"Sieg knapp verpasst – Belgien kassiert gegen England spät den 2:2-Ausgleich", fasst das GrenzEcho das Länderspiel Belgien gegen England gestern Abend im Wembley-Stadion zusammen. "Zwei Mal Tielemans, aber Ausgleich in den Schlusssekunden", präzisiert Het Belang van Limburg. "Zwei Tore waren nicht genug", beklagt Het Nieuwsblad. "Fast hätten es die Teufel geschafft", rauft sich Le Soir die Haare. "Die Sünde am Ende", stöhnt Het Laatste Nieuws. "Wir haben es nicht geschafft, auf den Mond zu fliegen", ärgert sich auch La Dernière Heure.
Die Leitartikel befassen sich allerdings mit ganz anderen und vor allem sehr unterschiedlichen Themen – so wie zum Beispiel einer neuen Studie zur Obdachlosigkeit: Obdachlosigkeit, das sind nicht nur die Bettler und Penner, die man auch in der Wallonie immer häufiger sieht, kommentiert L'Avenir. Die immer schlimmer werdende Wirtschafts- und Sozialkrise lässt auch ein anderes Phänomen immer sichtbarer werden: das der Menschen ohne festes Zuhause. Wir reden von Personen, die wochen- oder sogar tageweise ihre Unterkunft wechseln müssen, die mal bei Familienmitgliedern, mal bei Freunden und manchmal sogar einfach bei flüchtigen Bekannten übergangsweise Unterschlupf finden.
Ohne feste Adresse verlieren diese Menschen auch den Kontakt zu den Behörden, zum Beispiel mit der Justiz oder dem Finanzamt. Früher oder später führt das unweigerlich zu Problemen und noch prekäreren Situationen. Die Studie stellt auch fest, dass immer häufiger junge Menschen und Frauen von Obdachlosigkeit betroffen sind. Und in so einer Lage ist es unmöglich, Selbstständigkeit zu entwickeln und eine Zukunft zu planen. Das ist eine echte gesellschaftliche Zeitbombe, um die sich gekümmert werden muss, fordert L'Avenir.
Allein in Antwerpen gibt es mindestens 910 Kinder, die kein festes Dach über dem Kopf haben, hält Gazet van Antwerpen fest. Aber das Problem betrifft nicht nur Antwerpen oder Belgien, sondern auch andere europäische Länder. Eines der wenigen Länder, das erfolgreich gegen Obdachlosigkeit kämpft, ist Finnland. Bis 2030 will das Land Obdachlosigkeit komplett eliminiert haben. Und das hat einen einfachen Grund: Finnland hat genug Sozialwohnungen. Wenn es nicht genug Wohnraum gibt, dann bringen alle noch so tollen Pläne und Initiativen nichts, unterstreicht Gazet van Antwerpen.
Van Hool: Die Leidtragenden sind die Angestellten
De Standaard beschäftigt sich mit der Lage beim Busbauunternehmen Van Hool: Selbst mit dem Messer an der Kehle haben sich die Mitglieder der Familie Van Hool nicht einigen können in einer schon seit 25 Jahren andauernden Erbschaftsfehde. Das war aber die Voraussetzung, um dem Unternehmen zumindest eine Chance auf Überleben geben zu können. Leider war die Mischung aus Neid, Habgier und Groll offenbar so toxisch, dass der Van-Hool-Clan lieber alles verliert. Die Leidtragenden sind die Angestellten, die bis zum Ende hart gearbeitet haben, um die Firma über Wasser zu halten. Und die jetzt mit der Pleite mit ziemlich leeren Händen dastehen, klagt De Standaard an.
Die Arbeitnehmer sind selbst gestern noch brav zur Arbeit erschienen, hebt Het Laatste Nieuws hervor, die Direktion musste sie schließlich nach Hause schicken. Von dieser Arbeitseinstellung könnte sich die Familie Van Hool ruhig mal eine Scheibe abschneiden. Die gute Nachricht ist, dass sich schon viele Betriebe gemeldet haben, die ehemaliges Van-Hool-Personal einstellen wollen. Auch der Beschäftigungsgrad bei Über-55-Jährigen in Flandern nimmt immer weiter zu. Früher hätten Massenentlassungen unweigerlich zu Brückenpensionen geführt und dazu, dass diese Menschen nur schwer wieder ihren Weg auf den Arbeitsmarkt finden. Dank strengerer Regeln und dem Arbeitskräftemangel ist das heute aber nicht mehr so. Diese Feststellung ist zumindest so etwas wie ein kleiner Lichtblick im ganzen Van-Hool-Drama, findet Het Laatste Nieuws.
Wahlkampf im Fantasieland
De Tijd greift den neuen Zwischenbericht des Monitoring-Komitees zur Haushaltslage auf: Alle Ebenen zusammengenommen gibt Belgien dieses Jahr 26,6 Milliarden Euro aus, die es nicht hat. Besonders beunruhigend ist aber, dass das Haushaltsloch ohne Gegensteuern Jahr für Jahr noch größer wird: Durch die Vergreisung der Gesellschaft steigen die Ausgaben für das Gesundheits- und Rentensystem, die Zinsen für die Staatsschulden gehen in die Höhe und es kommen zusätzliche Ausgaben auf uns zu, beispielsweise für die Verteidigung. Das wird dazu führen, dass das Defizit auf fast 45 Milliarden Euro anwachsen wird.
Eigentlich sollte so ein Bericht hundert Tage vor den Wahlen zu einer nationalen Diskussion führen, wie das nach den Wahlen angegangen werden soll. Aber Fehlanzeige, es ist, als ob der Wahlkampf in einem Fantasieland geführt würde, beklagt De Tijd.
Die neuen politischen Waffen
De Morgen blickt aus einem anderen Grund auf die Wahlen: 2024 ist ein Jahr, in dem die Karten der Weltpolitik neu gemischt werden – vier Milliarden Menschen sind dazu aufgerufen, ihre Stimme abzugeben, von den Vereinigten Staaten über Europa und Großbritannien bis nach Mexiko und Indien. Viele Wähler haben das Gefühl, dass dieses Mal besonders viel auf dem Spiel steht; Zersplitterung, Radikalisierung und Polarisierung nehmen immer weiter zu. Wir müssen uns eine dringende Frage stellen: Sind wir wirklich auf die Welle an politischen Desinformationen vorbereitet, die auf uns zukommt?
Mittlerweile sind die technischen Möglichkeiten viel raffinierter geworden, viel zugänglicher und vor allem auch viel günstiger. Es war noch nie so schwierig, falsche von echten Meldungen zu unterscheiden, und es war noch nie so einfach, Millionen Menschen in die Falle zu locken. Die Behörden sind sich des Problems zwar bewusst und versuchen, sich so gut wie möglich vorzubereiten. Aber es sind vor allem wir selbst, die wachsamer werden müssen angesichts der neuen, digitalen politischen Waffen, die die Grenzen zwischen Fakten und Fiktion verschwimmen lassen und die Demokratie bedrohen, appelliert De Morgen.
Boris Schmidt