wahl: Sie müssen ihre Zukunft in die eigenen Hände nehmen. Wie sagt schon das Sprichwort: Wer den Frieden will, der muss den Krieg vorbereiten, unterstreicht L'Avenir.
Europa muss seine strategische Autonomie ausbauen
2019 hatte der französische Präsident Emmanuel Macron noch den "Hirntod" der Nato verkündet, kommentiert Het Laatste Nieuws. Heute erklärt Ursula von der Leyen, die Vorsitzende der Europäischen Kommission, dass das Bündnis stärker als jemals zuvor ist. Dazwischen ist viel passiert, unter anderem der größte Landkrieg auf europäischem Boden seit dem Zweiten Weltkrieg. Ist die Nato wirklich stärker? Zumindest ist sie größer geworden mit Schweden und Finnland. Aber wenn die Nato lebendiger denn je ist, dann gilt das auch für Russland: Putin hat sein Land im Eiltempo zur Kriegswirtschaft umgebaut und bereitet sich laut vielen Experten auf einen noch größeren Krieg vor, warnt Het Laatste Nieuws.
Der Ukrainekrieg hat der Nato eine neue Daseinsberechtigung gegeben, schreibt L'Echo, aber sie hat nach wie vor diverse Schwachstellen: Die Rückkehr Trumps etwa könnte zu sehr viel Instabilität führen. Um sich unabhängig von den Vereinigten Staaten verteidigen zu können, wird Europa viel schneller und stärker als bisher seine strategische Autonomie innerhalb der Nato ausbauen müssen. Dafür braucht es Investitionen und eine gemeinsame Vision. An beidem mangelt es aber weiter. Nicht nur wegen der schwierigen Haushaltslage vieler Länder. Auch der Aufstieg extremer Parteien und Überdruss bei der Bevölkerung gefährden das Projekt. Auf der operationellen Ebene muss Europa ebenfalls mehr tun: Streitkräfte, Kapazitäten und Befehlsstäbe müssen besser integriert werden. Und vor allem muss die europäische Industrie besser gegen Konkurrenz von außen geschützt werden – inklusive der aus Amerika. Denn Verteidigung hat immer auch einen wirtschaftlichen Aspekt, hebt L'Echo hervor.
Nicht nur auf Russland konzentrieren
Putins blutiger Krieg hat die Nato-Länder wachgerüttelt und viele von ihnen mit dem erbärmlichen Zustand ihrer Verteidigung konfrontiert, meint De Tijd. Die Nato darf sich auch nicht ausschließlich auf Russland konzentrieren, die Liste der Herausforderungen ist viel länger als das: China rückt immer weiter vor, hinzu kommen immer größere Bedrohungen durch beispielsweise hybride Kriegsführung und Künstliche Intelligenzen. Es gibt auch Spannungen zwischen den Mitgliedsstaaten: Während die Osteuropäer vor allem die russische Gefahr sehen, wollen die Südeuropäer mehr Aufmerksamkeit für die Lage in Afrika und im Nahen Osten. Und dann ist da natürlich auch noch Donald Trump, dessen Wahlsieg für Putin ein Geschenk Gottes wäre, zählt De Tijd auf.
Israels Führer sind Warlords
De Standaard kommt auf den tödlichen israelischen Angriff auf einen Hilfskonvoi im Gazastreifen zurück: Der dreifache Drohnenangriff, bei dem sieben humanitäre Helfer ums Leben gekommen sind, war kein tragisches Unglück. Er war die direkte Folge der Entscheidung der israelischen Führung, keine Rücksicht auf das Leben von Zivilisten zu nehmen. Die Helfer der Nichtregierungsorganisation "World Central Kitchen" hatten alle erdenklichen Vorsichtsmaßnahmen ergriffen: Sie hatten die Zustimmung der israelischen Armee für ihre Mission, sie nutzten einen Weg, der als sicher galt, und ihre Fahrzeuge waren deutlich und gut sichtbar gekennzeichnet. Das israelische Militär hat genau gewusst, wen es da unter Feuer nahm, die Versicherungen von Netanjahu, dass es ein Versehen war, sind nicht glaubwürdig. Die Worte des israelischen Ministerpräsidenten legen außerdem nahe, dass internationale Helfer auch in Zukunft Freiwild sein werden für seine Armee. Die Folge: Internationale Hilfsorganisationen ziehen sich zurück, noch mehr palästinensische Opfer werden zu beklagen sein. Die israelische Armee ist mittlerweile nicht besser als eine hundsgewöhnliche Rebellenmiliz und die Führer des Landes sind nichts anderes als Warlords, giftet De Standaard.
Boris Schmidt